Das Kirchensteuerwesen fungiert wie eine Bank, ist völlig undurchsichtig und autoritär, ausserdem werden die Arbeiter in den Kircheneinrichtungen wesentlich stärker ausgebeutet, hier ein erschreckendes Beispiel:
Plötzlich evangelisch
Das Essener Krupp-Krankenhaus verkündete zum Jahresanfang den Wechel zum Diakonischen Werk, erklärte den Betriebsrat für aufgelöst und will schlechtere Kirchentarife anwenden.
Daniel Behruzi
Die Dreistigkeit, mit der »Arbeitgeber« - private wie auch öffentliche - die demokratischen Rechte ihrer Beschäftigten mit Füßen treten, kennt offenbar keine Grenzen. Ein aktueller, besonders spektakulärer Fall betrifft das Essener Krupp-Krankenhaus, dessen Geschäftsleitung der erstaunten Belegschaft kürzlich den Übertritt vom Paritätischen Wohlfahrtsverband zum Diakonischen Werk Rheinland bekanntgab. Die Folge: Statt des Betriebsverfassungsgesetzes gelte nun Kirchenrecht, der Betriebsrat sei mit sofortiger Wirkung aufgelöst und auf Neueingestellte werde der für die Beschäftigten schlechtere, kirchliche Tarifvertrag angewendet.
»Ich war wie vor den Kopf gestoßen«, berichtete der Vorsitzende des aufgelösten Betriebsrats, Manfred Altenschmidt, gegenüber junge Welt am Sonntag. Noch am 28. Dezember hatten sich die Beschäftigtenvertreter zum monatlichen Gespräch mit Geschäftsführer Rudolf Hartwig getroffen, ohne daß dieser ein Wort über den Verbandswechsel verloren habe. Eine Woche später habe der Manager der Belegschaft erklärt, das Krankenhaus sei von nun an evangelisch. Die freigestellten Betriebsräte wurden angewiesen, an ihre alten Arbeitsplätze zurückzukehren. Als Altenschmidt und der ebenfalls freigestellte Tobias Michel dem nicht nachkamen, folgte die Abmahnung. Am vergangenen Freitag wurden die Schlösser des Betriebsratsbüros ausgetauscht. Die Akten der Beschäftigtenvertretung mit zum Teil vertraulichen Informationen habe man aber zuvor in Sicherheit bringen können, so Altenschmidt.
Für Altenschmidt und seine Betriebsratskollegen ist klar, daß sie sich weiterhin als gewählte Betriebsräte verstehen, obwohl die Geschäftsführung schon Wahlen zu einer, dem Kirchenrecht entsprechenden, Mitarbeitervertretung (MAV) eingeleitet hat. Eine Klage gegen das Vorgehen der Manager ist bereits eingereicht. »Es hat ja überhaupt keinen Eigentümerwechsel gegeben. Wenn Arbeitgeber so einfach einen Betriebsrat loswerden können, dann ist ähnlichem überall Tür und Tor geöffnet«, kritisierte Altenschmidt. Es habe zuvor keinerlei Bezug des in Besitz der Stiftung Alfried Krupp von Bohlen und Halbach befindlichen Klinikums zur Kirche gegeben. Die im Kirchenrecht vorgesehene Mitarbeitervertretung nennt Altenschmidt einen »zahnlosen Tiger«. Konflikte zwischen MAV und Geschäftsleitung werden nämlich nicht vor dem Arbeitsgericht, sondern vor der Kirchengerichtsbarkeit ausgetragen. Die Beschäftigtenvertretung hat keine Möglichkeit, bei Gesetzesverstößen vor ein weltliches Gericht zu ziehen. »Der Betriebsrat hat immer sehr darauf gedrängt, daß die Rechte der Arbeitnehmer bei uns ernst genommen werden«, erklärte Altenschmidt. So habe man verhindern können, daß Ärzte - anders als in anderen Kliniken - länger als zehn Stunden am Stück arbeiten müssen. Das dürfte wohl auch eine Erklärung für die plötzliche »Evangelisation« gewesen sein. Eine andere sind die Tarifverträge. Zehn bis 15 Prozent lägen die kirchlichen Tarife unter denen des öffentlichen Dienstes, so Altenschmidt. Angeblich gelte auch das Streikrecht nicht mehr. »Das ist doch grundgesetzwidrig«, meinte der Betriebsratschef.
Die 1 250 Beschäftigten könnten noch auf andere Art von dem Verbandswechsel ihres »Arbeitgebers« betroffen sein. »Wenn jemand aus der Kirche austritt, würde dies umgehend einen Grund zur Kündigung darstellen«, hatte der Direktor des Diakonischen Werks, Moritz Linzbach, der versammelten Belegschaft in der vergangenen Woche erklärt. Kirchenmitglieder müssen auch alle Angehörigen einer künftigen Mitarbeitervertretung sein. Die bisherigen Betriebsräte, die auch für die neue MAV kandidieren, »damit es keine Lücke beim Schutz der Interessen der Beschäftigten gibt«, sind bereits allesamt der Kirche beigetreten.
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