Jesus spüren!
23.12.2005 um 13:25
@ Jafrael & Interessierte
Zitat Jafrael: Nun ja - ich tue das auch und somit stehen wir wieder vor der alten Frage: Ist Glaube ohne Wissen sinnvoll?
Das lässt sich auch leicht umkehren: Ist aus Glauben heraus geborenes Wissen Unsinn?
Dass gerade in der von Dir geschätzten historisch-kritischen Theologie vieles aus anscheinend falsch verstandener Emperie zum Vorschein kommt - und welche Gepflogenheiten der vermeintlich wissenschaftlichen Erkenntnis und daraus folgender Lehrmeinung "dienlich" sind -, mag folgender Text der Theologin Eta Linnemann veranschaulichen:
2. Nirgendwo wird so viel »geglaubt« wie im wissenschaftlichen Studium, zumindest im Studium der Theologie.
a) Den einzelnen Hypothesen liegen zwar Argumente zugrunde, aber der durchschnittliche, ja selbst der sorgfältigere Student nimmt 80-90% der Hypothesen auf, ohne in der Lage zu sein, die Argumente abzuschätzen und zu wägen und etwa 40-50%, vielleicht sogar mehr, ohne die Argumente auch nur zu kennen. Denn die Argumente werden in den Lehrveranstaltungen im Allgemeinen nur soweit in den Blick gebracht, wie Thesen vertreten werden, die relativ neu und noch nicht allgemein anerkannt sind oder soweit die Ausführungen des Lehrenden auf Widerspruch stoßen. Ein sorgfältiges Einarbeiten in die Lehre kommt im Einzelfall zwar vor, ist aber nicht die Regel und kann es auch nicht sein. Denn das Gebäude der Wissenschaft besteht aus einer Vielzahl von Hypothesen, von denen jede einzelne zu ihrer Unterstützung zahlreicher Argumente bedarf.
b) Eine Reihe von Grundannahmen, die den Charakter eines Consensus Communis haben, d.h. betreffs deren eine allgemeine Übereinstimmung unter den Forschern besteht, bilden einen Raster, ohne den es überhaupt nicht möglich ist, in Vorlesungen und Seminaren Informationen aufzunehmen oder zu verarbeiten.
Diese Grundannahmen werden zwar nicht in der Theorie, wohl aber im praktischen Umgang Tatsachen gleichgesetzt, d.h. man geht mit ihnen um, als ob es Tatsachen wären. Wer
sie solchermaßen in sein Denken einbezieht, wird durch sie geprägt und verändert.
Das Risiko des Theologiestudiums ist deshalb sehr groß, denn diese Veränderungen geschehen zwangsläufig und unbemerkt. Man atmet eine Atmosphäre ein, die tödlich ist wie Kohlenmonoxid und von demjenigen, der sich darin aufhält, ebensowenig wie dieses wahrgenommen wird, wenn nicht Gottes Gnade in besonderer Weise helfend eingreift.
c) Objektivität wissenschaftlicher Arbeit ist weithin Schein. In der Praxis spielen außerwissenschaftliche Elemente eine erhebliche Rolle: z.B. Gruppenbildung, personale Vertretung, der »Name« des Wissenschaftlers (der in verschiedenen theologischen Lagern unterschiedliche Bedeutung haben kann), Schlüsselstellungen als Inhaber eines Lehrstuhles oder Leiter eines Institutes, vor allem aber Herausgeber von Zeitschriften oder Fachberater von Verlagen für die Publikation von Reihen.
d) Scheinbar ist der Student in der Lage, sich ein objektives Urteil zu bilden. In Wirklichkeit ist seine Informationsaufnahme vorgefiltert. Dieser Filter wird gebildet
– durch seine Lehrer. Die »Wahl« des Hochschulortes, oft nach völlig anderen Kriterien als der an der Hochschule vorherrschenden Richtung getroffen, kann für die theologische Prägung des Studenten entscheidend sein.
– Gleichermaßen wird der Filter gebildet durch die Begrenzung seiner Möglichkeiten zum Buchstudium in der begrenzten Studienzeit. Der Student kann nur eine Auswahl verarbeiten und hält sich deshalb zunächst an das, was ihm empfohlen wird in den besuchten Lehrveranstaltungen. Aber auch da, wo er unabhängig wählt, bekommt er nur einen Ausschnitt in den Blick. Die Literatur, welche ihm in den Seminarbüchereien und der Universitätsbibliothek zur Verfügung steht, ist vorgefiltert. Christliche Literatur von bibeltreuen Verfassern ist weithin tabu. Die Erzeugnisse mancher Verlage gelten von vornherein als indiskutabel und können im Literaturverzeichnis einer wissenschaftlichen Arbeit nicht
angeführt werden, wenn man sich keine Minuspunkte einhandeln will. Der Professor kennt sie auch nicht und man setzt ihn unter Druck, wenn man sie in seiner Arbeit anführt. Er müsste sie erst einmal anschaffen, sie lesen und sich damit auseinandersetzen. Da er aber ohnehin unter Zeitdruck steht und von vornherein von der Fragwürdigkeit dieser Druckerzeugnisse überzeugt ist, wird er sie in der Regel abweisen.
– Heutzutage bietet man den Studenten im Seminar sogar die Möglichkeit an, »sich an der Forschung zu beteiligen«. Genau gesehen handelt es sich dabei aber entweder um die Übernahme von zeitaufwendigen Routineaufgaben, die der Professor in einem von ihm zuvorbedachten Arbeitsvorhaben erledigt haben möchte oder aber um eine Arbeit mit vorgefertigten Materialien. Sie verläuft dann ähnlich, wie Kinder mit Lego-Spezialkästen ein bestimmtes Haus oder Fahrzeug zusammenbauen. Natürlich sind Abweichungen möglich, aber sie erweisen sich gegenüber dem vorgeplanten Modell als nicht optimal, was der Professor oder selbst der ältere Student mit Leichtigkeit demonstrieren kann. Durch das Material wird das erwartete Ergebnis sichergestellt; doch scheinbar hat sich der Student »selbst überzeugt«. Auf diese Weise werden Rebellen ins System eingebunden. Die Ehre, als »Forscher« ernstgenommen zu werden, tut das ihrige hinzu.
3. Der Studienverlauf hat den Charakter einer sekundären Sozialisation. Der Student erfährt eine starke Prägung. Er kommt als homo novus in das Studium hinein, als einer, der nichts weiß und nichts kann und die Gepflogenheiten und Spielregeln nicht kennt. Um akzeptiert zu werden, muss er sich diese Regeln und Gepflogenheiten zu eigen machen und dasjenige Können und Wissen erwerben, das in seinem Studium zählt.
a) Der Student steht unter dem Druck eines gewaltigen Informationsgefälles, das nicht durch pädagogische Staustufen abgemildert ist. Der Professor breitet in Vorlesungen und Seminaren die Ergebnisse seiner Lebensarbeit aus, die auf der Arbeit von Forschergenerationen vor ihm beruht, während die Studenten noch Mühe haben, die Methoden zu erfassen, nach denen diese Ergebnisse erarbeitet wurden.
Angesichts dieses Informationsdruckes ist es schwer, an mitgebrachten Einsichten aus Gottes Wort festzuhalten, wenn diese als »unwissenschaftlich« disqualifiziert werden. Von seiten der Lehrenden begegnet dem gläubigen Studenten vielfach Widerstand in folgenden Spielarten:
Herablassung: »Sie werden es schon noch lernen!«
Versuchung: »Stellen Sie sich doch wenigstens theoretisch auf diesen Standpunkt.«
Verführung: »Ist denn Ihr Glaube so schwach und trauen Sie Gott so wenig zu, dass Sie sich auf diese Gedanken nicht einlassen wollen?«
So wird er dazu gebracht, sich Gedanken zu eigen zu machen, die dem, was er im Worte Gottes gelernt hat, widerstreiten.
b) Der Studierende steht zugleich unter einem starken Gruppendruck. Die Kommilitonen, besonders diejenigen aus den höheren Semestern oder solche, die sich durch besondere Begabung auszeichnen, sind »Miterzieher«, die entscheidenden Mit-träger dieser Sozialisation. Ein gläubiger Student, der auf Grund seiner anderen Einstellung zu Gottes Wort nicht bereit ist, bestimmte Methoden oder Ergebnisse der historisch-kritischen Theologie zu akzeptieren, wird meistens diskriminiert. Er wird belächelt, verspottet und – bei allem heimlichen Respekt – als Außenseiter behandelt. Wenn er seine Ansichten geschickt zu vertreten weiß, kann er vielleicht hier und da auch einen Achtungserfolg erringen. Mit einer Anerkennung seiner Ansichten als gleichberechtigt darf er höchstens in Einzelheiten rechnen, mit denen er sich nicht zu weit vom Traditionszusammenhang der in Frage stehenden wissenschaftlichen Disziplin entfernt.
c) In dem Maße, wie der Student zunehmend in die historisch-kritischen Gedankengänge eingeweiht wird, wird er den Menschen entfremdet, mit denen er zuvor im Glauben verbunden war. Sie können jetzt »nicht mehr mitreden« und es wird ihm schwer, auf sie zu hören. Er versteht sie nicht mehr und wird von ihnen nicht mehr verstanden. Er wird isoliert und steht in der Gefahr, sich zu überheben. Um so anfälliger wird er für den Gruppendruck durch die Lehrenden und durch die Mitstudenten.
d) Der Student hat Arbeiten vorzulegen, in denen er nachweisen muss, dass er sich die Arbeitsweise der historisch-kritischen Theologie hinreichend zu eigen gemacht hat. Er steht unter dem Zwang, selber historisch-kritisch zu denken, zu reden und zu schreiben. Ohne besondere Gnade Gottes führt das zu einer schwerwiegenden Veränderung in seinem Denken und in seinem Glauben. Er ist nicht mehr derselbe. Sein Umgang mit Gottes Wort wird grundlegend verändert, auch dann, wenn er es zu seiner eigenen Erbauung lesen will. Das im Studium Gelernte schiebt sich vor das Wort und verstellt ihm den Zugang.
Quelle: "Original oder Fälschung - Historisch-kritische Theologie im Licht der Bibel"
Dr. Eta Linnemann, Professorin i.R.
Was auch immer wir wissen können oder dürfen - es wurde bereits zuvor gewusst.