Vater wartet mit sterben auf seinen Sohn

Meine Oma war schwer krank, wollte auch nicht mehr Leben, hatte aber zum Glück keine Schmerzen und lebte bis zum Ende in ihrer eigenen Wohnung. Als sich abzeichnete, dass es bald zuende gehen würde, hat meine Mutter beschlossen, fortan bei meiner Oma zu übernachten, damit meine Oma nicht allein war und sie ihr bei Toilettengängen usw. helfen konnte.

In der ersten Nacht, als meine Mutter bei meiner Oma in der Wohnung übernachtet hat, ist meine Oma gestorben, so als hätte sie in dem Wissen sterben wollen, dass ihre Tochter bei ihr war.

Ich denke schon, dass Sterbende ihren Todeszeitpunkt ein wenig beeinflussen können. Vielleicht lassen sie wirklich los, wenn sie ihren Frieden gemacht haben.

Bei meinem besten Freund war es genau umgekehrt.

Er hatte Lungenkrebs und ist in diesem Sommer daran mit 29 Jahren verstorben. Zuerst sah es doch ganz gut aus für ihn, dann vor der letzten Chemo, kippte er krampfend aus dem Bett und fiel ins Koma.

Er lag noch ca 4 Tage auf der Intensivstation und alle verabschiedeten sich nach und nach von ihm. Sein Lebensgefährte wurde krank geschrieben und saß Tag und Nacht an seinem Bett.

Wir haben uns an einem Sonntagnachmittag von ihm verabschiedet und sein Lebensgefährte sagte uns, dass er so lange dort bleiben würde, bis er stirbt.

An dem Tag kam der behandelnde Arzt abends zu ihm und bat ihn darum nach Hause zu fahren, ein heißes Bad zu nehmen und eine ordentliche portion Schlaf zu nehmen. Zuerst hatte er Bedenken, fuhr dann aber doch. Nachdem er ein paar Stunden zu Hause war, bekam er ein ungutes Gefühl und fuhr doch wieder los. Er rief vorher in der Klinik an und meldete sich an.

Als er ankam war sein Lebensgefährte verstorben. Der Arzt erzählte: "Kurz bevor sie kamen waren die Schwestern bei ihm im Zimmer und haben ihm gesagt, dass sie kommen würden. Daraufhin bäumte er sich noch einmal kurz auf und sein Herz versagte...."

Ist auch ein eigenartiges Gefühl das zu hören....

Ich kann mir schon vorstellen, dass es möglich ist, die letzten Reserven zu mobilisieren um den Besuch eines nahestehenden Menschen noch erleben zu können bevor man stirbt ...

Man hört es ziemlich oft ob nun im krankenhaus oder in altenheimen. Viele menschen haben zu bestimmten personen, bestimmte beziehungen und können erst in Frieden ruhen, wenn sie diese person noch einmal vorn tod sehen können.

@dog
So schlimm sich diese Reaktion anhört, sie passiert aber auch öfters. Es lässt sich so erklären: der Sterbende merkt, dass die Angehörigen nicht loslassen. Sie leiden und sitzen am Krankenbett und möchten nicht, dass der Liebste geht. Wenn dann alle Angehörige das Krankenzimmer zufällig verlassen, nimmt der Sterbende quasi diese Chance wahr und geht von dieser Erde.

Da ich dies bereits selber erlebt habe und anhand einer Trauertherapie anschließend gelernt habe, den Sterbenden den Übergang eher zu erleichtern, da ihm das hilft, reagiere ich seitdem anders.

Mein Vater hat gewartet bis seine Eltern und ich aus dem Zimmer gegangen sind, wohl um uns den Anblick zu ersparen weil er genau wusste dass Oma das nicht erträgt

Feelee schrieb: der Sterbende merkt, dass die Angehörigen nicht loslassen

Genauso haben wir es uns auch erklärt.. Auch wenn es hart war.

Meine Tante hatte einen fiesen Krebs gehabt und diverse Therapien. Jetzt war es aber so, dass ihr Sohn eigentlich heiraten wollte. Man schob das immer weiter raus. Irgendwann meinte sie, nein, er soll heiraten, sie wird eh nicht mehr gesund. Dann wurde die Hochzeit gemacht und sie war eigentlich schon 3 Monate über ihrem Sterbedatum und auf der Hochzeit war so so richtig gut drauf und hat sogar getanzt usw. 2 Wochen nach der Hochzeit ist sie dann gestorben. Ich denke fast alle Menschen haben noch etwas was sie vor dem Tod erledigen wollen um dann in Frieden sterben zu können. Nach der Hochzeit hatte meine Tante einfach keine Kraft mehr weiter durchzuhalten oder anders gesagt, das große Ereignis, dass ja die ganze Zeit rausgeschoben wurde wegen ihrer Krankheit wurde nun erfolgreich abgeschlossen und damit war sie vielleicht auch einfach zufrieden.

Das war bei meiner Oma genauso. Sie lag Tage lang im Sterben. Alle hatten sich verabschiedet von ihr. Aber sie blickte ständig ins leere Fenster an ihrem Bett. Erst als ihr jüngster Sohn mit dem sie nach einem heftigen Streit Jahre lang keinen Kontakt mehr hatte zu ihr kam um sich zu verabschieden starb sie friedlich kurz nachdem er wieder weg war.

Bei meinem Vater war es genauso, als er starb.
Meine Mutter und meine Geschwister waren schon versammelt, als mich meine Mutter anrief das es sehr schlecht aussieht. Ich hatte eigentlich erst vorgehabt, nachmittags zu meiner Mutter zu fahren. Trotz das ich mich beeilte, brauchte ich eine gute halbe Stunde. Er starb in dem Moment als ich das Wohnzimmer betreten hatte, wo er lag. So als ob er gewartet hatte bis die Familie komplett war, obwohl er selbst nie der Familienmensch gewesen ist.

Mein Opa suchte sich als Sterbedatum den Geburtstag meiner Oma (seiner Frau) aus, die 8 Jahre zuvor gestorben ist.

NoSilence schrieb:Mein Opa suchte sich als Sterbedatum den Geburtstag meiner Oma (seiner Frau) aus, die 8 Jahre zuvor gestorben ist.

Meine Oma ist auf den Tag genau 13 Jahre nach meinem Opa gestorben. Das hatte was Rührendes für uns.

@Türkis

Ja, besonders wenn diese Menschen einen Großteil ihres Lebens miteinander verbracht haben.

dog schrieb am 03.12.2014:Er hatte Lungenkrebs und ist in diesem Sommer daran mit 29 Jahren verstorben

Mit 29?!? Hat er viel geraucht (wenn ich fragen darf)?
Mein Beileid für deinen Verlust.

@Abernathy
Er hat geraucht, allerdings hatte er 2 Jahre vorher Hodenkrebs.
Dann kam der Scheiß plötzlich zurück und verstreute sich im ganzen Körper.

Wir denke auch öfter es hat daran gelegen, dass er während der Chemo geraucht hat und dass das Ganze dadurch nicht wirklich gewirkt hat.

Aber wer weiß... Ändern kann man leider gar nichts mehr. :(