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Hitlers Partner
Amerika, die Bushs und der Holocaust
Amerika im Wahlfieber, nur noch wenige Stunden bis zum Countdown, für viele wird es die Wahl ihres Lebens. Statt Bush oder Kerry würden die Amerikaner am liebsten Clinton wählen. Während der Demokrat John F. Kerry vor allem mit seiner Vietnamzeit punkten will, hält sich George W. Bush mit seiner Vergangenheit eher zurück. Jetzt sind ungeheure Vorwürfe aufgetaucht: Die Millionen des Bush-Clans sollen aus Geschäften mit dem Dritten Reich stammen.
"Sie haben Millionen daran verdient", sagt die Journalistin Eva Schweitzer. "Sie haben an den ganzen Geschäften mit der Schwerindustrie verdient und hinterher noch Entschädigungen kassiert. Ein Gutteil ihres Vermögens stammt aus Geschäften mit dem Dritten Reich. Daran gibt es überhaupt keine Zweifel." Was die in New York lebende Journalistin in ihrem neuesten Buch "Amerika und der Holocaust" belegt, waren bisher Gerüchte: Wo Geschäfte und Dollars winken, ist die amerikanische Wirtschaft dabei.
Stahl für Auschwitz
Prescott Bush, der Großvater des heutigen Präsidenten, war Teilhaber der Bank Brown Brothers & Harriman in New York. Die Bank besaß Fabriken in Schlesien, die später Stahl bei Auschwitz produzierten. Die Züge, die nach Auschwitz rollten, wurden mit Brennstoff angetrieben, der aus von Bush mitfinanzierten Kohleminen stammte. Diese Dokumente belegen: Bushs Firma Brown Brothers Harriman hatte noch weitere gewichtige Geschäftspartner in Nazi-Deutschland.
"Prescott Bush war einer von wenigen Teilhabern, einer der sehr wichtigen Leute bei der Bank", sagt Schweitzer. "Die Bank hatte beispielsweise Thyssen als Partner, Flick, Schlesische Kohlemiene, Stahlwerke, also alle Industrieproduktionen, die wichtig für den Krieg und für die Aufrüstung waren."
Alles dokumentiert
Aber nicht nur die Bank von Prescott Bush, auch viele US-Konzerne haben an der Aufrüstung des Dritten Reiches verdient. Die Kampfbomber der Wehrmacht baute der US-Gigant General Motors. Über die Bombardierung Londons 1983 schreibt Schweitzer: In letzter Sekunde lieferten amerikanische Firmen in einem Geheimdeal 500 Millionen Liter Flugbenzin an die deutsche Wehrmacht. Außerdem lieferte General Motors mit Hilfe seiner deutschen Tochter Opel der Wehrmacht Lkws.
1942 werden im Konzentrationslager Auschwitz Juden mit Lochkarten registriert, die der heutige Computerriese IBM über seine deutsche Tochterfirma Dehomag produzierte. Eva Schweitzer zeigt, dass das tödliche Gas Zyklon B von Rockefellers US-Firma Standard Oil of New Jersey stamme, ein Partner der IG Farben. Woher stammen die Beweise für ihre Behauptungen?
"Es ist alles dokumentiert", sagt die Journalistin. "Es gibt das National Archives in Washington, wo auch die ganzen Prozessunterlagen aufgehoben worden sind. 1942 gab es lange Verfahren, Firmen zu enteignen oder ihre Konten zu beschlagnahmen, die mit deutschen Firmen zusammengearbeitet haben. Da gibt es Unterlagen, die ich zum Teil selbst aufgespürt habe, es gibt auch Wissenschaftler, die daran gearbeitet haben." Es sei schon relativ gut dokumentiert. "Bei einigen Firmen ist es so, beispielsweise Ford und General Motors, dass sie mittlerweile selbst in der Defensive sind."
Henry Ford bewunderte Hitler
Während es der Wirtschaft scheinbar nur um den Profit ging, gab es in den USA auch offenen Antisemitismus: Henry Ford, der wohl wichtigste Autoproduzent der Geschichte, gehörte zu den engsten Geschäftsfreunden der Nazis. Darüber hinaus verlegte er antisemitische Literatur. Adolf Hitler hatte in Henry Ford einen seiner eifrigsten Bewunderer und prominenten Freund.
"Ford dachte Hitler wäre der große kommende Staatsmann und für Hitler war Ford der Held", erklärt Schweitzer. "Hitler hatte ein großes Bild von Ford in seinem Parteibüro in München, sämtliche Bücher, die Ford je geschrieben hat in deutscher Übersetzung. Ford war ungeheuer populär in Deutschland. Es gab das Buch 'Der internationale Jude', das auf Ford zurückgeht, das Ford herausgegeben hat, und das in 30 bis 40 Länder verbreitet wurde - es hatte in Deutschland eine Millionenauflage."
Hollywood schaut weg
Wer nicht Antisemit war, lief in den USA Gefahr, als Kommunist abgestempelt zu werden. Am Besten man schaute weg. Hollywood und der Holocaust, das hieß Anpassung und Distanz. Eva Schweitzer beschreibt das Dilemma vieler Hollywoodbosse: einerseits selbst Jude zu sein, andererseits das Geschäft nicht zu gefährden. Einzig Charlie Chaplin kritisierte offensiv den Faschismus in seiner Hitlerparodie "Der große Diktator" - und wurde zum Staatsfeind.
"Hollywood ist eine Stadt, in der es um Geldverdienen geht", erklärt die Journalistin. "Die hatten in den 30er Jahren Angst als Kommunistenfreunde dazustehen. Es gab eine große Kampagne gegen Hollywood von Rechten aus Washington, die in der McCarthy-Ära noch einmal aufgegriffen wurde. Um sich davon zu distanzieren, haben sie den Ball flachgehalten. Es gab außerdem ein großes deutschstämmiges Publikum, das man nicht verärgern wollte. Kurz und gut, es kam relativ selten vor."
Visa hinausgezögert
Während viele jüdische Intellektuelle, Schauspieler und Künstler in Amerika ein Exil fanden, warteten Tausende jüdische Flüchtlinge vergeblich auf das rettende Ufer in Ellis Island. Eva Schweitzer belegt, dass die Bearbeitung ihrer Visa Anträge so lange wie möglich hinausgezögert wurde. Obwohl die Medien und die Geheimdienste über Judenverfolgungen informiert waren, mahnte Präsident Roosevelt zur Neutralität gegenüber Hitler-Deutschland.
Roosevelts Ziel sei es gewesen, den Engländern zu helfen, die Deutschen zu besiegen, und nicht so sehr, die Juden zu retten, so Schweitzer. "Es gibt heute noch eine große Verehrung der jüdischen Organisationen für Roosevelt. Es ist ein Tabu, ihn zu kritisieren. Das ist aber eigentlich nicht berechtigt. Natürlich hätten sie Leute aufnehmen können."
Nazis aufgenommen
Aufgenommen wurden dafür nach dem Krieg viele ehemalige Nazis, vor allem Wissenschaftler. Und auch die Geschäfte mit Deutschland gingen nahtlos weiter. US-Firmen und Banken verdienten weiter an den auf US-Konten geparkten Geldern jüdischer Arbeiter und Emigranten, schreibt Schweitzer.
Ihr akribisch recherchiertes und spannend geschriebenes Buch enthüllt ein dunkles Kapitel in der Geschichte Amerikas. Sollte George W. Bush die Wahlen gewinnen, bekommt er neben dem Irak-Krieg ein weiteres gewichtiges Problem: Wie soll er seinen Wählern die schwarzen Flecken seiner Familiengeschichte erklären."
(http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/lesezeit/72400/index.html (Archiv-Version vom 08.03.2008))
Da bleibt einem schon ein kleiner Kloß im Hals zurück nach dem Lesen finde ich...