Die apokalyptischen Reiter der Offenbarung
14.07.2006 um 16:43
Der vierte Reiter:
Tod!
Die Schwierigkeit einer für alle Lebewesen gültigenDefinition lässt sich durch die Beispiele Tod von Einzellern und Tod von Säugetierenerahnen. Im ersten Fall ist der Tod entweder durch den unumkehrbaren Verlust derZellintegrität (Lyse) oder den unumkehrbaren Verlust der Zellteilungsfähigkeit (z. B.durch Zerstörung des Genoms) definiert, im zweiten Fall durch die unumkehrbareDesintegration lebensnotwendiger Organe wie des Herzkreislaufsystems und des zentralenNervensystems (Gehirn). Das Sterben ist ein Prozess, und das Eintreten des Todes lässtsich selten exakt einem Zeitpunkt zuordnen. Der Tod ist der Zustand eines Organismus nachder Beendigung des Lebens und nicht zu verwechseln mit dem Sterben und Nahtoderfahrungen,die ein Teil des Lebens sind.
Der Tod als biologischer Mechanismus
Diebiologische Begründung für den natürlichen Tod – und auch schon der Alterung – wird vonWissenschaftlern im Mechanismus der Evolution vermutet: Hat ein Lebewesen sein Erbguterfolgreich weitergegeben (sind die Nachkommen selbständig), dann existiert das Erbgut inden Nachkommen fort. Ereignisse, die sich nach der erfolgreichen Weitergabe des Erbgutseinstellen, haben keine direkte Wirkung auf die Veränderung, also weder eine förderndenoch eine hemmende Wirkung. Folglich können sich im Erbgut Faktoren ansammeln, die dasweitere Leben nach der erfolgreichen Erbgutweitergabe bestimmen, ohne dass sie demSelektionsdruck ausgesetzt sind. Dazu zählen auch Erbkrankheiten, die erst imfortgeschrittenen Alter ausbrechen, wie z. B. die Nervenkrankheit Chorea Huntington.Dieser „genetische Müll“ verursache, so die Theorie, den Alterstod. Dass der Alterstodnicht zwangsläufig sein muss, zeigen Experimente mit bestimmten Seegurken-Arten: Diesekonnten über Jahrzehnte am Leben erhalten werden, ohne dass Alterungserscheinungenauftraten. Voraussetzung für die völlige Aussetzung der Selektion ist, dass es ein Altergibt, ab dem eine Fortpflanzung nicht mehr möglich ist. Bei Lebewesen, die sich durchKnospung vermehren, ist dies oft nicht gegeben. Diese sollten also nach dieser Theoriepotentiell unsterblich sein.
Zwei Faktoren können jedoch auch nach derErbgutweitergabe einen Selektionsdruck auf Gene bewirken, die sich auf den Todeszeitpunktauswirken: Bei vielen Lebewesen ist es Aufgabe der Eltern, ihre Nachkommen großzuziehen,und ein Tod der Eltern während dieser Zeit verhindert das Fortbestehen des Erbgutes.Andererseits führt ein zu langes Weiterleben nach der Fortpflanzung zu höherem Druck fürdie Nachkommen wegen Platz- und Ressourcenmangel. Weiterhin führt zu langsamerGenerationswechsel zur zu langsamen Anpassung an veränderte Umweltbedingungen und dientnicht der Arterhaltung. In dieser Hinsicht ist der Tod also nützlich und notwendig (fürdie Art).
Todesursachen
Im engeren Sinne unterscheidet man beimEintritt des Todes einerseits konkret fassbare Ursachen, andererseits werden aus denjeweiligen Umständen des Todes einer Person abgeleitete, psychogene Faktoren diskutiert,die als Ursache des Todes in Erscheinung treten sollen.
Zu den natürlichenTodesursachen zählen Krankheiten und das Versagen von Körperfunktionen, zu dennichtnatürlichen Todesursachen rechnet man u.a. Unfälle, Verbrechen, Krieg, Vergiftungenoder Suizide.
Der Begriff des psychogenen Todes beschreibtVermutungen, wie der Tod aus der „Tätigkeit der Psyche heraus“ eintreten könnte. Derpsychogene Tod soll etwa in Zusammenhang mit Voodoo als Folge von Verzauberung,Verfluchung, Suggestion, Prophezeiung, schwarzer Magie oder Beten beobachtet worden sein.Man geht auch bei Todesfällen nach Brechen von abergläubischen und religiösen Tabus oderbei Verzweiflung, Hilf- und Hoffnungslosigkeit oder Heimweh im Rahmen des „Heimweh-Tods“von psychogenen Ursachen beim Todeseintritt aus.
Der Übergang vom Leben zumTod
Sterbephase
Elisabeth Kübler-Ross erkannte, dass der Sterbeprozessunheilbar Kranker in unserer modernen Kultur meist in fünf Phasen abläuft. In der Regeldurchlaufen die Betroffenen die Zustände
Nichtwahrhabenwollen und Isolierung
Zorn
Verhandeln
Depression
Zustimmung
Diese Gemütszustände sindVerteidigungsmechanismen im psychiatrischen Sinne und dienen der Bewältigung derExtremsituation, in der sich die Sterbenden befinden. Sie müssen nicht zwingend alle undin dieser Reihenfolge auftreten, auch können sie gleichzeitig vorkommen und individuellsehr verschieden lang andauern.
Mit dem Tod und aller todbezogenen Gedanken,Gefühle, Verhaltensweisen und Phänomene beschäftigt sich besonders die Thanatologie.
Siehe auch: Ars moriendi
Todeszeichen
Die genaue Grenze zwischenLeben und Tod ist schwer zu definieren. Je weiter man von der Grenze entfernt ist, destoklarer ist der Unterschied zwischen Leben und Tod, je näher man an der Grenze ist, destounschärfer wird sie: So können Lebewesen, die bereits einen Herzstillstand haben,manchmal erfolgreich wiederbelebt werden. Ebenfalls können einzelne Zellen und Gewebewährend des so genannten intermediären Lebens noch viele Stunden nach eingetretenemHirntod auf äußere Einflüsse reagieren. Als unsichere Todeszeichen gelten unter anderem
fehlende Atmung
fehlender Puls
fehlender Herzschlag
Bewusstlosigkeit
Unterkühlung, für das auch als Leichenkälte bezeichneteTodeszeichen siehe Algor mortis
komplette Lähmung aller Muskeln
fehlenderPupillenreflex (vgl. Areflexie)
Trübung der Hornhaut
Für eine Organentnahme zurOrgantransplantation wird der Tod über den Hirntod definiert. Zur Feststellung desendgültigen Todes dienen die sicheren Todeszeichen. Im allgemeinen reichen die folgendensicheren Todeszeichen dazu aus:
Totenstarre (Rigor mortis, Leichenstarre)
Verwesung (Autolyse) oder Fäulnis
Totenflecken (Livores)
Verletzungen, diemit dem Leben nicht mehr vereinbar sind (z. B. Enthauptung)
Todeszeitpunkt
Zur Feststellung des Todeszeitpunktes werden verschiedene Methoden angewandt. Sogeben die Beurteilung der Totenstarre und der Leichenflecken grobe Richtwerte (Beginn derTotenstarre nach 2–4 Stunden, volle Ausprägung nach 6–8 Stunden, Lösung nach 2–3 Tagen).Als einer der genausten Methoden gilt die Bestimmung der Körperkerntemperatur, die unterBerücksichtigung der Außentemperatur, des Körpergewichtes und den Auffindungsumständenzur Berechnung der Abkühlungszeit benutzt werden. Ebenfalls zur Ermittlung der Todeszeitwerden Insektenlarven beurteilt. Daraus hat sich eine eigene Forschungsrichtung derRechtsmedizin entwickelt: die forensische Entomologie.
Der Tod ausphilosophischer und religiöser Sicht
Zu den Konsequenzen des Todes für dasbetroffenene Individuum lassen sich vier philosophische Grundhaltungen unterscheiden:
Der Tod ist das endgültige Ende der körperlich-organischen und der aktiven,physisch feststellbaren geistigen Existenz eines Lebewesens (z.B. Ganztodtheorie)
Der Tod ist nur eine Phase, die schließlich zu einem neuen individuellen Leben führt(Wiederverkörperung durch Reinkarnation)
Der Tod ist der unumkehrbare Übergang ineinen anderen Seinszustand (Weiterleben in einem Totenreich, Auferstehung,Unsterblichkeit)
Leben und Tod sind indifferent (in einigen mystischen Richtungen,z.B. im Zen).
Zu den unterschiedlichen Auffassungen der verschiedenen Religionen undphilosophischen Richtungen gibt der Artikel Leben nach dem Tod Auskunft.
Der Umgang mit dem Tod
Dass der Umgang mit dem Tod schwer fallen muss, ersiehtman bereits aus einer eher unauffälligen sozialen Tatsache: Wenige deutsche Worte - undin anderen Sprachen ist es ebenso - hatten und haben so viele Synonyme und abmilderndeBezeichnungen wie für den "Tod". Beispiele geben viele Todesanzeigen ("Hingang","Hintritt", christlich gefasst: die "Versammlung zur höheren Gemeinde"), Nachrufe("Ableben", "Abschied"), dichterische Formen ("Freund Hein") oder umgangssprachlicheUmschreibungen (vom altertümlichen "Gevatter Tod" bis zum gegenwärtigen "den Löffelweglegen").
Der direkte Umgang mit dem Tod ist seltener geworden, wo er nichtmehr im Kreise der Familie oder inmitten von Gefährten (wie etwa im Krieg, imKatastrophenfall) eintritt, sondern in Kliniken, und wo der Leichnam vonBestattungsunternehmen übernommen wird.
Mehrere Wissenschaften befassen sichdirekt mit Tod, und im Zusammenhang damit mit den Sterbenden und Hinterbleibenden (sobesonders die Theologie und die Palliativmedizin), andere seltener (Psychologie,Soziologie, Pädagogik, Philosophie).
Kultursoziologischer Ansatz
Dersoziale Umgang mit dem Tod hängt zunächst stark davon ab, ob eine Kultur überhaupt den„Tod“ als Tatsache verneint oder bejaht.
Sie betonen damit eine der beidenMöglichkeiten, die in jedem einzelnen Menschen psychisch präsent sind, denn einerseitslernt er glaubhaft bereits im Jugendalter „Alle Menschen sind sterblich“, andererseitsaber hat er bis an die Schwelle von schwerer Krankheit oder Alter die innerlicheÜberzeugung, er lebe immer weiter. (Vgl. dazu Franz Borkenau, „Ende und Anfang“.)
Verneint eine Kultur die Endgültigkeit des Todes, so müssen bereits die Lebenden mitdem Weiterwirken der Verstorbenen rechnen, müssen sie ggf. fürchten, sich aber auch aufihren eigenen physischen Tod entsprechend einstellen, um ihr andersartiges Weiterleben zuoptimieren (vor allem Strafen für diesseitige Schuld im Jenseits zu vermeiden).Entsprechend entwickeln solche Kulturen auch Konzepte des körperlichen oder geisterhaftenWeiterlebens, der Wiedergeburt, des Ewigen Lebens u.a. und entsprechende Bräuche undRituale (z.B. behausende Bestattungsformen, Ahnenkulte, Opfer und Fürbitten).
Verneint eine Kultur jedes (diesseitige oder jenseitige) Weiterleben, sieht also denTod als endgültig an – wie z.B. die alten Griechen (siehe Hades) – , so sind ihreMitglieder ganz darauf verwiesen, ihr Diesseits zu gestalten und ggf. ihr Weiterleben imDiesseits zu beeinflussen, vor allem also für ihr Angedenken, im stärksten Fall für ihrenNachruhm zu sorgen. Auch hier finden sich darauf abgestimmte Bräuche und Rituale (z.B.erinnernde Grabmale, regelmäßige Gedenktermine, Gedenkstätten).
Psychoanalytischer Ansatz
Hier wird mit der Entgegensetzung und -wirkung desSexual- und des Todestriebs in jedem Einzelnen gearbeitet. (Vgl. dazu Sigmund Freud,„Jenseits des Lustprinzips“.)
Beide Triebe sind nicht auslebbar, also müssen sieminder oder mehr unterdrückt werden. Dies geschieht nicht nur bewusst, sondern –angesichts der Stärke dieser Triebe vorhersehbar – stark auch unbewusst. Entsprechendwird der Tod verdrängt oder so verarbeitet, dass er ins Vorbewusste zurücktritt undalltags den Menschen nicht ununterbrochen behelligt. Doch verschwindet er nicht völlig,sondern macht sich in Gewohnheiten (z.B. regelmäßigen angstvollen Gebeten, Träumen oderNeurosen) immer wieder bemerkbar.
Wieviel Treibunterdrückung notwendigerscheint, hängt wiederum von der jeweiligen Kultur ab. Diese reichen von dervorherrschenden Todesbejahung (vgl. den Heldentod) bis hin zur vorherrschendenTodesverneinung (vgl. die Höllenangst