Was mir in diesem Monat mystisches passierte
28.06.2005 um 22:55
Ich habe mir den Film nicht angeschaut um wissen zu erlangen sondern auf Empfehlung eines Freundes ^^. Und dieser Film ist, hmm, ziemlich eindringlich und ein schönes Beispiel dafür. Ausserdem habe ich "Lenz - Georg Büchner" gelesen etc. Habe mir einige Definitionen angesehen. Mir ist also die Schizophrenie hinreichend klar. Wir reden weiter wenn du den Film gesehen hast. :P ^^. Ausserdem will ich mich nicht mit dir streiten. Bist glaub ganz sympatisch ^^.
Ich poste mal ne Rezension zum Film
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Schizophrenie im Film „Das weisse Rauschen“
Psychiatrische Themen im Film haben Tradition (z. B. „Psycho“, „Taxi Driver“, „Rain Man“,
„Family Life“, „Shine“, „A Beautiful Mind“). Dabei wird auch ein bestimmtes Bild der Gesellschaft
und der Psychiatrie vermittelt, die Realität der Krankheit und ihre Bedeutung für die
Betroffenen und ihre Umgebung kommt aber meist zu kurz.
Anders in Hans Weingartners Film „Das weisse Rauschen“: Der Zuschauer begleitet die Entwicklung
des jungen Schizophrenen Lukas mit Anteilnahme, vielleicht auch wachsendem Entsetzen,
und erlebt dessen Verunsicherung, Ängste und Verwirrung ganz unmittelbar mit. Sicherlich
sind die Sachkenntnis des Regisseurs (er absolvierte ein Studium der Neurowissenschaften
und setzte sich mit Betroffenen und deren Angehörigen auseinander), die glanzvolle schauspielerische
Leistung von Daniel Brühl und die besondere technische Umsetzung (s. o.) verantwortlich
für die Authentizität und die Spannung des Films.
Der kranke Lukas wird sehr differenziert und facettenreich dargestellt. Zunächst sieht man einen
sympathischen jungen Mann, der ein ganz normales Leben führen will und gegen alle Widrigkeiten
ankämpft. Noch vor Ausbruch der eigentlichen Krankheitssymptome kommt Lukas
irgendwie nicht gut zurecht. Sowohl die Ankunft auf dem im Umbau befindlichen Bahnhof als
auch der Versuch der Einschreibung an der Uni scheinen für ihn schon zuviel, alles wirkt beängstigend
und bedrohlich. Filmisch wird seine basale Verunsicherung und Verstörung – das sogenannte
„Prodromalstadium“ der Schizophrenie – durch die unstete Kamera und die eindringliche
Lautheit aller Geräusche umgesetzt und dadurch gut nachvollziehbar.
In der Szene an der Kinokasse wird bald noch deutlicher, dass mit Lukas etwas nicht stimmt.
Der immer absurder werdende Dialog mit der Kassiererin, seine zunehmende Hilflosigkeit und
Gereiztheit und die entsetzte Reaktion von Annabelle vermitteln sehr deutlich die Tragik von
nicht gelingender Kommunikation und Beziehung. Lukas ist nicht mehr in der Lage, Informa-tionen logisch zu erfassen und sinnvoll zu ordnen oder eine Enttäuschung hinzunehmen, ohne
sich im Kern seiner Persönlichkeit in Frage gestellt zu fühlen. Aus dieser inneren Bedrohung
entsteht – wie später immer häufiger – die Aggressivität des bislang weich und sensibel wirkenden
jungen Mannes.
Wie auch in der Realität häufig, bricht die Krankheit dann nach dem Konsum von Drogen in
aller Heftigkeit aus. Die Umgebung wird irgendwie verändert und unwirklich wahrgenommen
(im Film ist eine Veränderung der Farben und Verzerrung der Abläufe zu sehen), und plötzlich
tauchen auch Stimmen bekannter (Kati und Jochen) und unbekannter Menschen mit typischen
Äußerungen im Kopf des Kranken auf. Hier vermittelt die Vervielfachung der Tonspur eindrucksvoll
die Unentrinnbarkeit und Bedrohlichkeit dieser Sinneswahrnehmung. Fast immer sind
es kommentierende und imperative Stimmen mit abwertenden und obszönen Äußerungen und
Befehlen, unter denen die Kranken leiden, die nicht selten zu Suizidversuchen und Selbstverstümmelungen
führen. Lukas’ Reaktionen in zunehmender Panik, wie die Verwüstung des Zimmers
und Attacken gegen seine Mitbewohner, werden so für den Zuschauer verständlich.
Auch der weitere Verlauf beschreibt zunächst eine typische „Krankengeschichte“. In der Psychiatrie
ist Lukas durch die Medikamente zwar weitgehend symptomfrei, wirkt jedoch starr und
teilnahmslos. Dass Angehörige, wie hier die Schwester Kati, die Krankheit nicht wahrhaben und
die Notwendigkeit einer psychiatrischen Behandlung nicht akzeptieren wollen, ist, trotz erheblicher
Belastung durch das Verhalten des Kranken, nicht selten.
Nach der Entlassung aus der Klinik führt Lukas ein äußerlich einigermaßen normales Leben und
kann sogar wieder arbeiten. Der nächste Rückfall lässt nach Absetzen der Tabletten jedoch nicht
lange auf sich warten. Auch das ist eine in der Realität sehr typische Situation. Hier zeigt sich
ja auch tatsächlich ein Dilemma der Behandlung der Schizophrenie. Es ist natürlich durchaus
nachvollziehbar, dass es einem jungen Menschen schwer fällt, dauerhaft Medikamente einzunehmen
und sich damit ständig müde und gedämpft zu fühlen. Der weitere Verlauf der Geschichte zeigt jedoch, dass die Alternative meist ein neuer Krankheitsschub mit all seinen Folgen ist.
Mit dem Sprung von der Rheinbrücke bekommt der Film eine neue Richtung und verlässt die
realistische Betrachtungsweise und quasi „klinische“ Perspektive. Lukas schließt sich einer Hippie-
Kommune an, kann es aber letztlich auch dort nicht mehr aushalten und geht seinen ganz
eigenen, einsamen Weg. Er bleibt allein am Meer zurück und sinniert über sich und das „weisse
Rauschen“. Durch sein immer mehr irritierendes Verhalten hat er sich nun auch dem Zuschauer
entfremdet, wirkt zunehmend unnahbar und skurril. Hier ergeht es dem Zuschauer wohl ähnlich
wie den Personen in Lukas’ Umgebung im Film. Die Schwester, deren Freund, die Arbeitskollegen,
die Hippies …, sie alle stehen Lukas freundlich und wohlwollend gegenüber, kämpfen
für ihn oder tolerieren langmütig seine Eskapaden. Doch am Ende können sie ihm alle nicht helfen,
scheinen für Lukas immer unwichtiger, aber auch unaushaltbarer zu werden.
Die „Lösung“ im Film wirkt märchenhaft und wenig realistisch. Die im wirklichen Leben so
zentralen Fragen, wie Möglichkeiten der Heilung und Chancen der sozialen Integration, bleiben
offen. Lukas findet Ruhe, allein, auf dem Felsen am Meer, scheint einzutauchen in die Unendlichkeit
und ein größeres Ganzes. Schizophrenie als Bedingung der Möglichkeit metaphysischer
Erfahrung?
Ansätze zum Gespräch