Ich finde man sollte die Streitfrage um die Armenier zunächst mal unberücksichtigt lassen und erstmal ganz sachlich und neutral die Frage klären, was genau das neue französische Gesetz eigentlich beinhaltet. Zwar wird das Gesetz vereinfachend "Armeniergesetz" genannt, aber die Aussagen darin sind ganz allgemein gehalten:
Im Dezember 2011 verabschiedete die französische Nationalversammlung erneut ein Gesetz mit dem Inhalt, dass „die öffentliche Preisung, Leugnung oder grobe Banalisierung von Genoziden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen“ mit Haft- oder Geldstrafen geahndet werden kann.
Wikipedia: Armenier-Gesetz (Frankreich)#Neuer Gesetzentwurf im Dezember 2011Oder wird darin explizit der Genozid an den Armeniern erwähnt? Vermutlich nicht.
Auch werden die französischen Staatsanwälte erst nach einer Strafanzeige aktiv ermitteln (wie z.B. bei einer Beleidigung) oder irre ich mich da? Soweit ich weiss, ist das auch in Deutschland bei Holocaustleugnung so. Vielleicht gibt es hier ja ein paar Juristen, die sich mit sowas auskennen.
Meine nächste Frage mag vielleicht recht seltsam klingen, ist aber durchaus ernst gemeint:
Könnte ein Franzose nun auch Anzeige gegen einen in Frankreich lebenden Mongolen erstatten, der die grausamen Taten Dschinghis Khans lobpreist und dessen zahlreichen Genozide abstreitet, vielleicht mit der Begründung, dass dessen Taten im Rahmen von Kriegshandlungen geschahen?
Zur Definition von Genozid:
Gekennzeichnet ist er durch die spezielle Absicht, „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören“.
Wikipedia: GenozidDas würde also durchaus auf die Taten Dschinghis Khans zutreffen. *
Oder muss bereits zur Zeit der Verbrechen eine völkerrechtliche Grundlage bzw. überhaupt soetwas wie ein Völkerrecht existiert haben, was im 13. Jahrhundert nur ganz rudimentär der Fall gewesen sein dürfte?
(Kleine Bemerkung am Rande:
Ich meine damit weltliches (Völker-)Recht. Mir ist nämlich durchaus bewusst, dass es bereits damals schon strikte Regelungen gab, z.B. ein Kampfverbot an Feiertagen, ein zeitweiliges Verbot von Armbrüsten und dergleichen. Diese wurden aber von der katholischen Kirche vorgegeben und waren deren damaligen Einfluss geschuldet. Sie entstanden aber nicht aus einem politischen, als allgemeingültig und dauerhaft anerkannten Konsens einer bestimmten Gruppe von Staaten heraus. "Weltliches Völkerrecht" gab es höchstens in Form von multilateralen Verträgen und hatte nie den universellen Charakter, dem wir ihm heute beimessen, was natürlich auch im Mangel an einer überstaatlichen Institution begründet ist, welche für die Einhaltung der Bestimmungen hätte sorgen können.)Das kann aber irgendwie auch nicht sein, schließlich wurde der Straftatbestand des Genozids erst 1948 in das Völkerrecht aufgenommen, d.h. dass der Völkermord an den Armeniern nach allgemein üblicher Rechtsauffassung rückwirkend nicht bestraft werden kann, da er bereits 1914-1917 stattfand, dem Grundsatz folgend: Nulla poena sine lege.
Wenn also die Leugnung des Genozids an den Armeniern, für dessen Ahndung zur Zeit der Verbrechen anscheinend keinerlei völkerrechtliche Handhabe bestand, nun in Frankreich strafbar ist, nicht aber der Völkermord selber, dann müsste doch auch die Leugnung der Verbrechen der Mongolen im 13. Jahrhundert strafbar sein.
Ich stelle diese Fragen wirklich nur aus reinem Interesse heraus und ganz ohne Hintergedanken.
Wäre es also möglich jemanden in Frankreich, wegen der "Preisung, Leugnung oder groben Banalisierung" der Verbrechen längst vergangener Völker anzuzeigen oder bin ich da als kompletter juristischer Laie einem ganz groben Fehlschluss aufgesessen?
*Die Mongolen unter Dschinghis Khan waren nur ein völlig willkürliches Beispiel. Ebenso würden die Christenverfolgungen der Römer, diverse Kreuzzüge u.v.a.m. unter die gängige Definition eines Genozids fallen.