@nurunalanur Zitate aus dem Zusammenhang zu reissen ist wie Suren aus dem Zusammenhang zu reissen.
Misst du mal wieder mit zweierlei Mass?
:D...Ansonsten wiederholt Hübsch leider nur die ideologischen Konstruktionen, die Goethe und seinen „West-östlichen Divan“ für die Sache des Islams zu vereinnahmen suchen: „Wer sich selbst und andere kennt / Wird auch hier erkennen / Orient und Okzident / Sind nicht mehr zu trennen.“ Diese Zeilen gelten manchen Interpreten als ein Bekenntnis Goethes zum Islam, anderen, wie Rafik Schami, als „Liebeserklärung an den Orient“.
Aber so einfach ist der deutsche Dichterfürst dann doch nicht zu haben. Sein Verhältnis zum Islam ist vielschichtiger und widersprüchlicher als behauptet. Nicht nur kritisiert der Geheimrat die „offensichtliche Benachteiligung“ der Frauen und das Weinverbot im Islam – für ihn Zeichen der „düsteren Religionshülle“, die der Prophet seinem Stamme aufgezwungen habe; an der Figur Mohammeds thematisiert er darüber hinaus den bis heute gültigen Grundkonflikt des Islams: ein Glaube, der sein „Göttliches“, seine spirituelle Dimension, verliert, weil der Prophet versuche, das „Himmlische, Ewige in den Körper irdischer Absichten“ einzuzwängen und sich so des Heiligen „am Ende gänzlich begibt“...
...Durch, wie es Katharina Mommsen in ihrer Studie über „Goethe und die Arabische Welt“ ausdrückt, „rigorose, weltliche Mittel“, die er dabei einsetzt, durch die mit „Waffengewalt und Krieg“ erkämpfte Durchsetzung des neuen Glaubens verstricke sich Mohammed in Schuld; je mehr er seine Gegner bezwinge, je mehr es ihm gelinge, seine Religion „zur öffentlichen“ zu machen, desto stärker verliere er das „Göttliche“ aus den Augen. Er wird zum Verräter am Heiligen.
Es kam nie zur Realisierung dieses Projekts, vielleicht, weil der Grundkonflikt zwischen Religiösem und Ästhetischem, zwischen Poesie und Prosa – ich würde heute in Bezug auf meinen Dialog mit dem Islam sagen: zwischen Politik und Spiritualität –, der sich für Goethe auftat, nicht lösbar erschien. Er wollte den Koran als faszinierende Dichtkunst lesen, stieß dabei aber unweigerlich auf die höchst irdischen Absichten – ein Gegensatz, der sich nicht auflösen ließ...
...Seit 1814 beschäftigte Goethe sich dann mit Hafis, der im vierzehnten Jahrhundert in Schiras unter einem freizügigen muslimischen Schah lebte und selbst ein Gegner jedweder Orthodoxie gewesen war. Er diente Goethe auch als Figur, mit der er kritische Differenzen zum Koran kenntlich werden lassen konnte. So monierte der „Dichter der Frauen“, dass die muslimischen Vorstellungen vom Paradies ausschließlich männlich bestimmt waren. In diesem „Paradies der Männer“ sind zwar himmlische Frauen als Freudenspenderinnen dienlich, für irdische Frauen aber ist darin kein Platz. Katharina Mommsen schreibt: „Die offensichtliche Benachteiligung der Frau erschien Goethe als so charakteristische Eigenheit am Islam, dass er sich motiviert fühlte, in drastischer Weise auf sie aufmerksam zu machen.“
Goethe ist dem Islam mit Respekt, aber nicht mit Kritiklosigkeit begegnet. An vielen Stellen seines „Divan“ ist er voll beißenden Spotts.
Für ihn ist, so schreibt er zum Verdruss mancher seiner muslimischen Rezipienten, Mohammed der „Verfasser jenes Buches“: der Koran nicht etwa göttliche Offenbarung, sondern ein von Menschenhand verfasstes Buch, das der historischen Kritik unterworfen und erst dadurch dem Dialog zugänglich ist. Goethes Auseinandersetzung mit dem Islam ist höchst modern – von ihm können wir lernen.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/2.1763/goethes-islambild-herr-mache-ihnen-raum-in-ihrer-engen-brust-1575573.html