Doch obwohl die Provisorische Regierung schwach war, das Volk unzufrieden und voller Zornüber das Blutbad, das der Erste Weltkrieg angerichtet hatte, rechneten nur wenige damit,dass die Macht den Bolschewiken in die Hände fallen würde, einer von mehrerenradikal-sozialistischen Parteien, die für rasche Veränderungen agitierten. Im Auslandhatte kaum jemand von ihnen gehört. Noch rätselhafter war ihr Anführer Wladimir IljitschUljanow, den die Welt bald unter seinem Parteinamen »Lenin« kennen lernen sollte. Inlangen Jahren des Exils hatte er sich wegen seiner Brillanz ebenso Anerkennung erworben,wie wegen seines aufbrausenden Temperaments und seines Fraktionsgeistes unbeliebtgemacht.
In den Monaten nach der Februarrevolution war Lenin selbst in der eigenenPartei weit davon entfernt, unumschränkte Autorität zu genießen. Noch Mitte Oktober 1917hielten mehrere führende Bolschewiken nichts von seinem Plan, einen Umsturz gegen dieProvisorische Regierung herbeizuführen, da die Partei auf die Machtergreifung noch nichtvorbereitet sei und nicht genügend Unterstützung im Volk genieße. Aber Lenin setzte sichdurch. Von ihm angestachelt, besetzte eine Menschenmenge am 25. Oktober 1917 dasWinterpalais. Die Bolschewiken nahmen die Minister der Provisorischen Regierung fest.Stunden später stand Lenin an der Spitze eines Staates, den er Sowjetrussland nannte.
Zwar war der Griff nach der Macht gelungen, aber Lenins Kritiker in den Reihen derBolschewiken hatten nicht ganz Unrecht. Sie kamen in der Tat völlig unvorbereitet zurMacht. Ihr Rückhalt in der Bevölkerung war gering, und so stürzten sie sich fastaugenblicklich in einen blutigen Bürgerkrieg, um an der Macht zu bleiben.
Quelle:
http://www.buechervielfrass.de/archiv.php4?was=764 (Archiv-Version vom 04.06.2007)