taothustra1 schrieb: Wie kann eine so kleine und kaum bewohnte Insel, so umfangreiche Sagen hervorbringen die andere umliegende Völker als ihre eigene erkennen (wiedererkennen) bzw erahnen und übernehmen ?
Die Besiedelung Islands durch die Wikinger beginnt um 800 herum von Skandinavien aus. Vorher war die Insel menschenleer, von ein paar irischen Mönchen mal abgesehen. Die dem Nibelungenlied zu Grunde liegenden Erzählungen sind von den Wikingern mit nach Island gebracht worden und dort in die auf der Insel niedergeschriebenen Gesänge der Skalden (u.a. Edda, Völsungensaga usw.) eingeflossen. Sicherlich wurden dabei auch Passagen neu hinzugefügt. Die eigentlichen Sagen, aus denen das Nibelungenlied in seiner heutigen Form entstand, (z.B. das Sigurdlied) stammen jedoch nicht von dort. Sie wurden in Island allerdings wohl zum ersten mal schriftlich festgehalten.
Bei allen Raub- und Entdeckungsfahrten, die sie unternahmen, besaßen die Wikinger auch einen großen Sinn fürs Erzählen von Heldengeschichten. Das diente neben der Unterhaltung auch der Informationssammlung, da ihre Siedlungsgebiete durch Meere oder oft nur schwer passierbare Wälder voneinander getrennt waren und der Kontakt untereinander dadurch über Monate/Jahre abreißen konnte. Mit dem Schreiben hatten sie es aber nicht so, sie waren eben in erster Linie Seefahrer, Krieger und Bauern.
Zwischen 772 und 804 führt Kaiser Karl der Große mit seinen Franken die "Sachsenkriege" um das letzte "heidnische" Volk in seinem Machtbereich zu christianisieren. Viele Sachsen flüchten darauf hin nach Norden, zu den Dänen und von da aus auch weiter nach Norwegen. Es wird vermutet, dass diese "Wanderbewegungen" zumindest einer der Auslöser für die 793 beginnenden Raubzüge und Landnahmeaktionen der Wikinger waren, die u.a. damit versuchten, dem einsetzenden Bevölkerungszustrom Herr zu werden. Da die Sachsen auch Nachfahren der Cherusker sind, besteht durchaus die Möglichkeit, dass sie die Siegfriedgeschichte in Erinnerung an den germanischen "Befreier vom römischen Joch" Arminius mit nach Skandinavien gebracht haben. Ebenfalls können so die Erzählungen vom Nibelungenschatz und vom Ende der Burgunder nach Norwegen gelangt sein. Die Phantasie der Skalden besorgte dann den Rest.
taothustra1 schrieb: Die originalen nordischen Sagen können kaum mit irgendwelchen historisch erfassten Abläufe in Zusammenhang gebracht werden.
Wer aber glaubt, daß es nur historisch erfaßte Ereignisse, Kulturen und Völker gab.....der irrt.
Ich denke, dass jede Sage durch bestimmte historische Ereignisse zumindest inspiriert wurde. Diese wurden dann mit phantasievollen Details ausgeschmückt und in eine erzählbare, d.h. unterhaltsame und spannende Geschichte verpackt und so von Lagerfeuer zu Lagerfeuer durch die Skalden bei Met, Weib und Gesang weiterverbreitet, sozusagen als Ersatz für Zeitungen, Film und Fernsehen der heutigen Zeit. Ich hoffe, ich irre mich nicht
;).
Gruß Greenkeeper