Böse böse Tornados
31.03.2007 um 14:00
"1997 wurde die bislang latente Krise im Kosovo akut. Nachdem in Albanien dasBankensystem zusammengebrochen war, entlud sich die Wut der dortigen Bevölkerung imsogenannten „Pyramidenaufstand“, in dessen Folge die Waffenlager der albanischen Armeegeplündert wurden. Als Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verlieh JohannGeorg Reißmüller in jenen Tagen seiner Hoffnung Ausdruck, “dass sich in AlbanienAbenteurer jetzt Waffen beschafften, die sie ins Kosovo bringen möchten”, was in der Tatauch geschah. Nach dieser plötzlichen Bewaffnung der UCK-Guerilla erhielt deren diskretedeutsche Rückendeckung schlagartig neues Gewicht, was auch in Washington nicht unbemerktblieb:”Die amerikanische Regierung sieht es ungern, dass sich die deutsche auf dem Kosovopolitisch engagiert”, schrieb 1997 der schon erwähnte Reißmüller in der FAZ.
1998 schließlich – genauer gesagt: Ende Februar 1998 – provozierte die UCK mit immerneuen Morden an Serben eine nicht entschuldbare, blutige und außer Kontrolle geratenenVergeltungsaktion serbischer Sondereinheiten – nach jugoslawischen Angaben wurden 67Kosovo-Albaner, darunter Frauen und Kinder getötet – die schlagartig die Kosovo-Krise indie Schlagzeilen der Weltöffentlichkeit katapultierte.
Fast alle Nato-Staatenverfolgten im Sommer 1998 jedoch eine Politik, die der jetzigen in Mazedonien ähnlichwar: So setzten die USA auf eine Strategie des Dialogs zwischen gemäßigtenkosovo-albanischen Nationalisten und der serbischen Führung und unterstützen diskret derserbischen Versuch, die UCK mit militärischen Mitteln zu zerschlagen. „Jede Nation hatdas Recht, ihre Bundesstraßen zu kontrollieren“, erklärte lakonisch ein Regierungsbeamterder USA.
Dieser Ansatz des politischen Dialogs und der De-Eskalation blieb jedoch solange zum Scheitern verurteilt, wie die Waffen- und Rekrutenlieferungen an die UCK viaAlbanien anhielten und der Guerillakampf weiter eskalierte. Schon damals stand – wieheute im Fall Mazedonien – die Frage der Unterbindung der Waffenlieferungen an die UCK ander Spitze der Tagesordnung der internationalen Gemeinschaft. Der stellvertretendeUS-Außenminister unter Clinton, Strobe Talbott, forderte massivere Grenzkontrollen inAlbanien. Der UN-Sicherheitsrat beschloss ein umfassendes Waffenembargo, das insbesondereauf den Waffenschmuggel zugunsten der UCK gemünzt war. Der damalige albanischeMinisterpräsident und UCK-Gegner Fatos Nano bat die Nato „um Unterstützung bei derUnterbindung des Waffenschmuggels sowie bei der Bewachung der Sprengstofflager imNordosten des Landes“ Und im Mai 1998 zogen schließlich auch die Außenminister dersechzehn Nato-Staaten die Stationierung von Truppen im albanisch-jugoslawischenGrenzgebiet ernsthaft in Betracht: „Nach Schätzungen von Nato-Militärs wäre für dieSicherung der Grenze Albaniens zum Kosovo der Einsatz von 7.000 bis 20.000 Soldatenerforderlich.“
Angesichts dieser Entwicklung schlug die UCK Alarm und warnte dieNato, Truppen an der albanisch-serbischen Grenze zu stationieren, „weil wir dies als einezweite Offensive gegen unsere Freiheit … betrachten würden.“ Während dies die Nato nichtbeeindrucken konnte, trat nun aber der stärkste Verbündete der UCK aus seiner Deckunghervor: Gegen die militärische Unterbindung des Waffenschmuggels legte Deutschland seinVeto ein.
„Natürlich muss man sich überlegen, ob man von der moralisch-ethischenSeite her die Kosovo-Albaner vom Kauf von Waffen zur Selbstverteidigung abhalten darf“,erläuterte der damalige Außenminister Klaus Kinkel die deutsche Position. Gänzlichunverblümt ergriff Verteidigungsminister Volker Rühe Partei: „Das Problem Kosovo kannnicht gelöst werden, indem ich Truppen nach Albanien schicke, dort die Grenze zum Kosovodichtmache und so das Geschäft des Herrn Milosevic betreibe.“ Dies war die entscheidendeZäsur.
Die deutsche Parteinahme für die UCK war im Juni 1998 von derselbenprovokativen Qualität, wie die Parteinahme für den kroatischen Präsidenten Franjo Tujmanim Dezember 1991: In beiden Fällen war die Bundesregierung ungeachtet der Position deranderen Nato- und EU-Mitgliedsländer im Alleingang vorgeprescht. In beiden Fällen galtdie Schützenhilfe einer politischen Bewegung, deren Vorläufer mit der Politik desNationalsozialismus verbündet war.
Während es im Sommer 1998 den USA noch um dierichtige Methode der UCK-Zerschlagung ging, stand Deutschland als einflußreicheSchutzmacht der UCK auf der anderen Seite der Front. Damit stießen innerhalb der Natozwei sich widersprechende Zielvorstellungen aufeinander: Sollte die Nato ein Instrumentgegen oder ein Hilfsmittel für die UCK sein? Sollte sie es sich zur Aufgabe machen, dieterritoriale Ordnung auf dem Balkan aufrecht zu erhalten? Oder sollte sie sich mit denensolidarisieren, die Serbien verkleinern und die Grenzen dieser Region zu verändernsuchten? Zwischen dem 28. Mai und dem 11. Juni 1998 traf die Nato jene richtungsweisendeEntscheidung, die die gegenwärtigen Eskalationen im Kosovo, in Mazedonien und imsüdlichen Serbien notwendig nach sich zog. Der deutsche Verteidigungsminister setzte sichin der Nato-internen Auseinandersetzung durch und hatte, so die spätere „Laudatio“ derFAZ, „Deutschlands Bündnisfähigkeit und, dagegen ist nichts einzuwenden, seinenFührungswillen bewiesen.“
Erlauben Sie mir wenigstens einen Satz zur Rolle derUSA, deren Verantwortung für die mörderische Kriegsführung ich mit meiner Analyse inkeiner Weise verkleinern will.
Niemals war das Kosovo für Washington vonstrategischer Priorität, wohl aber die Nato und der amerikanische Einfluss in Europamithilfe der Nato. In mehrfacher Hinsicht aber war das Kosovo seit dem Sommer 1998 mitdem weiteren Schicksal der Nato verquickt. Zutreffend hat der stellvertretendeUS-Außenminister der Clinton-Administration, Strobe Talbott, in einer Rede über dieVeränderungen auf dem Balkan und in der Nato Deutschland „als (das) Epizentrum dieserProzesse – Erweiterung und Expansion, Ausdehnung und Vertiefung“ bezeichnet. Und auchHenry Kissinger hatte Recht, als er davon sprach, dass die USA „in den Kosovo-Konflikthineingeschliddert“ seien, „ohne alle damit verbundenen Implikationen adäquat zuberücksichtigen.“ Die deutsche Politik aber ist in diesen Krieg nicht hineingeschliddertund erst recht nicht von den USA hineingezogen worden sondern hat ihn maßgeblichangebahnt. Die frühere und jetzige Bundesregierung hat in dem seit langem bestehendenKonflikt zwischen Serben und Kosovo-Albanern vollständig einseitig Partei ergriffen unddiesen Konflikt aus machtpolitischem Interesse gezielt angeheizt. Diese Politik wirdheute in einer modifizierten Form fortgesetzt. Denn zwischen Fischers Speerspitze vorvier Wochen und der deutschen Speerspitze vor gut vier Jahren besteht ein Zusammenhang.Es ist zu befürchten, dass Berlin die sogenannte „albanische Frage“ so lange für offenerklärt, bis das erklärte UCK-Ziel: die Unabhängigkeit des Kosovo als Voraussetzung einesAnschlusses an Albanien erreicht ist. Bis heute trifft darüberhinaus leider zu, was dernorwegische Publizist Johan Galtung über eine Ursache der deutschen Anerkennungspolitikvon 1991 einst formulierte: „Ich sage, dass Deutschland hier ein Verbrechen begangenhat.“ Und doch sei nicht die Regierung das Hauptproblem. Weitaus bedrückender sei, „dassman das nicht diskutiert hat. Das Schlimmste hat eigentlich mit der Öffentlichkeit inDeutschland zu tun.“
aus: matthias küntzel, "welche schuld hat deutschland amjugoslawienkrieg", gehalten am 26.04.2001 in braunschweig. sosnt ist küntzel eher nichtso persönlich mein fall aber der vortrag war ganz gut.
kinkel brachte auf denpunkt was den deutschen in zwei blutigen anlaufen im zwanzigsten jahrhundert versagtblieb. "wir müssen serbien in die knie zwingen"