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Scheintot Roman und Wirklichkeit

43 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Scheintot ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
sarafin7 Diskussionsleiter
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Scheintot Roman und Wirklichkeit

12.11.2007 um 10:20
Die Scheintodängste reichen bis ins Mittelalter zurück. 1357 soll auf dem Kölner Friedhof eine Frau namens Richmuth ihrem Grab entstiegen sein, als der Totengräber und sein Knecht es öffneten, um sie ihrer Grabbeigaben zu berauben. Doch zur kollektiven Angst, ja Hysterie geriet die Vorstellung vom Scheintod erst im 18. und dann vor allem im 19. Jahrhundert. Der Scheintote, so glaubte man, verfüge über einen fortdauernden Blutkreislauf, ein intaktes Nervensystem und alle weiteren lebenswichtigen Funktionen, wenn auch auf ein Minimum beschränkt. Dies führte zu teilweise kurios anmutenden Vorsichtsmaßnahmen und testamentarischen Bestimmungen vom Abtrennen des kleinen Fingers bis hin zur Enthauptung. Man forderte eine gewissenhafte Feststellung des Todes und die beginnende Verwesung als Voraussetzung für die Freigabe der Leiche zur Bestattung. In Graz vollzog man bis ins 20. Jahrhundert den Herzstich, um sicherzustellen, daß der zu Beerdigende tatsächlich tot sei: War man es nicht bereits, so jetzt mit Sicherheit.

Drei Forderungen sollten ein frühzeitiges Begräbnis verhindern:

a) die ausreichende Wartezeit bis zum Begräbnis,
b) die gewissenhafte Feststellung des Todes und
c) der Bau von Leichenhäusern.

Die letzte Forderung erfüllte sich 1792 mit dem ersten Leichenhaus Deutschlands in Weimar. Als ideales Leichenhaus wurde ein Rundbau angesehen mit dem Zimmer für eine Aufsichtsperson in der Mitte; von hier aus konnte man die Körper der Verstorbenen beobachten und eventuelle Lebenszeichen wahrnehmen. In Weimar unterstützte den Wächter ein akustisches Signal, das durch eine Konstruktion aus Fäden und Glöckchen, die an den Fingern und Zehen der Leichen befestigt waren, hervorgerufen wurde. Diese Erfindung des Begründers des Leichenhauses, Dr. Christoph Wilhelm Hufeland, diente dazu, auch die kleinste Bewegung eines "Patienten" zu melden.

In einer Zeit, in der weder EKG noch EEG (zur Messung des Hirntodes) zur Verfügung standen, mußte man sich anderer Techniken bedienen, um den Scheintod vom wirklichen Tod unterscheiden zu können. So galt das Fehlen des Blutkreislaufes als sicheres Zeichen für den eingetretenen Tod, den man u.a. durch Injektion von Flourescein in die unteren Gliedmaßen, was bei bestehendem Blutkreislauf zu einer gelben und grünen Verfärbung der Haut führte, oder durch Einträufeln von Dionin ins Auge, das bei intaktem Blutkreislauf eine Schwellung und Rötung hervorrief, feststellte.

Erwachte aber ein Scheintoter im Grab aus seiner kataleptischen Starre, hatte der nun "Neugeborene" gemäß den Vorschlägen der Ärzte drei Möglichkeiten:

a) Begräbnis ohne Sarg, um im Falle des Erwachens ein sofortiges Ersticken herbeizuführen,
b) die Verwendung von Särgen, deren Inneres mit toxischen Gasen gefüllt ist, und
c) die Verbrennung des Leichnams bei extrem hoher Temperatur, um ein Aufwachen zu verhindern.

Die Phantasien zur Bekämpfung des Scheintodes kannten offensichtlich keine Grenzen; so berichtete der Schriftsteller Dr. Ludwig Chierici von einem Gerät, das "man dem Verstorbenen so auf die Brust legt, dass bei der geringsten Bewegung dieses Letzteren ein scharfes Eisen hervorspringt und dem Betreffenden das Herz durchbohrt".
Sanftere Methoden zur Verhinderung eines qualvollen Todes im Sarg sahen die Bestattung in einem Sarg vor, der nur mit einem Leichentuch bedeckt wurde und in einem offenen gelassenen Grab lag, in das man eine Leiter stellte. *Quelle Schaepp


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