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Sorgearbeit – der unterschätzte Stützpfeiler unserer Gesellschaft?

3 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Sozialpolitik, Care-arbeit, Diskriminierung Frauen ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
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Sorgearbeit – der unterschätzte Stützpfeiler unserer Gesellschaft?

10.11.2015 um 13:57
Was ist Sorgearbeit?

Die Sorgearbeit, oder der in der sozialwissenschaftlichen Debatte gebräuchliche Terminus "Care-Arbeit", umfasst bezahlte sowie unbezahlte Tätigkeiten im Bereich Sorge, Fürsorge. Namtlich seien z.B. genannt die Altenpflege und ErzieherInnen im bezahlten Sektor, sowie z.B. die Erziehung der eigenen Kinder oder hauswirtschaftliche Tätigkeiten im privaten Bereich.

Was ist das "Problem"?

Probleme bestehen auf mehreren Ebenen, die alle mehr oder weniger miteinander verknüpft sind, ich versuche die Probleme in gegebener Kürze auf den Punkt zu bringen:

Die Sorgearbeit – sowohl im öffentlichen wie auch im privaten Bereich – wird hauptsächlich von Frauen geleistet. Reproduktionsarbeit bezieht sich auf Haus-/Familienarbeit, wie z.B. das versorgen und erziehen der Kinder und der anderen Familienmitglieder. Die "bezahlte" Sorgearbeit wird unterbezahlt, die Haus- und Familienarbeit ist unbezahlt. Dennoch sind laut der Zeitverwendungsstudie des statistischen Bundesamts die geleisteten unbezahlten Arbeitsstunden in der BRD um ein vielfaches höher, als bezahlte Arbeitsstunden. Dazu kommt, dass Frauen weniger verdienen als Männer, auch der Tatsache geschuldet, dass sie durch Reproduktionsarbeit aus betrieblicher Sicht einen ökonomischen "Verlust" darstellen (Ausfall durch Geburt, Elternzeit etc..). Das hat zur Folge, dass viele Frauen nicht bzw. nur teilzeit arbeiten können/müssen, und dementsprechend erhebliche Einbußen hinsichtlich der Rentenversicherung verzeichnen. Dadurch steigt die Abhängigkeit vom arbeitenden Partner und die Gefahr der Altersarmut wächst bedrohlich immer weiter an.

Eine beidseite Vollzeitbeschäftigung hat zur Folge, dass nicht nur der Haushalt zusätzlich nach der Arbeitszeit organisiert werden muss, sondern auch die Zeit, die mit dem eigenen Kind verbracht werden kann, zu kurz kommt. Oft schließt sich an diesen Lebensabschnitt eine Phase an, in der die vorangegangene Generation ein Alter erreicht, in dem sie Pflege brauchen. Die Organisation von Pflege der Eltern, Haushalt führen, Berufstätigkeit, Kindererziehung ist bei beidseitiger Berufstätigkeit wahrlich schwer zu realisieren, was wiederum Frauen aus der Berufstätigkeit bzw. in Teilzeittätigkeiten drängt, da üblicherweise der Mann das höhere Gehalt bezieht. Ein weiteres Problem sei nur kurz erwähnt: Hierbei werden zunehmend Frauen aus Nachbarländern zur Pflege eingesetzt, was wiederum dazu führt, dass in den jeweiligen Ländern qualifiziertes Pflegepersonal fehlt.

An dieser Stelle lohnt es sich eine Brücke zu schlagen und die bezahlte Altenpflege zu betrachten. Gerade in diesem Bereich der Care-Arbeit bestehen erhebliche Diskrepanzen zwischen Belastung und Bezahlung. Ein großes Problem hierbei ist z.B., dass immer weniger Zeit pro Klient zur Verfügung steht und wir hier nicht mehr von einer Fürsorge, sondern eher von einer Versorgung mit dem Nötigsten sprechen müssen. In Kindergärten, Kliniken etc.. zeigt sich eine ähnliche Problematik. Die hier fortschreitende (negative) Ökonomisierung der wesentlichen Stützpfeiler einer Gesellschaft halte ich für kurzsichtig und bewusstes kapitalistisches Kalkül. Es sei noch erwähnt, dass die demographischen Veränderungen in Dtl. das Problem zusätzlich verstärken, namentlich im Sinne einer sinkenden Geburtenrate, die einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft gegenübersteht. Auch bewegen wir uns hier nicht nur in einem Bereich der Ungleichheit der Geschlechter, auch viele berufstätige Männer äußern z.B. zunehmend den Wunsch mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.

Lösungen?

Es muss definitiv ein gesellschaftspolitisches Umdenken erfolgen, um Ansätze nicht nur zu erkennen, sondern auch umzusetzen. Hierbei spielt Lobbyismus eine zentrale Rolle, die Organisation im unbezahlten Sorgearbeits-Bereich ist allerdings mehr als unterrepräsentiert. Unmittelbar erfolgen muss eine Aufwertung der bezahlten Care-Arbeit. Demgegenüber steht jedoch eine ökonomisch orientierte Lobbyismus-Maschinerie, die zunehmend die Politiklandschaft konstatiert. Es stellt sich die Frage, ob die Problematik aus kapitalistischen Motiven ignoriert wird, oder prinzipiell das Bewusstsein hierfür noch nicht eingehend geschärft wurde. Aus politischer Perspektive werden zwar Versuche unternommen, Lösungen herbeizuführen (betriebliche Kindergärten, Elternzeit, Pflegegeld/-zeit, flächendeckende Kita-Versorgung, Management-Seminare zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf etc..), diese sind aber mMn als Tropfen auf den heißen Stein, bzw. als an der eigentlichen Problemlage vorbeigehend, zu bewerten. Diskutable Lösungsvorschläge wären zum Beispiel eine 30-Stunden Woche für Angestellte mit Kindern/pflegebefürftigen Familienmitgliedern bei voller Bezahlung, verbunden mit vorheriger oder späterer Mehrarbeit. Oder eben - ein sicherlich strittiges Thema - ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Wie steht Ihr zur derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklung? Habt Ihr eigene Erfahrungen, privat wie beruflich, seht Ihr das Problem stark auf ökonomischer Ebene verwurzelt, oder habt Ihr gar Lösungsvorschläge? Sollten wir uns mehr auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie konzentrieren und/oder eine gerechte Vergütung der privaten Care-Arbeit anstreben?


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Sorgearbeit – der unterschätzte Stützpfeiler unserer Gesellschaft?

10.11.2015 um 15:44
ich sehe die Ökonomisierung unseres gesamten Lebens als Hauptproblem an.

es ist in Ordnung, für die Erziehung eigener Kinder kein Geld zu bekommen.
es ist in Ordnung, die Eltern zu pflegen ohne diese Arbeit von der Gesellschaft bezahlt zu bekommen.
Zitat von bamelambamelam schrieb:Diskutable Lösungsvorschläge wären zum Beispiel eine 30-Stunden Woche für Angestellte mit Kindern/pflegebefürftigen Familienmitgliedern bei voller Bezahlung, verbunden mit vorheriger oder späterer Mehrarbeit.
wieso????


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Sorgearbeit – der unterschätzte Stützpfeiler unserer Gesellschaft?

10.11.2015 um 17:34
@lawine
Bei einem 6-stündigen Arbeitstag entsteht, auch wenn beide Elternteile beruflich tätig sind, genügend Freiraum um einen Großteil des Tages mit dem eigenen Kind zu verbringen, sowie die Hausarbeit gerecht verteilt zu organisieren. Auch wenn nur das männliche Elternteil arbeitet, bietet sich ihm dadurch die Gelegenheit an der Reproduktionsarbeit teilzuhaben - viele Männer wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen als es momentan möglich ist. Nehmen wir als Referenz einen normalen Arbeitstag an dem der Arbeitnehmer evtl. bis 17 Uhr arbeitet und gegen 17:30/18 Uhr nach Hause kommt. Nach obligatorischer Essensaufnahme und kurzer Ruhezeit bleibt im Normalfall gerade noch Zeit die Kinder zur Nachtruhe zu verabschieden. Mal ganz davon abgesehen, dass die eigenen Energiereserven je nach Arbeitspensum auch relativ aufgebraucht sein können.

Was die "Bezahlung" oder eine etwaig andere Vergütung privater Care-Arbeit betrifft, finde ich unser momentanes Modell nicht in Ordnung. Mal ganz davon abgesehen, dass Frauen dadurch diskriminiert werden - aus den bereits genannten Gründen -, ist die Reproduktionsarbeit wohl die wichtigste Arbeit, die es in einer Gesellschaft zu verrichten gilt. Wie wenig sie tatsächlich geschätzt bzw. eher honoriert wird mag wohl daran liegen, dass dadurch kurzfristig kein Gewinn zu erzielen ist. Wobei die Betonung hier auf kurzfristig liegt, langfristig würden sich dadurch sicher auch ökonomische Vorteile ergeben. Leider ist unsere kapitalistische Wirtschaft ganz sicher nicht auf ein dementsprechendes Modell einer gewissen (sozialen) Nachhaltigkeit ausgelegt. Schnellstmögliche Profitmaximierung, das Prinzip verbrannte Erde liegt im Trend.
Tatsache ist letztendlich, dass Menschen (vor allem eben Frauen) in bestimmten Lebenssituationen durch die momentanen gesellschaftspolitischen Strukturen diskriminiert werden. Und das kann mMn nicht in Ordnung sein. Hier muss eine Lösung gefunden werden, die dann eben zwangsläufig kurzfristig Geld kostet (was mMn langfristig gesehen einen Mehrwert schafft), aber soziale Gerechtigkeit schafft. Die momentanen Bedingungen sind provokativ formuliert anti-gesellschaftlich: Diejenigen, die die Sozialität der Gesellschaft tragen wollen/müssen, werden im Stich gelassen.


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