Die Bell Hexe
28.04.2008 um 19:23
1817 wurde das Haus der Bells von einer höchst üblen Macht heimgesucht. Wie ihre Nachbarn auch waren John Bell und seine Familie streng gläubige Christen mit einem Hang zum Aberglauben. Bei einer ortsansässigen Seherin namens Kate Batt holten sich die Bells, wie auch deren schwarzen Sklaven, Rat. Die Bezeichnung "Hexe" für das Unheil, das über sie kam, war nur natürlich. Poltergeister richten zwar viel Unfug und Zerstörung an, lassen es aber nicht zu einem Todesfall kommen. Anders hingegen im Falle der Bell Hexe. Sie ließ erst von der Familie ab nachdem John Bell, das Oberhaupt der Familie, nach unnachgiebigen Grausamkeiten und Qualen an einem Gift gestorben war.
Die Erscheinungen erstreckten sich über einen Zeitraum von vier Jahren, von 1817 bis 1821 - kurz nach John Bells Tod. 1828 kehrte sie scheinbar in Erfüllung einer boshaften Drohung kurz zurück.
In den 4 Jahren, in denen die Bell Hexe ihr Unwesen trieb, kamen Scharen von Geisterjägern nach Tennessee, die entschlossen waren, einen vermeintlichen Betrug aufzudecken. Jedoch ohne Erfolg.
Die Kenntnisse des Falls beziehen sich auf verschiedene Dokumentationen von Augenzeugenberichten oder alten Schriften von Erlebnissen derer, die diese Phänomene selbst erlebt hatten. Hiervon ist der Bericht eines Sohnes von John Bell, Richard Williams Bell, die wohl älteste und ausführlichste Quelle.
John Bell war im Besitz einer großen Baumwollplantage. Er wurde von jedem seiner Nachbarn geachtet und, wie auch von Freunden, gerne gemocht. Die Familie Bell, John und seine Frau Luce und deren neun Kinder, wohnten in einem großen zweistöckigen Haus. Auf den Feldern, sowie im Haus, beschäftigten die Bells schwarze Sklaven. Soweit es zur damaligen Zeit möglich war, führten die Kinder der Bells mit den Sklaven einen freundlichen, sogar vertraulichen Umgang. Betsy Bell, die damals 12 jährige Tochter, war hierbei ein besonders aufgeschlossenes und ausgeglichenes Mädchen.
Die Phänomene begannen in Form von Klopfgeräuschen an den Wänden und den Fenstern des Hauses. Im Laufe der Zeit nahm die Intensität dieses Phänomens zu, bis sie zum Ende des Jahres das Haus fast buchstäblich in seinen Grundfesten erschütterten. Röcheln, Schmatzen, menschlich klingendes Schlucken, das Rasseln schwerer Ketten über den Fußboden wechselten sich ab mit scharrenden, nagenden und klappernden Geräuschen. Oft klang es, als ob ein Steinregen auf das Dach des Hauses niederprasselte.
Das Haus der Bells vor dem Abriss Die ersten Opfer, die die Macht der Hexe zu spüren bekamen, waren die Kinder. Richard Bell wurde so kräftig an seinen Haaren gezogen, dass es ihn regelrecht aus dem Bett hob. Es fühlte sich an, als wenn ihm jemand die obere Kopfhälfte herunter- gerissen hätte. Gleich darauf wurde von Joel ein heftiger Schrei ausgestoßen, dem Betsy aus ihrem Zimmer folgte. Auch wurden sie nach dem zu Bett gehen ständig an den Haaren gezogen.
Die Familie hatte all die Strapazen bisher für sich behalten, doch jetzt weihte John seinen Nachbarn und guten Freund James Johnson in das Geheimnis ein. Nachdem er die Phänomene dann selbst erlebt hatte, kam er zu dem Schluss, dass ein Geist dahinter stecken müsste und vollzog eine Art Exorzismus im Hause der Bells. Danach kehrte tatsächlich für eine Zeit Ruhe ein.
Die Hexe kam jedoch zurück. Ärgerlicher als zuvor. Betsy wurde heftig geohrfeigt bis deren Wangen feuerrot waren und ihre Haare wurden ihr beinahe ausgerissen.
Weitere Nachbarn wurden eingeweiht und schlossen sich der Familie Bell wie James Johnshon an. Sie wollten der gepeinigten Betsy beistehen und ihr Gesellschaft leisten und die Hexe zum Reden bringen. So kam es, dass Betsy auch eines Nachts im Hause von Freunden verbrachte. Der Schrecken jedoch folgte ihr sogar in das Haus der Gastfamilie und belästigte Betsy in der selben Unnachgiebigkeit wie zuvor. Selbst die Gastfamilie wurde von Übergriffen nicht verschont. Allem Anschein nach bewirkte die Gruppe mehr Schäden als sie Nutzen hatte. Denn auch die Familie Bell wurde nicht in Ruhe gelassen. Doch allmählich schien die Hexe, unter dem Drängen der Gemeinschaft, eine Stimme zu entwickeln. Erst leise und undeutlich, es klang eher wie leises Fiepen. Dann war schwaches und leises Flüstern zu vernehmen, das sich immer mehr zu einem lauten Gekrächze steigerte.
Während die anderen Phänomene erst nach Einbruch der Dunkelheit stattfanden, wenngleich auch in erhellten Räumen, war die Stimme aus sämtlichen Richtungen des Hauses zu jeder Tageszeit zu vernehmen. Wurde die Stimme lauter, wurden auch die Gewalttätigkeiten der Hexe immer extremer. Aus Berichten heißt es, dass die Schläge, die die Hexe verteilte, deutlich gehört werden konnten. Es klang wie das Klatschen einer flachen Hand und verursachte fürchterliche Schmerzen, und jeder war von ihnen betroffen, der im Hause anwesend war. Besonders jedoch wurden Betsy und ihr Vater John geschlagen.
Von Anfang an kristallisierte sich heraus, dass die böse Macht es wohl auf Betsy abgesehen haben musste. Seitdem die Hexe eine Stimme entwickelte, traten bei Betsy Anfälle von Atemnot und Ohnmacht ein. Sie lag öfters gar eine halbe Stunde am Boden. In dieser Zeit schwieg die Hexe. Kaum kam Betsy wieder zu sich, meldete sich die Hexe erneut zu Wort. So kam es, dass man vermutete, das Ganze basiere auf Bauchrednerei.
Ein Arzt untersuchte Betsy während einem ihrer Anfälle, konnte jedoch nicht feststellen, dass Betsy Urheberin der Geräusche war. Früher wusste man noch nicht, dass Bauchredner ihre Worte mit Hilfe der Kehlkopfmuskeln und des Gaumensegelns hervorbringen. Eine Fertigkeit die viel Übung erfordert.
Die Stimme gab sich Anfangs sehr fromm. So konnte sie zum Beispiel die Sonntagspredigt der beiden Gemeindepfarrer Wort für Wort rezitieren und nahm dabei sogar deren Stimme an. Auch sang sie wunderbar und sagte Bibelzitate auf. Im Laufe der Zeit jedoch entwickelte sie Obszönitäten, welche für die gläubige Familie Bell äußert unangenehm waren.
John Bell
Einen besonders großen Schrecken erfuhr die Familie, als die Stimme behauptete, sie wäre die Hexe der alten Kate Batt. Der Seherin, bei der sich die Familie Bell manchmal Rat geholt hatte. Auch stellte die Hexe ihre Fähigkeiten unter Beweis in dem sie widerliche Gerüche erzeugte. Einmal stieg die Hexe zu einem Nachbarn ins Bett und rollte sich in dessen Bettzeug. Der Nachbar, William Porter, sprang auf und packte sich die Rolle, mit der Absicht sie ins Feuer zu werfen. Sie war unglaublich schwer und roch äußert unangenehm. Er hatte das Zimmer noch nicht einmal bis zur Hälfte durchquert als die Rolle immer schwerer wurde und so übel zu stinken anfing, dass er sie fallen lassen musste. Der Gestank war das Widerlichste, das er jemals gerochen hatte und nahm ihm regelrecht den Atem, so dass er aus dem Zimmer lief um erst einmal frische Luft zu schnappen. Als er in sein Zimmer zurück trat waren der Gestank sowie die Hexe verschwunden.
Die Bell Hexe apportierte, wie andere Poltergeister auch, Gegenstände. Bei einer Bibelstunde von Luce Bell fielen frische Früchte von der Decke, wie aus dem Nichts, und landeten auf dem Tisch oder in ihrem Schoß. Zu Betsys Geburtstag soll sie einen ganz Korb voller Orangen, Trauben, Bananen und Nüssen produziert haben, welche sie, wie sie selbst sagte, eigenhändig aus Indien gebracht hätte.
Dem Charakter der Hexe entsprach denn eher ein weiterer grausamer Streich, den sie Betsy spielte. Um sie von ihrer Pein zu befreien, hatte ihr ein Quacksalber aus der Umgebung einen fürchterlich schmeckenden Trank zubereitet, der sie, wie der Quacksalber warnte, sehr krank machen würde. Betsy litt darauf tatsächlich unter Brechdurchfall. Die Hexe lachte hämisch als sich im Stuhl und im Erbrochenen von Betsy zahlreiche Nadeln und Nägel befanden.
Die Bell Hexe Im Laufe der Zeit ließen die körperlichen Gewalttaten nach. Dafür begannen nun die seelischen Qualen. Betsy war kurz nach ihrem zehnten Geburtstag mit einem Mann, Joshua Gardner, verlobt worden. Sie würde, laut der Familie und den Nachbarn, hervorragend zu ihm passen.
Von dem Augenblick aber, von dem an die Hexe sprechen konnte, spottete die Hexe über Joshua Gardner. Oft flüsterte sie dem Mädchen dabei ins Ohr, sie solle ihn nicht nehmen. Die Bell Hexe ging dabei sogar soweit, dass sie im Beisein von Freunden, beschämende Enthüllungen über die Beziehung des jungen Paares preisgab. Sie sprach sogar Drohungen aus indem sie meinte, Betsy würde ihres Lebens nicht mehr froh werden, würde sie diesen Mann heiraten. Mit Erfolg. Betsy gab schließlich ihrem Verlobten den Ring zurück.
Die Hexe musste einen erbitterten Hass gegen John Bell gehabt haben. Von Anfang an hatte sie geschworen, den alten Bell bis ans Ende seiner Tage zu peinigen. Und sie hatte Recht. John Bell wurde seines Lebens nicht mehr froh.
So kam es dann, dass die Familie John Bell am 19. Dezember 1820 völlig gelähmt in seinem Bett vorfand. Der älteste Sohn der Familie wollte die vom Arzt verordnete Medizin aus dem Schrank holen, fand jedoch nur eine rauchig aussehende Phiole, die etwa zu einem Drittel mit einer dunklen Flüssigkeit gefüllt war.
Als der Arzt endlich kam konnte er gerade noch hören wie die Hexe feixte, dass man gar nicht mehr versuchen müsste ,dem Alten zu helfen, er würde jetzt ihr gehören und aus diesem Bett nicht mehr aufstehen. Als man auf die seltsame Medizin, die im Schrank stand, zu sprechen kam, war sich keiner über dessen Herkunft bewusst. Auf unbesonnene Art und Weise wurde sie getestet. Man tauchte einen Strohhalm hinein und bestrich damit die Zunge der Hauskatze. Diese sprang und hopste einige Male herum, legte sich nieder und war auf der Stelle tot. Die Bell Hexe betonte dann voller Stolz, dass sie selbst das Fläschchen in den Schrank gestellt habe und in der Nacht zuvor dem alten John Bell eine kräftige Dosis davon gegeben hatte.
Das Verhalten des Arztes war unentschuldbar. Er nahm das Fläschchen und warf es ins Feuer. Eine Untersuchung des angeblichen Hexengebräus war somit nicht mehr möglich. Am nächsten Morgen lag John Bell tot in seinem Bett. Auf seinen Tod hin reagierte die Hexe mit zotigen Liedern bei seiner Beerdigung.
Des Rätsels Lösung?
Was geschah nun tatsächlich auf der Plantage der Bells? Sicherlich wird es im laufe der Zeit zu einigen Verzerrungen der Ereignisse gekommen sein, aber dennoch geht Dr. Fodor davon aus daß es sich in etwas so abgespielt haben muss:
1849 wurde in der Saturday Evening Post veröffentlicht, daß Betsy Bell alles nur inziniert hätte. Daraufhin wurde von Anwälten der Familie Bell auf hohen Schadensersatz geklagt. Mit Erfolg. Die Zeitung druckte kurz darauf ihren Widerruf.
Betsys Ohnmachts- und Schwächanfälle, gefolgt von Äußerungen die der Hexe zugesprochen wurden, ähneln sehr den Symptomen bei in Trance fallenden Medien. Laut seiner Analyse musste Betsy unter Persönlichkeitsspaltung leiden. Hierbei entwickelte ein Teil ihres Bewusst-seins auf rätselhafte Art und Weise ein sonderbares Eigenleben. Diese quälten ihren Vater buchstäblich zu Tode. Persönlichkeitsspaltung sind zumeist die Folge von schweren traumatischen Kindheitserlebnissen. Es wird daher vermutet daß Betsy in früher Kindheit von ihrem Vater sexuell mißbraucht wurde. Belegen kann das jedoch niemand.