"Reichsschuldenerlass"?

Liebe Allmy-Gemeinde!

Ich weiß, dass es allgemein verpönt ist, Gutes über das 3. Reich zu sagen, nur kommt in fast jedem Gespräch mit meinen Großeltern der Schuldenerlass vor, den es damals anscheinend gegeben hat.

Seinerzeit lebte mein Großvater in einem sehr armen Teil Österreichs. Jeder hatte bei irgendwem Schulden (Mein Opa macht "die Juden" dafür verantwortlich, seine Schwägerin benutzt in denselben Geschichten "die Banken" dafür).
Irgendwann nach dem Anschluss wurden all diese Verbindlichkeiten glaube ich um etwa 50% reduziert, was für die Ärmeren eine extreme Erleichterung war.

Ich hätte gerne mehr darüber gelesen, wie es dazu gekommen ist und wie man diesen Schritt aus heutiger Sicht betrachtet. Nur: Ich kann im Internet praktisch nichts darüber finden. Die meisten Suchen führen zur Schuldenpolitik des 3. Reiches.

Weiß jemand von euch mehr über dieses Thema?
Danke

@soulhunter
lese ich zum ersten mal.. wird wohl nur ein regionales Vorkommnis gewesen sein

Wo kein 'Gläubiger mehr ist da auch keine Schuld

@soulhunter

Da gibt es eine Dissertation aus dem Jahre 2005, die genau das von dir Angesprochene abhandelt. Große Teile sind online lesbar, einfach bis zur NS-Zeit scrollen.

http://books.google.com/books?id=rHpUnrQrDCcC&pg=PR3&hl=de&source=gbs_selected_pages&cad=3#v=onepage&q&f=false

Der Titel ist etwas verfehlt. Ein Schuldenerlass ist eine beidseitige Willenserklärung (ein Vertrag), der zum Erlöschen einer (Teil-)Schuld führt. Was damals lief war aber nicht freiwillig, das war ganz einfach eine Enteignung.

Im Nationalsozialismus trafen staatliche Enteignungsmaßnahmen vor allem Juden, jedoch auch „staatsfeindliche“ Organisationen und Personen, darunter kommunistische und sozialdemokratische Organisationen sowie Emigranten, denen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt worden war. Die Enteignung der Juden in Deutschland und Österreich wurde mit Rassismus begründet. Sie war wesentlicher Teil der Judenverfolgung im Dritten Reich und Voraussetzung für den Holocaust an den enteigneten, ghettoisierten und deportierten Juden. Sie betraf nicht nur ihre Arzt- oder Rechtsanwaltspraxen, Handwerksbetriebe, Fabriken und andere Unternehmen, sondern auch ihre Wohnungen, deren Einrichtungen und ihr Vermögen. Sie erstreckte sich schließlich auf die totale Verwertung der körperlichen Überreste ermordeter Juden in den Vernichtungslagern.

Als Konfiskation waren auch jene Fälle zu werten, in denen der Eigentumsübergang formal auf Grund von Kaufverträgen und ähnlichen Abmachungen erfolgte. Denn diese Vereinbarungen wurden von den Juden nicht freiwillig abgeschlossen. Die „vereinbarten“ Kaufpreise wurden lächerlich niedrig angesetzt, die gezahlten Beträge auf den Juden nicht zugänglichen Sperrkonten deponiert, bevor sie vom Reich konfisziert wurden. Dennoch stützten sich die neuen Eigentümer oft jahrzehntelang darauf, „ordnungsgemäß gekauft zu haben“. Erst auf internationalen Druck wurden in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts auch solche Fälle der Restitution unterworfen.

Ein Schuldenerlass ist aus meiner Sicht auch heute sinnvoll. Vorallem um einfach mal alles für kurze Zeit auf Null zu fahren. Bei den Schulden pro Kopf dürfte eigentlich keiner gut schlafen können. Die persönlichen Schulden die sich einige nebenbei noch anheufen gehen noch weit darüber hinaus.
Das schlimmste dabei ist das nur einige wenige profitieren, nämlich Banken und Investoren, die aus dem nichts Geld schaffen durch Zins und Zinseszins. Also noch mehr Schulden verursachen durch erdachtes Geld, welches es real garnicht geben dürfte/könnte.

Wenn ich Nachrichten höre oder lese und mir dabei wieder bewusst wird, das einige Bundesländer glücklich sind gerade einmal nur die Zinsen tilgen zu können, wird mir schlecht....

Das ganze System bräuchte einen Reset, gleichzeitig müssten die Banken massiv entmachtet werden. Das geht am schnellsten durch einen Schuldenerlass.

Alkalisk schrieb:einfach mal alles für kurze Zeit auf Null zu fahren

Du möchtest, dass meine Bank alles auf Null setzen soll und ich meine private Pensionsvorsorge verliere?

Ich hab keine Schulden, ich kaufe mir das was ich auch von meiner Hände Arbeit bezahlen kann.

Wie auch oben schon genannt, das könnte in der Region folge der Judenenteignung gewesen sein. Die Juden wurden dazu genötigt, auf die Rückzahlung der Schulden zu verzichten, da die Schuldner mit "Anschluss ans Reich" Reichsbürger wurden und ebenso als Deutsche "Herrenmenschen" zählten. Wäre ja unvereinbar gewesen mit der NS Ideologie, ein Deutscher leiht sich nix von einem Juden. Er nimmt es sich.

@Narrenschiffer
(Achtung, kleiner Scherz)
Du denkst wohl auch nur an dich, wa? ;)

@DerFremde
Mal eine Brücke zu modernen "Bewegungen" bauen?
Nein, besser nicht. Das wird schon andernorts ausführlich besprochen.

Hä? Wat?

@Narrenschiffer
Es gibt tatsächlich eine Dissertation darüber. Sehr interessant. Danke! Danach hab ich gesucht.
Nur leider nicht 100% vollständig, aber das ist immerhin schon ziemlich hilfreich, Danke!

@rockandroll
Langsam beginne ich das auch zu denken. In Deutschland scheint es das nicht gegeben zu haben. In der Region Kärnten scheint das aber jeder zu kennen.

@DerFremde
Nein, sicher nicht. Die Arisierung war ja ein "Transfer". Das Vermögen nicht geduldeter Menschen (nicht nur Juden) ging in das Vermögen des Staates oder der Partei über. Wenn jemand Schulden bei einem arisierten Betrieb hatte, hatte er danach Schulden bei einem parteitreuen Betrieb.

Außerdem habe ich oben vergessen zu erwähnen, dass es in dem ganzen Gebiet keine Juden gab. Mein Opa kommt aus einem gebirgigen, damals sehr armen und schwach besiedelten Teil Österreichs (Oberkärnten)

@SCHMANDY
Der nächste echte Jude hat vermutlich 100km entfernt gewohnt. Deiner Antwort nach sind alle Banken jüdisch...

@zoonpolitikon
Schon einmal über die Anführungszeichen im Betreff nachgedacht?

@Alkalisk
Thema komplett verfehlt...

soulhunter schrieb:Schon einmal über die Anführungszeichen im Betreff nachgedacht?

Nein. Warum sollte ich? Du schreibst nämlich

soulhunter schrieb:Ich weiß, dass es allgemein verpönt ist, Gutes über das 3. Reich zu sagen, nur kommt in fast jedem Gespräch mit meinen Großeltern der Schuldenerlass vor, den es damals anscheinend gegeben hat.

Anscheinend kann eine Tatsachenbehauptung sein, muss aber nicht. Nichtsdestotrotz deutest du mit dieser Aussage an, dass er sich um einen Schuldenerlass handelte.
Statt den Titel richtig zu stellen, hast du ihn bestätigt, da helfen auch die Strichchen nicht weiter. Und deshalb habe ich diesen Punkt kurz aufgegriffen, nicht um dich zu kritisieren, sondern wegen der Klarstellung.

@zoonpolitikon
Schon einmal darüber nachgedacht, warum ich so vage schreibe?
Ich kenne nur die Erzählungen von meinen Großeletern und der Schwägerin meines Opas. Im Internet kann ich nichts finden (Narrenschiffer sei dank jetzt schon).
Meine eigenen Angaben kann ich nicht prüfen, deswegen frage ich hier nach ob jemand mehr weiß als ich

@soulhunter

Glaub nicht, dass Privatpersonen damals die Schulden teilweise erlassen wurden.
Leider leben keine Angehörigen meinerseits mehr aus der damaligen Zeit.
So werde ich versuchen, dir das an Hand einer wahren Geschichte zu erklären:

Meiner in Krieg minderjährigen Mutter wurde von ihrem Vater (also mein Großvater) grundbücherlich eine bestimmte Summe sichergestellt, da eine der Schwestern meiner Mutter (meine Tante) das Haus überschrieben bekam.
Nach der Volljährigkeit meiner Mutter konnte diese den Betrag von der Schwester einfordern.
Leider gab es inzwischen aber die Geldentwertung und so ging meine Mutter de facto leer aus...

@Casa_blanca
Nein, die Geldentwertung kam erst später. Das Ganze scheint wirklich verhältnismäßig früh nach dem Anschluss stattgefunden zu haben.

Ich vermute, dass die Geldentwertung meine Familie nicht sehr stark getroffen hat, da man die Meisten ohnehin kein Geld, lediglich Schulden hatten...

@soulhunter

soulhunter schrieb:Irgendwann nach dem Anschluss wurden all diese Verbindlichkeiten glaube ich um etwa 50% reduziert, was für die Ärmeren eine extreme Erleichterung war.

Diese Verbindlichkeiten verschwinden ja nicht im Nichts. Wenn es einen Schuldenerlass gab, dann mussten die Banken, welche die Kredite gewährt haben, 50% der Schulden in ihrer Bilanz abschreiben, was wiederum ihren Gewinn milderte, was wiederum bedeutete, dass sie weniger Steuern zahlen mussten.

@soulhunter

Ok, das mit der Geldentwertung und wann das war weiß ich nicht, da war meine Mutter ja erst später volljährig.
So wurde es mir halt im Zuge von den Ansprüchen von damals erklärt.

Aber überdies ist mir nichts dergleichen in Erinnerung, von wegen Schuldenerlass. Zumindest wurde in der Familie nie derartiges erwähnt.

@Casa_blanca
Aufgrund der sehr dürftigen Suchergebnisse denke ich auch, dass @rockandroll damit Recht hat, dass das Ereignis eher lokaler Natur war.
Nur warum verstehe ich nicht.

Von wo kommt deine Familie? D? Ö?

Ich muss mich erst in das Buch "Vorgänger der Restschuldbefreiung nach heutigem Insolvenzrecht" einlesen, ich denke darin wird einiges genauer beschrieben

@soulhunter

Aus Österreich.

@Casa_blanca
Dann ist es wirklich bedauerlich, dass keiner mehr deren Geschichte erzählen kann. Für mich ist es schwer vorstellbar, dass ein Schuldenerlass ausschließlich in Oberkärtnen stattgefunden hat (wobei dies doch gewisse politische Präferenzen erklären würde...)