Moby Dick im Rhein
19.02.2004 um 12:46Ich hab vor ein paar Tagen eine Doku erwischt, ich glaube Arte war´s über einen
Beluga, der den ganzen Rhein hinauf bis nach Bonn geschwommen ist.
Das war 1966 und wahrscheinlich haben die wenigsten von euch, je davon gehört.
Was denkt ihr darüber, warum tat er das?
- Er schien nicht verwirrt zu sein, er war im Gegenteil sehr zielstrebig und mit dem
Rückweg hatte er zuletzt auch keine Probleme.
Hier ein etwas ausführlicherer Bericht dazu.
Keine Angst, er ist nicht sooo lang, daß ihn nicht jeder lesen könnte :)
" ;Moby Dick" und der giftige Rhein
1966 schwimmt "Der Weiße Wal" von Rotterdam nach Bonn und entwickelt sich zum
Symbol gegen die Umweltzerstörung. Das Tier blamiert den Zoodirektor von Duisburg,
dessen Name zum Programm wird: Dr. Gewalt.
von DIETMAR BARTZ
Als Neunjähriger habe ich unseren Duisburger Tierpark geliebt. Die Giraffen und
Elefanten fand ich toll, auch das Delfinarium. "Das wird Europas größtes", sagte mein
Vater stolz. Es war noch gar nicht richtig fertig, als ich dort die erste Delfin-Dressur
sah. Doch dann sind wir nie mehr zur Flipper-Show gegangen. In den Zoo schon, auch
zu den Robben und Seelöwen, aber nicht mehr ins Delfinarium. Andere in meiner
Klasse auch nicht. Verstanden haben wir das nicht. Unsere Eltern sagten nur, dass es
an Zoodirektor Doktor Gewalt lag. Das hat uns Kinder noch mehr verstört: Warum
konnte ein Zoodirektor Doktor Gewalt heißen?
Wie das Delfinarium zum bösen Ort wird, rekonstruiert Filmemacher Stephan Koestler
in seiner Dokumentation "Der weiße Wal". Im Mai 1966 taucht im Rhein eine verirrte
Beluga auf, schnell auf den Namen "Moby Dick" getauft. Im Ruhrgebiet herrscht das
Wirtschaftswunder: Ludwig Erhard besucht die Montan-, nämlich Stahl-, Kohle- und
Dreckstadt Duisburg. Die Luft rußt, den Rhein vergiften Phosphate, Säuren, Fäkalien.
In dieser Brühe schwimmt das schneeweiße, pummelige Tier stromaufwärts und löst
einen gewaltigen Presserummel aus.
Am 18. Mai erreicht Moby Dick Duisburg - und Dr. Gewalt, der junge Direktor des
Tierparks, gerade erst zwei Monate im Amt, will den Weißwal für sein viel zu kleines
Delfinarium haben. Von gewaltigem Presserummel begleitet, scheitern die
Fangversuche des Ehrgeizlings in einem Duisburger Hafenbecken: Moby taucht unter
Tennisnetzen weg und entkommt einem Schuss aus der Narkosepistole - ein Treffer
hätte das Tier getötet, weil sein Atemsystem versagt hätte.
Das lässt die Begeisterung der vielen Zuschauer für die Jagd kippen. Moby, die
gequälte Kreatur, wird zum Sympathieträger und Dr. Gewalt zum Tierfeind - erst recht,
als vor laufender Kamera ein Scharfschütze Moby den Haken für eine kleine
orangefarbene Markierungsboje unter die Haut schießt. Tierschützer werfen
Apfelsinen in den Rhein - ihre Begründung: Moby braucht Vitamine. Die Boje ist
zwischen den Früchten nicht mehr zu sehen. "Verhaften Sie Dr. Gewalt!", fordert die
Bild-Zeitung, die täglich von Bord eines gecharterten Zeppelins berichtet.
Das weiße Tier, inzwischen abgemagert und dunkel gefleckt, wird zum Symbol - gegen
die Umweltverschmutzung, die geschundene Natur, den Machbarkeitswahn der
Politiker. Es schwimmt tatsächlich bis vor das Bundeshaus nach Bonn, wo alles am
Rheinufer zusammenläuft und eine Nato- und die Bundespressekonferenz
unterbrochen werden. "Erstmals in der Geschichte ist die politische Agenda wegen
eines Tieres geändert worden", berichtet eine Nachrichtenagentur. Direktor Gewalt
muss aufgeben, tausende triumphierende Rheinländer begleiten Mobys Weg
stromabwärts, werfen als Futter Stullen und Rollmöpse von den Rheinbrücken, und
nach vier Wochen kehrt Moby Dick in die Nordsee zurück.
Glaubwürdig stellt Koestler Moby Dick als Auslöser einer ersten vom Presserummel
angefachten Natur- und Tierschutzbewegung dar. Die Mittel des Regisseurs haben auf
dem Filmfestival in Locarno allerdings Heiterkeit ausgelöst. Die Johannespassion
untermalt Mobys Leidensweg. Archivaufnahmen irgendwelcher Belugas illustrieren
Mobys Familiengeschichte. Dazu dramatisiert eine Stimme (Joachim Król) aus dem Off:
"Niemand ahnt, welche außergewöhnliche Odyssee dem jungen Wal bevorsteht", oder
fragt: "Haben Wale Heimweh?"
Doch wegen des reichhaltigen Materials, das Koestler zusammengetragen hat, sehen
wir ihm solche Greenpeacehaftigkeiten gerne nach. Schließlich wissen wir jetzt, warum
wir nie mehr in Doktor Gewalts Delfinarium durften und in sein später gebautes
Walarium auch nicht. Der Mann ist aber auch unbelehrbar. Er fing sich später einen
eigenen Weißwal, Ferdinand. Und der, obwohl eigentlich Herdentier, schwimmt bis
heute ohne Artgenossen in seinem Duisburger Becken herum
Merkwürdig ist auch, daß er sich auf dem Hinweg sehr viel Zeit zu nehmen schien,
während er den Rückweg rasch hinter sich brachte.
Fast so, als wollte er Aufmerksamkeit erregen und als seine "Aufgabe" vollendet war
und dies nicht mehr nötig, kehrte er heim.
Mehr dazu gibt´s im Google.
Wenn Du das nicht hast,
dieses Stirb und Werde,
bist Du nur ein trüber Gast
auf dieser dunklen Erde.
Beluga, der den ganzen Rhein hinauf bis nach Bonn geschwommen ist.
Das war 1966 und wahrscheinlich haben die wenigsten von euch, je davon gehört.
Was denkt ihr darüber, warum tat er das?
- Er schien nicht verwirrt zu sein, er war im Gegenteil sehr zielstrebig und mit dem
Rückweg hatte er zuletzt auch keine Probleme.
Hier ein etwas ausführlicherer Bericht dazu.
Keine Angst, er ist nicht sooo lang, daß ihn nicht jeder lesen könnte :)
" ;Moby Dick" und der giftige Rhein
1966 schwimmt "Der Weiße Wal" von Rotterdam nach Bonn und entwickelt sich zum
Symbol gegen die Umweltzerstörung. Das Tier blamiert den Zoodirektor von Duisburg,
dessen Name zum Programm wird: Dr. Gewalt.
von DIETMAR BARTZ
Als Neunjähriger habe ich unseren Duisburger Tierpark geliebt. Die Giraffen und
Elefanten fand ich toll, auch das Delfinarium. "Das wird Europas größtes", sagte mein
Vater stolz. Es war noch gar nicht richtig fertig, als ich dort die erste Delfin-Dressur
sah. Doch dann sind wir nie mehr zur Flipper-Show gegangen. In den Zoo schon, auch
zu den Robben und Seelöwen, aber nicht mehr ins Delfinarium. Andere in meiner
Klasse auch nicht. Verstanden haben wir das nicht. Unsere Eltern sagten nur, dass es
an Zoodirektor Doktor Gewalt lag. Das hat uns Kinder noch mehr verstört: Warum
konnte ein Zoodirektor Doktor Gewalt heißen?
Wie das Delfinarium zum bösen Ort wird, rekonstruiert Filmemacher Stephan Koestler
in seiner Dokumentation "Der weiße Wal". Im Mai 1966 taucht im Rhein eine verirrte
Beluga auf, schnell auf den Namen "Moby Dick" getauft. Im Ruhrgebiet herrscht das
Wirtschaftswunder: Ludwig Erhard besucht die Montan-, nämlich Stahl-, Kohle- und
Dreckstadt Duisburg. Die Luft rußt, den Rhein vergiften Phosphate, Säuren, Fäkalien.
In dieser Brühe schwimmt das schneeweiße, pummelige Tier stromaufwärts und löst
einen gewaltigen Presserummel aus.
Am 18. Mai erreicht Moby Dick Duisburg - und Dr. Gewalt, der junge Direktor des
Tierparks, gerade erst zwei Monate im Amt, will den Weißwal für sein viel zu kleines
Delfinarium haben. Von gewaltigem Presserummel begleitet, scheitern die
Fangversuche des Ehrgeizlings in einem Duisburger Hafenbecken: Moby taucht unter
Tennisnetzen weg und entkommt einem Schuss aus der Narkosepistole - ein Treffer
hätte das Tier getötet, weil sein Atemsystem versagt hätte.
Das lässt die Begeisterung der vielen Zuschauer für die Jagd kippen. Moby, die
gequälte Kreatur, wird zum Sympathieträger und Dr. Gewalt zum Tierfeind - erst recht,
als vor laufender Kamera ein Scharfschütze Moby den Haken für eine kleine
orangefarbene Markierungsboje unter die Haut schießt. Tierschützer werfen
Apfelsinen in den Rhein - ihre Begründung: Moby braucht Vitamine. Die Boje ist
zwischen den Früchten nicht mehr zu sehen. "Verhaften Sie Dr. Gewalt!", fordert die
Bild-Zeitung, die täglich von Bord eines gecharterten Zeppelins berichtet.
Das weiße Tier, inzwischen abgemagert und dunkel gefleckt, wird zum Symbol - gegen
die Umweltverschmutzung, die geschundene Natur, den Machbarkeitswahn der
Politiker. Es schwimmt tatsächlich bis vor das Bundeshaus nach Bonn, wo alles am
Rheinufer zusammenläuft und eine Nato- und die Bundespressekonferenz
unterbrochen werden. "Erstmals in der Geschichte ist die politische Agenda wegen
eines Tieres geändert worden", berichtet eine Nachrichtenagentur. Direktor Gewalt
muss aufgeben, tausende triumphierende Rheinländer begleiten Mobys Weg
stromabwärts, werfen als Futter Stullen und Rollmöpse von den Rheinbrücken, und
nach vier Wochen kehrt Moby Dick in die Nordsee zurück.
Glaubwürdig stellt Koestler Moby Dick als Auslöser einer ersten vom Presserummel
angefachten Natur- und Tierschutzbewegung dar. Die Mittel des Regisseurs haben auf
dem Filmfestival in Locarno allerdings Heiterkeit ausgelöst. Die Johannespassion
untermalt Mobys Leidensweg. Archivaufnahmen irgendwelcher Belugas illustrieren
Mobys Familiengeschichte. Dazu dramatisiert eine Stimme (Joachim Król) aus dem Off:
"Niemand ahnt, welche außergewöhnliche Odyssee dem jungen Wal bevorsteht", oder
fragt: "Haben Wale Heimweh?"
Doch wegen des reichhaltigen Materials, das Koestler zusammengetragen hat, sehen
wir ihm solche Greenpeacehaftigkeiten gerne nach. Schließlich wissen wir jetzt, warum
wir nie mehr in Doktor Gewalts Delfinarium durften und in sein später gebautes
Walarium auch nicht. Der Mann ist aber auch unbelehrbar. Er fing sich später einen
eigenen Weißwal, Ferdinand. Und der, obwohl eigentlich Herdentier, schwimmt bis
heute ohne Artgenossen in seinem Duisburger Becken herum
Merkwürdig ist auch, daß er sich auf dem Hinweg sehr viel Zeit zu nehmen schien,
während er den Rückweg rasch hinter sich brachte.
Fast so, als wollte er Aufmerksamkeit erregen und als seine "Aufgabe" vollendet war
und dies nicht mehr nötig, kehrte er heim.
Mehr dazu gibt´s im Google.
Wenn Du das nicht hast,
dieses Stirb und Werde,
bist Du nur ein trüber Gast
auf dieser dunklen Erde.