Das anthropische PrinzipIch will an dieser Stelle unbedingt ein Konzept aus der philosophischen Logik vorstellen, was leider etwas sperrig und nicht leicht zu begreifen ist - zumindest ich habe relativ lange gebraucht, bis ich es wirklich gerafft habe.
Aber ich halte es für sehr wichtig, deshalb gut aufpassen.
Das
anthropische Prinzip besagt ganz allgemein in Kurzform: Wenn die Wahrscheinlichkeit über das Eintreten eines Ereignisses mit der Beobachbarkeit eines Ereignisses verknüpft ist, lassen sich darüber keine Aussagen über die Allgemeinheit treffen.
Beispiel: Die physikalischen Gesetze im Universum sind genau richtig "eingestellt", sodass wir existieren können. Es gibt eine Reihe von Konstanten, die - wären sie nur ein kleines bisschen anders - die Existenz von Sternen an sich verhindern würden. Beispielsweise die Feinstoffkonstante, oder die Stärke der Gravitation. Wäre die Gravitation nur ein Millionstel schwächer, wäre die elektrische Abstoßung der Teilchen größer und das gesamte Universum nur ein Teilchennebel, ohne Sterne oder feste Materieklumpen.
Aber warum sind all diese Konstanten genau so, wie sie sind? Viele Menschen haben argumentiert, das sei ein Beweis für Gott, der sozusagen "an den Knöpfen dreht" und die kosmischen Konstanten einstellt. Viele Astronomen halten das für absurd und argumentieren lieber mit der Multiversum-Theorie: Möglicherweise gibt es unzählige anderer Universen, jedes mit leicht anderen Naturkonstanten. Aber nur in unserem sind sie gerade richtig, deswegen sind wir in einem Universum, wo wir dies auch beobachten können.
Aber selbst die Multiversen-Theorie ist dafür gar nicht notwendig. Es reicht auch so die Feststellung, dass jede denkbare andere Konfiguration des Universums keine Sterne hervorgebracht hätte, deswegen muss sie es tun, um beobachtbar zu sein.
Ich will das Prinzip noch einmal für unseren Fall umformulieren.
Nehmen wir einmal ein Universum genau wie unseres und nehmen rein hypothetisch an, dass die Evolution hin zu intelligentem Leben extrem selten ist. Sagen wir, mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:10
25. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt intelligentes Leben irgendwo gibt, etwa 0,1%. Trotzdem gibt es genau einen Planeten mit intelligentem Leben. Gäbe es gar kein intelligentes Leben, gäbe es niemanden, der dieses Universum beobachten und sich Gedanken darüber machen könnte und das Universum wäre irrelevant.
Der Knackpunkt ist, dass man an der Stelle jede beliebige Zahl einsetzen kann. Egal ob die Wahrscheinlichkeit für intelligentes Leben 1:5 oder 1:10
100 ist, sobald es tatsächlich intelligentes Leben gibt, kann dieses jeweilige Leben aus der Tatsache seiner eigenen Existenz an sich keine Annahmen über die Existenz anderer Intelligenzen machen!
Anders gesagt: Wäre unser Planet nicht vor 65 Mio Jahren von einem Asteroiden getroffen worden, hätte es vielleicht nie intelligentes Leben jedweder Art gegeben. Damit hätte hier aber auch niemand sein können, der darüber nachdenkt. Um auf diesen Planeten intelligente Wesen zu haben,
musste der Asteroid quasi einschlagen. Die Tatsache, dass wir auf diesem Planeten existieren ist alleine für sich
keine Grundlage, um über das Leben auf anderen Planeten zu spekulieren. Denn ganz egal wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich es ist, wäre es auf der Erde nicht eingetroffen, wäre hier keiner, der darüber nachdenken kann.
Von philosophischer Logik kriege ich ganz schöne Knoten im Hirn, aber es ist nicht nur wildes Herumgerate - das ganze hat eine sehr stabile mathematische Grundlage - die
Bayes-Statistik. Ich will das nicht im Detail erklären, dass wird zu langweilig, außerdem verstehe ich die Mathematik dahinter selbst nicht zu 100%. Das Bayes-Theorem ermöglicht es einem, anhand sehr bedingter Statistiken beschränkte Aussagen auf die Allgemeinheit zu treffen. Und in diesem Fall haben wir nur einen einzigen Datenpunkt, nämlich die Erde. Wir kennen die Evolutionsgeschichte anderer Planeten noch nicht.
Wissenschaftler aus Princeton haben das letztes Jahr im Detail untersucht und darüber ein Paper geschrieben - und kommen zum gleichen Schluss, dass eine extrem geringe Wahrscheinlichkeit intelligenten Lebens durchaus mit unseren bisherigen Erkenntnissen über das Universum kompatibel ist.
http://physicsworld.com/cws/article/news/2011/aug/01/extraterrestrial-life-could-be-extremely-rare---------------
schmitz schrieb:Die Annahme, dass es außerirdische, intelligente Lebensformen gibt, ist durch die Wahrscheinlichkeit gestützt
Durch welche Wahrscheinlichkeit genau? Darum geht es mir vor allem. Die Tatsache, dass es viele Sterne und Planeten gibt, reicht noch nicht aus. Die Tatsache, dass wir auf unserem Planeten intelligentes Leben haben, reicht auch nicht aus - ich hoffe, das im obigen Text einigermaßen verständlich erklärt zu haben.
Wie gesagt, wir haben nur diesen einen Planeten, den wir betrachten können und dieser hatte bloß während 0,02% seiner Lebensdauer intelligentes Leben "an Bord". Dabei haben wir über das Problem der Zeit noch gar nicht genauer gesprochen - wenn man von einem Verfallsdatum von Leben ausgeht, müssen wir überhaupt erst einmal die richtige Zeit abpassen. Schließlich ist die Frage, ob es viele intelligente Aliens gibt und nicht, ob es viele
gab. Aber ich komme vom Faden ab.
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schmitz schrieb:Die Quintessenz der Antithese dazu ist jedoch, dass sich die Entwicklung des Lebens auf der Erde als etwas Außergewöhnliches, etwas Zufälliges, oder etwas Besonderes darstellen lassen muss, was im Mindesten eben auch auf sehr wackeligen Beinen steht.
Durchaus richtig. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die angebliche Einzigartigkeit des Menschen oftmals durch Religion begründet wurde. Nichts liegt mir ferner als das und menschliche Arroganz und Egoismus geht mir auch auf den Keks. Ich versuche lieber, auf einer rein logischen Ebene zu argumentieren - dass die Tatsache, dass es uns gibt, noch keine Begründung dafür ist, dass es auch viele andere gibt. Für mich ist das etwas anderes und durchaus mit dem kopernikanischem Prinzip kombinierbar.
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schmitz schrieb:Wenn man nicht alle Fakten kennt, also in seinen Annahmen, oder auch in seiner grundsätzlichen Skepsis spekulieren und schätzen muss, sind wir im Allgemeinen sehr schnell bei Glaubensfragen
Grundsätzlich gebe ich dir durchaus recht und in meinen Beiträge argumentiere ich nicht nur gegen dich, sondern auch gegen die "das Universum ist mit Sicherheit voller Aliens, die uns helfen/zerstören/aufessen wollen"-Leute, die nur aus ihrem Bauchgefühl heraus ganze Exopolitik-Schwurbeleien fantasieren.
Wobei ich betonen möchte, dass ich meine anfangs gestellten evolutionären Betrachtungen nicht nur Glaubensfragen sind. Da steckt echte Wissenschaft dahinter. Wenn man sich die Millionen von Pfaden und Abzweigungen in der Paläontologie anguckt, stellt man schnell fest, welche Fortschritte oft dabei sind und welche nicht. Stärker, schneller, größer, kleiner... ständig. Aber intelligenter? Nur ein einziges Mal. Und selbst dieses eine Mal hätte es nicht unbedingt geben müssen.
[Ich schreibe gleich noch einen kleinen Beitrag, dann gehe ich auch erstmal ins Bett.]