@emodul emodul schrieb:Wird dann etwas einfacher, da man bei Bedarf darauf verweisen kann und nicht immer und immer wieder die gleichen Dinge neu erläutern muss.
Das war auch genau der Sinn des anderen Threads.
;)@Fedaykin @Moses77 @Urotsukidoji @wichtelprinz Mal was zum Umgang mit ethnischen Minderheiten Russlands auf der Krim:
06.05.14 Anschluss an Russland - Krimtataren auf der Flucht im eigenen Land
Nach der Annexion der Krim durch Russland sind viele Tataren ins ukrainische Lemberg geflohen. Sie fallen durchs soziale Netz, weil sie nicht als Flüchtlinge gelten, sondern als ukrainische Bürger.
Von André Eichhofer, Lwow
Im Zimmer 312 des Sozialamts von Lwow, dem einstigen Lemberg, herrscht Aufregung. Über 50 Krimtataren drängeln sich in dem kleinen Raum – Familien mit Kindern, ältere Ehepaare, Studenten. Sie alle sind im März von der Krim in die westukrainische Stadt geflohen. Jetzt treffen sich die Flüchtlinge in dem grauen Betonklotz neben der St.-Georgs-Kathedrale, um zu beraten, wie man Sozialhilfe bekommt, sich ins Melderegister einträgt oder einen Internetanschluss beantragt. Eine Frau teilt Formulare aus, jemand tippt auf dem Handy, ein Baby schreit.
Mehr als 500 Tataren sind seit dem Anschluss der Halbinsel an Russland ins westukrainische Lwow gekommen. Einige haben ihre Heimat aus Angst vor politischer Verfolgung verlassen, andere flohen aus religiösen Gründen. In Lemberg werden die muslimischen Tataren zwar herzlich empfangen. Finanzielle Unterstützung erhalten sie von der Stadt allerdings nicht. Viele von ihnen helfen sich gegenseitig bei der Suche nach Wohnungen und verbünden sich im Kampf gegen die Bürokratie.
Auf dem Flur im Sozialamt steht Ismail Ajubow, der mit seiner Frau und zwei Kindern im März nach Lemberg kam. Er sei ein frommer Mann, erzählt der Mann mit dem Bart und der Brille, und habe die Krim aus Angst vor religiöser Verfolgung verlassen. "Für Muslime kann es in Russland gefährlich werden", sagt der 33-Jährige. Gleichzeitig betont er, kein Fundamentalist zu sein wie einige Tataren, die der radikalen Organisation Hisb ut-Tahrir angehören.
"Ich hatte Angst vor den bewaffneten Milizen", sagt Enver Mohammed. Seit eine Mehrheit beim Krim-Referendum am 16. März dafür stimmte, sich Russland anzuschließen, stünden die Tataren vor einer unsicheren Zukunft, sagt der Mann mit den roten Haaren. Rund 300.000 Angehörige der Volksgruppe leben auf der Krim, weniger als 1000 haben ihre Heimat bislang verlassen. "Viele wollen ihr Leben nicht einfach so zurücklassen", sagt der 28-Jährige mit dem T-Shirt und dem Cordjackett. Die Mehrheit der Tataren sei trotzdem gegen den Anschluss an Russland, glaubt H. Und ohnehin: "Das Referendum war eine Farce", sagt er.
Die harte Hand des Kreml trifft die TatarenDer Kreml und die selbst ernannte Krim-Regierung unter ihrem Ministerpräsidenten Sergej Aksionow erklären immer wieder, die Rechte der Tataren schützen zu wollen. In der Krim-Verfassung vom 12. April erhoben sie neben Russisch und Ukrainisch auch Krimtatarisch zur Amtssprache. Auch Aksionows Vize, Rustam Temirgaliew, ist Tatar.
Wer die selbst ernannte Krim-Regierung jedoch kritisiert, bekommt die harte Hand des Kreml zu spüren. Am Wochenende verweigerte Aksionows Regierung dem Tatarenführer Mustafa Dschemilew die Einreise auf die Halbinsel. Der 70-jährige Parlamentsabgeordnete war Vorsitzender des Medschlis, der Versammlung der Krimtataren. Der ehemalige Sowjetdissident kritisiert Russlands Annexion der Krim und wurde dafür mit einer fünfjährigen Einreisesperre bestraft.
Am Samstag demonstrierten Tausende Krimtataren am Grenzübergang Armjansk auf der Krim gegen das Einreiseverbot, wobei es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Die Generalstaatsanwältin der Halbinsel, Natalia Poklonska, drohte am Montag, den Medschlis aufzulösen und Strafverfahren gegen die Demonstranten einzuleiten.
"Russland will angeblich Minderheiten schützen, aber das ist nur vorgetäuscht", sagt Alim Aliew. Der 25-Jährige mit den schwarzen Haaren unterstützt die Tataren in Lwow. Mit 60 weiteren Aktivisten treibt er Wohnungen auf, sammelt Geld und hilft beim Ausfüllen von Formularen.
Notfallnummern für Krim-FlüchtlingeDer junge Mann mit der gelben Daunenjacke ist selbst Krimtatar und lebt seit sechs Jahren in Lwow. Als Anfang März Milizen in den Straßen von Simferopol auftauchten, stellte Aliew die Facebook-Seite "Krim SOS" auf die Beine. "Wir wollten damit gegen die russische Propaganda kämpfen und die Menschen über die Vorgänge auf der Krim und in Kiew informieren", sagt er.
Die meisten Einwohner der Halbinsel erhielten Nachrichten über die Ukraine nur aus Moskau. Sie würden wenig reisen und wüssten nicht, wie es in Kiew und Lwow tatsächlich aussieht. "Sie glauben, in der Ukraine sei eine rechtsradikale Junta an der Macht."
Als sich die Krise zuspitzte, gingen die Aktivisten einen Schritt weiter. Sie schmuggelten Schutzwesten und Essen für die ukrainische Soldaten, die in Kasernen auf der Krim eingeschlossen waren. "Die Sachen versteckten wir in Güterzügen, die zur Krim unterwegs waren", erzählt der Maidan-Aktivist. Helfer holten die Güter am Endbahnhof mit dem Auto ab und schleusten sie in die Militärbasen.
Später richteten die Aktivisten mehrere Notfallnummern für Krim-Flüchtlinge ein und organisierten den Umzug nach Lemberg. "Die Leute kommen in der Stadt an und wissen nicht, wie es weitergeht", sagt Aliew.
Tataren gelten nicht als FlüchtlingeEinige Flüchtlinge leben in ärmlichen Verhältnissen in Dörfern am Stadtrand. "Wir haben kein Bad und kein fließendes Wasser", klagt Tatar Mohammed. Auch finanzielle Hilfe bekommen die Flüchtlinge vom Staat nicht. Mohammed kann auf sein Bankkonto nicht zugreifen und lebt von Spenden. Seit der Annexion ist seine Kontokarte gesperrt.
Der Stadtverwaltung von Lwow seien die Hände gebunden, erklärt eine Beamtin. Denn laut internationalem Recht gelten die Tataren nicht als Flüchtlinge, sondern als ukrainische Staatsbürger. Deshalb sei auch die Genfer Flüchtlingskonvention nicht anwendbar.
Unter Vertreibung hatten die Krimtataren schon in der Sowjetunion zu leiden. Weil Angehörige der Minderheit im Zweiten Weltkrieg teilweise mit der Wehrmacht kollaborierten, ließ Stalin aus Rache 1944 alle Tataren nach Zentralasien deportieren. Ajubow, Aliew und Mohammed wuchsen in Usbekistan auf, bevor sich ihre Familien in den Neunzigern auf der Krim niederließen.
Herzlicher Empfang in LembergIn Lemberg, berichten Ajubow und Aliew, habe die Bevölkerung die Tataren sehr herzlich empfangen. Auch mit der Sprache hätten sie kein Problem. In der westukrainischen Stadt wird überwiegend Ukrainisch gesprochen, aber "niemand schaut mich schief an, wenn ich Russisch spreche", sagt Ajubow. Der Mann, der in Istanbul Türkisch und Arabisch studierte, hält sich derzeit mit Übersetzungen über Wasser.
Andere Krimtataren hätten Kioske und Läden eröffnet, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, berichtet Aktivist Aliew. "Eine Familie betreibt in der Innenstadt sogar ein Café", sagt er.
Ajubow stört, dass es in Lemberg keine Moscheen gibt. Deshalb will er so schnell wie möglich wieder in seine Heimat zurückkehren. "Aber erst, wenn dort wieder die Ukraine regiert", sagt er. Er bereitet sich auf eine lange Zeit im Exil vor. Ein Exil, das streng genommen gar keines ist.
Quelle:
http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article127659418/Krimtataren-auf-der-Flucht-im-eigenen-Land.html