Das Gott Gen - Geboren für die Spiritualität?
27.03.2007 um 00:02
http://www.heise.de/bin/tp/issue/r4/dl-artikel2.cgi?artikelnr=20746&mode=print
Gott ist im Schläfenlappen
Gott sitzt im Schläfenlappen, das ist zumindest dieaktuelle Erkenntnis der Hirnforschung. Während das Zusammenspiel zwischen Gehirn undGeist in der Vergangenheit ein grosses mystifiziertes Rätsel war, kommen dieGehirnforscher diesem Geheimnis mittels moderner bildgebender Verfahren immer mehr aufdie Spur. Es gelang Benjamin Libet nachzuweisen, dass vor jeder bewussten Entscheidungeine Neuronenaktivität im Gehirn stattfindet, dass also jede bewusste Entscheidung dasResultat von chemisch-/ elektrischen Vorgängen im Hirn ist. Die Materie steuert denGeist, nicht umgekehrt. Nun kommen weiterführende Untersuchungen im Bereich derreligiösen Erfahrung hinzu. Nach diesen Untersuchungen verfügt jeder Mensch über ein mehroder weniger ausgeprägtes Modul im Bereich des Schläfenlappens, welches seinem Besitzerspirituelle Erlebnisse vermitteln kann, ein Gottmodul. Durch gezielte Manipulation desSchläfenlappens mit elektrischen Feldern kann man religiöse Erlebnisse künstlichhervorrufen. Selbst Atheisten, offenbar Personen mit wenig ausgeprägtem Gottmodul, könnenso zu echten spirituelle Erlebnissen kommen. Die Zeitschrift «Weltwoche» bezeichnet denApparat zur künstlichen Erzeugung von Gotteserlebnissen in Anlehnung an ApplesErfolgsprodukt iPod zynisch als iGod, sozusagen den persönlichen Gott für unterwegs.
Wenn also Gläubige einer Religion zusammentreffen, um gemeinsam ihren Götter zuhuldigen, sich mit Singsang in Trance versetzen und in Hallelujas ausbrechen, wennGläubige sich durch Gebet und andere Meditationsformen von der Wirklichkeit entdrückenlassen, so tun sie neurologisch gesehen nichts anderes, als ihren Schläfenlappen zustimulieren. Wenn aber das spirituell-religiöse Erlebnis nachweislich eine von aussenmanipulierbare körperliche Aktivität ist, welchen Wert haben dann noch Religionen?
Warum entwickelt der Mensch Religion
Seit Anbeginn der Evolution zum modernenMenschen war es immer wieder notwendig und von grosser Wichtigkeit, von unvollständigerInformation ausgehend Zusammenhänge zu erkennen und gesamtheitliche Theorien zuinterpolieren. Dies ist nicht nur die Voraussetzung moderner Wissenschaft, dieseFähigkeit ermöglichte es dem Menschen seit der Steinzeit sich von der restlichen Tierweltdurch eine gezielte Planung der Zukunft abzuheben. Wenn der Mensch nun eine Hirnregionhat, die ihm transzendente Erlebnisse ermöglicht, er aber andererseits über rationalesDenken verfügt, so werden sich diese beiden Einheiten bei der Erstellung vonganzheitlichen Theorien immer gegenseitig konkurrenzieren. Warum aber haben sichübernatürliche Erklärungen weltweit so erfolgreich und so lange Zeit durchgesetzt, wennes darum ging, unerklärbares zu erklären? Wie ist es evolutionsbiologisch zu erklären,dass sich ein Hirnareal behaupten kann, welches falsche Resultate produziert? Offenbarsind die religiösen Annahmen zwar vollkommen falsch, waren aber in ihrer Mehrheit für dasÜberleben genau genug. Zum anderen hat Religion in primitiven Gesellschaften durchausauch positive Auswirkungen: Sie schweisst eine Gruppe von Steinzeitjägern dankgemeinsamer erhabener Erlebnisse mit ihrem Schamanen zusammen. Religionen machen eineGemeinschaft auch einfacher beherrschbar, da klare Rangordnungen als von einer höherenMacht bestimmt erklärt werden können. Zudem ist es nicht selten so, dass Menschen mitstarkem Glauben Leid besser ertragen können. All diese Vorteile habe wohl zur Verbreitungdes Gottmoduls in der menschlichen Evolution beigetragen. Andererseits hat der Menscherst seit wenigen hundert Jahren angefangen, durch erhöhte Rationalität Wissenschaft undTechnik voranzutreiben. Dies ist zwar unglaublich erfolgreich, geschah aber in einem zukurzen Zeitraum, um auf die Evolution des Menschen einen grossen Einfluss zu haben, undbeispielsweise das Gottmodul zu eliminieren. Es wird spannend zu beobachten sein, ob dasGottmodul in den nächsten paar tausend Jahren merklich schwinden wird.
Christliche Schlussfolgerungen
Das Vorhandensein eines Gottmoduls im Gehirn isteine unbestreitbare Tatsache, die man feststellt, aber die so direkt noch keine Aussageüber Religion an sich macht. Doch was sind nun die Schlussfolgerungen dieses Gottmodulsauf die Religionen? Ein Gläubiger wird kaum einfach so zugeben wollen, dass er einemHirngespinst aufgesessen ist. Daher unterscheiden sich die Folgerungen eines Gläubigenund eines Atheisten.
Ein Christ wird vermutlich argumentieren, dass dasGottmodul von Gott in unser Hirn eingepflanzt worden sei, damit wir ihn, also Gott, alsunseren Schöpfer erkennen können. Für den Christen mag das Vorhandensein eines Gottmodulsgar als Gottesbeweis gelten.
Der Fehler in dieser Überlegung ist, dass dasreligiöse Erlebnis, von der Tradition, Kultur und Lebenserfahrung der Person abhängigist, die das Erlebnis hat. Niemand erkennt einfach so den jüdisch-christlichenSchöpfergott, dieser ist Resultat von Überlieferung, Erziehung und Tradition. Es istnicht einmal so, dass man unbedingt einen Gott erleben muss. Ein Mensch mit animistischemHintergrund wird wohl Geister sehen, und nicht einen Gott. Gäbe es aber einen solchenSchöpfergott, und hätte er uns ein solches Gottmodul verpasst, so hätte er sicherlichdafür gesorgt, dass die Menschen dadurch nicht irgendein religiöses Erlebnis hätten,sondern ihn persönlich unzweideutig erkennen würden. Daher ist das Vorhandensein einessolchen unspezifischen Gottmoduls vielmehr eine Widerlegung für die semitischeSchöpfergotthypothese.
Atheistische Schlussfolgerungen
Viel logischer istdie Schlussfolgerung, dass es eben keine übernatürliche Welt gibt, die Menschen hingegendurch das Religionsmodul zu einer ebensolchen Erklärung tendieren. Religionen sind somitnicht einfach nur eine Erfindung der Menschen, sondern direkt das Produkt ihresSchläfenlappens.