@Valentini Wozu? Nur um die vermeintliche Doktrin einer demokratischen Verfassungsgebung darzustellen? Ich sehe dafür keine Notwendigkeit. Es ist sicherlich zutreffend, dass das deutsche Volk bis zur Wiedervereinigung nicht die Möglichkeit hatte, seine politische Form in freier Selbstbestimmung zu wählen. Duch die Volkskammerwahlen und die Beschlüsse der Volkskammer und des Bundestages einschl. des Einigungsvertrages ist dies letztlich mit verfassungsändernder Mehrheit jedoch in beiden deutschen Staaten erfolgt. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass dies legitimativ nur mittels einer Volksabstimmung geschehen müsse.
Auch wenn es gewisse Parallelen gibt, so ist es trotzdem nicht zutreffend, dass viele Teile unserer heutigen Verfassung gleich denen der Weimarer Reichsverfassung entsprechen, und deshalb nicht mehr der den gegenwärtigen Anforderungen genügen würden. Im Gegentei: die Anpassung fand längst statt. So sind heute - um nur ein Beispiel zu nennen - die Grundrechte oberstes und auch den Gesetzgeber unmittelbar bindendes Recht, was in der Weimarer Republik ganz und gar nicht der Fall war, obwohl sie auch dort in ähnlicher Form auffindbar waren.
Im Großen und Ganzen meine ich, ist unsere Verfassung alles andere als nicht zeit- oder anforderungsgerecht, sondern - im Gegenteil - aus rechtsgeschichtlicher, humanitärer und gesellschaftssoziologischer Sicht eine der fortschrittlichsten Errungenschaften der zivilen Kulturen überhaupt. Es gibt m. E. gar keinen Anlass, diese Garantien durch eine neue, und wohl auch ziemlich grund- und ziellose Verfassungsgebung auf's Spiel zu setzen.
Legitim wäre das juristisch übrigens auch nicht so einfach möglich, denn die Revisionsklausel des Art. 146 GG bestimmt nur die grundsätzliche Möglichkeit dazu sowie die Grundbedingung des Beschlusses durch das deutsche Volk in freier Entscheidung. Sie kann damit aber nicht unmittelbar zur Schaffung einer neuen Verfassung herangezogen werden, da sie nicht die nötige Voraussetzung einer Verfahrensregelung für eine Verfassungsgebung bereitstellt. Es bedarf dafür demnach einer Verfassungsrevision. Da eine solche wiederum eine Verfassungsänderung darstellen würde, wäre das nur im Wege einer verfassungsändernden Gesetzgebung möglich, also mindestens mit 2/3 Stimmen von Bundestag und gleichermaßen von Bundesrat um einen entsprechend ordnenden Revisionsartikel.