@wobel Verwendung als Heilpflanze [Bearbeiten]
Bereits in der Antike wurde Johanniskraut als Heilpflanze verwendet. Heute wird es als pflanzliches Arzneimittel zur Behandlung von leichten bis mittelstarken depressiven Verstimmungen oder nervöser Unruhe eingesetzt. Äußerlich werden ölige Zubereitungen angewendet.
Verwendung in der Medizin [Bearbeiten]
Die Wirksamkeit von Johanniskraut in der Therapie der Depression ist umstritten. Es gibt sowohl klinische Studien, die eine Wirksamkeit belegen, als auch solche, die keine Überlegenheit gegenüber Placebo zeigen. Eine Cochrane-Review kam 2005 zu dem Schluss, die Datenlage sei „inkonsistent und verwirrend“.[6] Eine aktuelle Metaanalyse schließt, die Wirkung von Johanniskraut sei noch am besten bei milder oder mittelgradiger Depression nachgewiesen, habe aber auch ein erhebliches Nebenwirkungspotential.[7]
Ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2008 wertete 29 Studien mit zusammen mehr als 5000 Patienten aus, bei denen nach DSM- oder ICD-10-Kriterien eine Depression („major depressive disorder“) vorlag. Die Wirksamkeit von Johanniskraut war gegenüber Placebo leicht überlegen und erwies sich vergleichbar mit synthetischen Antidepressiva bei besserer Verträglichkeit und geringeren Abbruchraten.[8]
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen geht davon aus, dass Johanniskraut einen Effekt bei leichten Depressionen hat. Generell gab es jedoch eine deutliche Abhängigkeit des Effektschätzers von der Studienqualität: je schlechter die Qualität der Studien, desto größer stellt sich das Ausmaß der aufgezeigten Effekte dar und umgekehrt. Bei Betrachtung allein derjenigen Studien mit der besten methodischen Qualität zeigt Johanniskraut nur einen sehr geringen Effekt. Weiterhin geht das Institut davon aus, dass Johanniskraut bei schweren Depressionen nicht hilft. Es erwies sich bei schweren Depressionen in keiner Studie als dem Placebo überlegen.[9]
Die jetzigen Studien liefern noch nicht genügend Daten, um unterschiedliche Johanniskraut-Extrakte miteinander vergleichen zu können oder die optimale Dosis zu ermitteln.[10] Bei leichten Depressionen konnte jedoch in einer Studie eine Dosis-Wirkungsbeziehung experimentell nachgewiesen werden.[11]
Verwendung in der Volksmedizin [Bearbeiten]
Gewinnung von Rotöl in Soglio GR
Volksmedizinisch wird Johanniskraut als Tee und Tinktur auch bei Menstruationsbeschwerden und pubertätsbedingten Verstimmungen verwendet.
Das Rotöl wird als Einreibemittel bei Hexenschuss, Gicht, Rheuma, zur Schmerzlinderung und Wundheilung nach Verrenkungen und Verstauchungen, bei Blutergüssen und Gürtelrose verwendet, kann aber auch innerlich angewandt werden. Man gewinnt es, indem man Johanniskrautblüten zwei Monate lang in kaltgepresstes Oliven- oder Sonnenblumenöl einlegt, gelegentlich kräftig schüttelt und ansonsten in der Sonne stehen lässt. Diesen Vorgang nennt man Mazeration.
Mit einem Ansatzschnaps aus Blüten und Kraut werden Einschlafstörungen und innere Unruhe behandelt.
Verwendung in Lebensmitteln [Bearbeiten]
Johanniskraut-Zubereitungen sind auch vereinzelt in Deutschland in Nahrungsergänzungsmitteln zu finden: Dort als Johanniskrautöl („Rotöl“), dem die innerlichen arzneilichen Wirkungen nicht zukommen.
Für Schlagzeilen sorgte ein funktioneller Joghurt, der Kräuterextrakte aus Johanniskraut und Melisse enthielt.[12]
Der Inhaltsstoff Hypericin ist in der Aromen-Verordnung aufgeführt.
Wirkungsmechanismen und Wirklatenz [Bearbeiten]
Als Hauptwirkstoff des Johanniskrauts gilt Hyperforin. Standardisierter Johanniskrautextrakt erhöht durch eine Wiederaufnahmehemmung der Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin deren Konzentration an den Synapsen. Ebenfalls steigt auch die Konzentration von Gamma-Aminobuttersäure (GABA), Dopamin und L-Glutamat an, was in dieser Form kein Antidepressivum vermag. In der Folge vermindert sich die Anzahl der (noradrenergen) β-Rezeptoren, außerdem bewirkt es eine Downregulation der 5-HT2-Rezeptoren.[13]
Die Wirkung der Johanniskraut-Präparate soll auf die chemisch definierten Substanzen Hyperforin und Hypericin zurückzuführen sein. Diese bewirken eine geringe bis mittelstarke, aber nachweisbare, cerebrale Wiederaufnahmehemmung von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin; dies sind bekannte Wirkmechanismen synthetischer Antidepressiva. Das Verhältnis der Wiederaufnahmehemmung beträgt Serotonin:Dopamin:Noradrenalin:GABA:Glutamat = 2:1:5:1:11.[14] Eine MAO-Hemmung wurde immer wieder behauptet, konnte aber nie nachgewiesen werden. Andere Rezeptoren werden nicht beeinflusst.
Wie chemisch-synthetische Antidepressiva zeigen auch Johanniskraut-Arzneimittel eine gewisse Wirklatenz, d. h., man spürt erst nach mehreren Wochen der Einnahme eine Verbesserung der depressiven Symptome.
Die behauptete antivirale Wirkung gegen das Hepatitis-C-Virus beim Menschen existiert jedenfalls in den üblichen Dosen nicht, vielmehr wird eine zusätzliche Schädigung der Leber hervorgerufen, die bei höheren Dosen zum akuten Leberversagen führen kann. Da wirksame Arzneimittel für durch Viren ausgelöste Erkrankungen zugelassen sind, wurden alle Experimente bei erkrankten Menschen als unvertretbar abgebrochen.
Es treten Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auf, die gefährlich sein können. Johanniskraut induziert ein Abbauenzym in der Leber (Cytochrom P450, Subtyp 3A4), welches andere Medikamente abbaut. Die Abbaurate anderer Arzneimittel steigt somit an, und sie können ihre Wirkung verlieren. Cytochrom P450 Subtyp 3A4 verstoffwechselt u. a. Hormone. So kann Johanniskraut die Wirkung der Anti-Baby-Pille und anderer hormoneller Verhütungsmittel beeinträchtigen. Es bestehen Wechselwirkungen mit bestimmten AIDS-Medikamenten (HIV-Proteaseinhibitoren), Antibiotika wie Clarithromycin (z. B. Klacid) und einigen Antidepressiva (siehe unten). Die HIV-Proteasehemmer und das Antibiotikum können ihre Wirkung ganz oder teilweise verlieren, was bei den zugrunde liegenden ernsten Erkrankungen schwerwiegende Folgen haben kann. Auch Immunsuppressiva, die zum Beispiel nach Transplantationen gegen die Abstoßungsreaktion des Körpers gegeben werden, werden abgeschwächt. Es sind mindestens zwei Todesfälle bei Johanniskrauteinnahme mit gleichzeitiger Immunsuppression beschrieben worden. In solchen Fällen sollte daher unbedingt der Rat des Arztes oder Apothekers eingeholt und befolgt werden.
Diese Interaktionen treten bei Menschen auf, die auf andere Arzneimittel angewiesen sind. Ist der Einnehmende jedoch sonst gesund und auf keine anderen Pharmaka angewiesen, hat sich Johanniskraut als sehr verträgliches und effektives Arzneimittel bewährt.
Wikipedia: Echtes Johanniskraut#Verwendung als Heilpflanze