Größter Firmengewinn aller Zeiten
24.03.2006 um 14:18
Der Abriss der BRD beginnt
Viele Deutsche dumpfbacken und ahnungs-, gespürlos . . . ..
Auf frühe Warnungen nicht gehört – weder auf die sanften noch auf die harten,schroffen.
Die Korruption (Spekulanten, Lobbyisten, Okkupisten) frisst Kinder, Hausund Wohnung auf.
Korruptionsermittler wurden überhört, schikaniert,drangsaliert, denunziert, existenzvernichtet. Sie hatten Banken, Konzerne, Behörden,Medien, Forenbetreiber wie Focus auf ihrer Seite. Selbst in intelligenten Foren treibensie ihr Unwesen . . .
Selbst >Höherentwickelte< fallen auf sie rein . . . .
Nun kommt der Zusammensturz . . . SPIEGEL ONLINE berichtet heute weiter in einerSerie . . .
14. März 2006
DEUTSCHE PROVINZ
Verlassenes Land,verlorenes Land
Von Jochen Bölsche
Wissenschaftler sprechen von einersozialen Zeitbombe. Durch Geburtenschwund, Arbeitslosigkeit und Massenabwanderung drohtsich der ländliche Raum in einen "Ozean von Armut und Demenz" zu verwandeln - eineEntwicklung, die ein Kartell der Parteien tabuisiert.
So der SPIEGEL.
Aber Medien taten das auch.
Im Osten muss es streckenweisefürchterlich aussehen: verlassene Dörfer, teilweise auch schön Städte.
Aberauch im Westen tun sich Löcher auf:
> . . . . Ähnlich verstört wie Büscherreagieren Reisende, die sich in der westdeutschen Provinz umtun, weit abseits derRennstrecken und der Ballungszentren. Wenn der baden-württembergische Autor RüdigerBäßler in die dörfliche Welt zurückkehrt, deren Enge er einst als junger Mann entflohenist, dann befällt ihn "Mitleid an Stelle von Überdruss" angesichts all der "verwitterndenBahnhofsgebäude, pflanzenbewucherten Gehwege, zerfallenden Spielplatzgeräte, leeren,staubblinden Schaufenster" - für ihn traurige Symptome einer rapide fortschreitenden"Provinzialisierung der Provinz". . . . <
SPIEGEL ONLINE: Mehr undmehr Merkmale schleichenden Verfalls hat auch die frühere Agrarministerin Renate Künastbei ihren Dienstfahrten ins ländliche Deutschland, Ost wie West, bemerkt. "Sie könnendurch Dörfer gehen, in denen gibt es eigentlich nichts mehr", erzählt sie. "Wo einMastbetrieb war, fällt heute der Stall zusammen. Die Dorfkneipe liegt imDornröschenschlaf. Die Jungen haben die Gegend verlassen."
Die Grüne Künastzählt innerhalb der politischen Klasse zu den Ausnahmeerscheinungen. Die meisten ihrerKollegen in den Hauptstädten von Bund und Ländern verdrängen lieber, dass dergrassierende Geburtenschwund und die Arbeitslosigkeit, die Vergreisung und dieAbwanderung vielerorts ein verlorenes Land hinterlassen haben, keineswegs nur auf demGebiet der einstigen DDR - Dunkeldeutschland goes West.
. . . . . InOst- wie Westdeutschland schrumpft auf Grund der niedrigen Geburtenrate die Bevölkerung -kaum spürbar vorerst noch in einigen Ballungsgebieten, rasend schnell aber in jenenprovinziellen Zonen, die nicht von Zuzug und Zuwanderung profitieren können, sondern, imGegenteil, selbst unter massenhafter Landflucht in wirtschaftlich stärkere Regionenleiden, vor allem in den reichen Süden der Republik.
. . . . "Seit Jahrzehntenwerden in Deutschland weniger Menschen geboren als sterben. Mittlerweile können selbstZuwanderungen den natürlichen Schwund nicht mehr aufhalten - das Land hat begonnen zuschrumpfen. Regional tun sich bereits jetzt enorme Verwerfungen auf", kommentiert dasBerlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung das Ergebnis seiner jüngsten Studie, diemorgen veröffentlicht wird. Stadt für Stadt, Kreis für Kreis analysieren die Experten diePerspektiven - von Berlin ("Marode Hauptstadt, florierendes Umland, sieche Peripherie"über Sachsen-Anhalt ("Land der Leere") bis hin zum Saarland ("Wo der Westen heute schonschrumpft").
"Dass die Deutschen erst keine Kinder zeugen und dann nicht sterbenwollen", wie der Historiker Michael Stürmer die tückische Kombination von sinkenderGeburtenzahl und steigender Lebenserwartung beschreibt, macht schon heute ganzeLandstriche zu Verliererregionen mit schrumpfender und zugleich überalterter Bevölkerung.
Der "demografische Wandel" finde "überall in Deutschland" statt, doziert derBerliner Wirtschaftswissenschaftler Ulrich Busch, im Osten allerdings habe er sichbereits zur "demografischen Katastrophe" ausgewachsen. Busch: "Großstädte wie Halle,Magdeburg, Frankfurt (Oder), Cottbus, Neubrandenburg, Gera und Dessau verlieren innerhalbweniger Jahrzehnte bis zur Hälfte ihrer Einwohner." Der Ökonom weiß, dass es fürAußenstehende "kaum vorstellbar" ist, "was es für eine Stadt mit früher mehr als 300.000Einwohnern wie Halle oder Magdeburg bedeutet, innerhalb von zwei Generationen auf 150.000herunterzugehen".
Während die großen Städte schrumpfen, sterben bereits dieDörfer. "Ganze Regionen wie Nordthüringen, Ostprignitz, Altmark, Uckermark, Vorpommernund die Lausitz sind der Verödung preisgegeben," konstatiert Busch. In Vorpommernbeispielsweise, das mit knapp 500.000 Einwohnern nur noch 65 Prozent der Bevölkerung von1970 hat, würden Wüstungen, also aufgegebene Siedlungsstätten, allmählich zum"Flächenphänomen", hat der Greifswalder Bevölkerungswissenschaftler Helmut Klüterbeobachtet.
Einwanderer ziehen nicht in die schrumpfenden Zonen
Dortund anderswo, abseits der prosperierenden Städte und ihres Umlandes, vollziehen sichsogenannte "kumulative Schrumpfungsprozesse", rotieren tückische Teufelskreise.Wirtschaftsprobleme - Abwanderung - vermehrte Wirtschaftsprobleme - vermehrte Abwanderungund so weiter und so fort: Eine Abwärtsspirale ohne Ende führt nach dem Urteil derExperten dazu, dass sich Deutschland in Ost und West ähnlich tiefgreifend verändern wirdwie zuletzt im Mittelalter.
ZUR PERSONJochen Bölsche,60, ist seit 1965 SPIEGEL-Redakteur sowie Autor und Herausgeber vieler Bücher, darunter "Der Weg in denÜberwachungsstaat", "Waterkantgate" und "Rudolf Augstein - Schreiben, was ist". Seinbesonderes Interesse gilt zeitgeschichtlichen und sozialen Themen. Für SPIEGEL ONLINEschrieb er zuletzt eine mehrteilige Serie über elektronische Fußfesseln.
DieEntwicklung, von manch einem gerade erst bemerkt, scheint kaum noch abwendbar. Denn mitnur noch 1,36 Kindern pro Frau hat Deutschland mittlerweile eine der niedrigstenGeburtenraten in der EU. Damit die Bevölkerung stabil bleibt, müsste der Schnitt jedochbei 2,1 Kindern liegen. So aber wird jede neue Kindergeneration um ein Drittel kleinersein als die ihrer Eltern - ein säkularer Trend, der weit hinein in die Zukunft wirkt,weil all die Ungeborenen von heute und morgen als Eltern von morgen und übermorgenausfallen.
Auch ein noch so starker Zuzug von Einwanderern allein könnte,entgegen weitverbreitetem Irrglauben, die "Unterjüngung" und "Entdichtung" in denVerliererzonen nicht aufhalten. "Die Problematik liegt darin", sagt der LandesplanerHorst Zimmermann, "dass die Zuwanderer nicht in dieselben Orte wandern werden, diederzeit unter Bevölkerungsrückgang leiden". Denn Immigranten ziehen in aller Regel derArbeit hinterher und eben nicht der Arbeitslosigkeit - und schon gar nicht in raueRegionen, die wegen ihrer Fremdenfeindlichkeit verrufen sind.
Zigarettenautomatals letztes Stück Infrastruktur
Vor allem Politiker waren es, die lange Zeit dieAugen verschlossen haben vor jener bedrückenden Zukunft, die auch im Westen bereitsbegonnen hat. Es gibt sie ja schon überall: die verödeten Orte, aus denen die klugenKöpfe abgewandert sind; die Provinznester ohne Post und ohne Polizei, ohne Pfarrer undohne Arzt, ohne Kneipe und ohne Laden - Dörfer, deren wirtschaftliche Infrastruktur oftgerade mal aus einem Zigarettenautomaten besteht, allenfalls noch aus einem Bushäuschenoder einer Tankstelle, und wo Koma-Saufen der beliebteste Zeitvertreib für Skinheads undandere Halbwüchsige ist.
Jahrelang, urteilt die hannoversche Akademie fürRaumforschung und Landesplanung, seien Ausmaß und Auswirkungen der Entvölkerung "einpolitisches Tabu" gewesen. Wer in einer mental auf Wachstum gepolten Gesellschaft dasSchrumpfen thematisiere, könne beim Wähler eben "keinen Blumentopf gewinnen", glaubt derBerliner Regionalsoziologe Professor Hartmut Häußermann: "Das Schrumpfen zu planen istkeine attraktive Aufgabe, ist nicht sexy."
Dabei werde sich diese Thematik, soJames Vaupel, Direktor des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung, ohne Zweifelzur zentralen Frage der kommenden Jahrzehnte entwickeln. Jeder im Raum, beschwor derProfessor im Berliner Reichstag staunende Abgeordnete, werde "den Rest seiner politischenKarriere damit verbringen, die Folgen des demografischen Wandels zu bewältigen".
Dass die "demografische Bombe", vor der jüngst auch dieBertelsmann-Stiftung warnte, in vielen Regionen ein soziales Niemandsland hinterlassenwird, dass ganzen Stadtvierteln die Abrissbirne droht - solche Einsichten haben immerhinin einem Teil des Landes viele Menschen schon erreicht: im Osten Deutschlands, wo derzeit1,3 Millionen Wohnungen (mit Platz für mindestens vier Millionen Bewohner) leerstehen undwo viele überzählige Plattenbauten längst plattgemacht worden sind.
Während dasProblembewusstsein in der ostdeutschen Bevölkerung mittlerweile "relativ gut ausgeprägt"sei, hat Philipp Oswalt, der im Auftrag der Kulturstiftung des Bundes das Zukunftsthema"Schrumpfende Städte" bearbeitet hat, in den alten Ländern ganz andere Reaktionenbeobachtet: "Der Großteil der Westdeutschen realisiert bestimmte Problemlagen nicht."Schon warnt auch SPD-Spitzenmann Matthias Platzeck ignorante West-Genossen: "Was heuteschon im Osten geschieht, steht auch im Westen mit voller Wucht bevor."
Dassdie Gefahr in den alten Ländern noch nicht ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist, hateinen schlichten Grund. Die westdeutsche Geburtenrate kann zwar schon seit Anfang derSiebziger die Sterbefälle nicht mehr ausgleichen. Doch die zeitweise extrem starkeZuwanderung zumeist jüngerer Menschen aus Ostdeutschland und aus dem Ausland hat dieFolgen der Gebär- und Zeugungsmüdigkeit im Westen zunächst nicht voll durchschlagenlassen und den Schrumpfungs- und Vergreisungsprozess vorübergehend gebremst.
Goldene Atolle in einem Ozean von Armut und Demenz
Der Anti-Aging-Effektder Zuwanderung hat mittlerweile deutlich nachgelassen. Die BevölkerungsforscherinJuliane Roloff wundert das nicht: "Eine ausländische Bevölkerung in einem Land/einerRegion trägt langfristig nicht zur Verjüngung der Gesamtbevölkerung bei, da auch sie,simpel ausgedrückt, altert." Zudem nähere sich ihr Gebärverhalten im Laufe der Zeit demim Zuzugsland.
Widerstehen konnten dem Negativtrend vorerst viele derwuchernden Speckgürtel am grünen Rand der großen Städte, wo sich viele junge Familien -einem sich bereits abzeichnenden Gegentrend zum Trotz - oft lieber niederlassen als inden lauten Zentren, die großenteils ebenfalls schrumpfen. Zu den Wanderungsgewinnlernzählen daher vor allem Landkreise um Städte wie München und Stuttgart, aber auch rings umHamburg, Hannover, Düsseldorf oder Frankfurt am Main sowie vereinzelt Gegenden im Osten,in der Nachbarschaft von Berlin, Leipzig und Dresden.
Zwischen diesen goldenenAtollen des Wachstums zeigt sich den Sozialforschern beim Blick in die Zukunft ein "Ozeanvon Armut und Demenz", wie die "Süddeutsche Zeitung" drastisch formuliert - eine weiteZone ohne Hoffnung, deren Bewohner sich von den Politikern in den Metropolen zunehmendvergessen fühlen, wenn nicht verraten.