Link: www.uni-ak.ac.at (extern) (Archiv-Version vom 19.11.2004)Christologie im Spiegel neuerer Erkenntnisse:
"Als nächstes und gewisserweise Nachfolger der naturverbundenen antiken Religionen wurde die abstrakte Figur des Christus besprochen, ein Mythos, der sich zwar an der historisch fassbaren Gestalt des Jesus von Nazareth festmachte, aber in Wahrheit Spiegelung und Kompensation des besiegten und unterdrückten Judentums unter der pax romana, dem römischem Protektorat, war
Den komplizierten Herleitungen die der raffinierte Pharisäer Paulus erfunden hatte, lag die historische Figur zugrunde, jedoch kristallisierte sich erst langsam das Kerygma, die Ikonologie der Lichtgestalt Jesus Christus heraus. Von Geburt an Jude, wurde er zum Ideal einer neuen Gesellschaft und nachdem zunächst die Forderung nach Beschneidung aller Nichtjuden formuliert worden war, setzte Paulus zunehmend auf die spirituelle Ethnie der nicht Beschnittenen, die nur „en christo“ und nicht mehr Juden sein mussten/sollten.
Somit war Jesus Christus auf einmal nur den Heiden zugetan. Statt einer Reform des Judentumes fand etwas ganz und gar Unerhörtes statt: eine metaphysische Übertragung des Judentum mit seinem eifersüchtigen Gott im Sinne eines spirituellen Heilskonzepts, das nun für die ganze Welt, die Heiden geschaffen worden sei. Daher griff Paulus zum bewährten Mittel einer vollkommenen Neuredaktion des alten jüdischen Epos, um die Christen mit ehrwürdiger Vergangenheit auszustatten.
Also entstand die christliche Bibel nach dem Vorbild der im 6./7. vorchristlichen Jahrhundert verfassten jüdischen Hl. Schriften. Aus diesem Grund betrachtet die abendländische christliche Tradition die Erzväter der jüdischen Kultur und Überlieferung als christliche: Noah, Abraham, David und Salomo wurden zu „historisch belegten“ Gestalten und die ganze jüdische Geschichte zur Präambel des Neuen Testaments das die Erlösung der Menschheit verkündete:
Die frohe Botschaft richtete sich allerdings nicht an die „bösen Juden“, die zunächst das Ziel der judenreformatorischen „Jerusalemer Säulen“ gewesen waren, sondern auf die Heiden. Die Heidenchristen waren nach der erfolglosen Judenmission die Aspiranten auf Erlösung „das auserwählte Volk“, das vom Herrn auch in Zukunft „aus Unterdrückung und Knechtschaft“ geführt wurde. Die Heidenmission als Spiegelung und Kompensation der Pax Romana führte zu etwas was man vom heutigen Standpunkt aus als multikuturellen Rahmen bezeichnen könnte, inerhalb dessen praktisch alles möglich schien. Ohne soziale Unterschiede und Ungerechtigkeiten waren das „Neue Jerusalem“ und das Symbol des Tempels, sowie die Figur des toten Jesus Christus Garanten einer neuen, besseren Gesellschaft und - als die nicht kam - Garantie für das ewige Leben, das diesen Idealen wenigstens im Jenseits entsprechen würde. Das Christentum war in seinen Anfängen sehr auf gesellschaftliche Experimente eingestellt, von ausgesprochen linken Idealen geprägt bis es dann wie alle institutionalisierten Ideologien schon im zweiten Jahrhundert nach Christi Geburt von Starrsinn und Machtstreben geprägt war.
Das kybernetische Äquivalent von Logik ist Oszillation.
Ganz unten auf dem Grunde des Lebendigseins treffen wir auf die Metapher. (Gregory Bateson)