xNocturnax schrieb:Dennoch würde mich auch interessieren, wo die Mythen um Feen, Elfen, Dunkelelfen, etc.pp. herkommen. Klar, das sind Sagen, oftmals aus Irland und co., aber irgendwoher müssen ja auch diese Ideen kommen.
Ja, wenn wir
das wüßten! Aber auch hier muß man aufpassen, sich das scheinbar einleuchtend selbst zu erklären. So könnten die griechischen Kentauren doch aus einer Zeit stammen, als eine frühe Bevölkerung zum ersten Male Menschen auf Pferden reitend gesehen haben. Klingt einleuchtend - aber scheitert am "taur" in der Bezeichnug. Auch wenn die Kentauren, wie wir sie kennen, einen Pferdekörper haben, steckt in ihrer Bezeichnung das Wort für Stier (tauros). Wesen aus Menschenoberkörper bzw. Menschenkopf und Stierkörper kennen wir aus Mesopotamien und Persien. Es scheint sich bei den griechischen Kentauren also um eine Übernahme aus dem nahöstlichen Mythenzoo zu handeln. Und dort hat es nichts mit mißverstandenen Reitern zu tun, da auch dort das Pferd das Reittier war, nicht der Stier.
Die bekanntesten Mischwesen mit Rinderkörper und Menschenkopf (mit dem beeindruckenden Assyrerbart) hießen Karabu. Assyrisch war wie Babylonisch ein akkadischer Dialekt, also eine semitische Sprache. Weiter westlich gab es Wesen mit nem ähnlich klingenden Namen: die Cherubim, Einzahl Cherub. Eigentlich Kerub, aber K wie B werden unter bestimmten Bedingungen aspiriert, worurch daraus dann ein Ch und ein V wird. Cheruv. Da Vokale weniger von Bedeutung sind, bleiben die Konsonanten KRB übrig, die selben wie bei Karabu. Die Cherubim bei Hesekiel haben denn auch wirklich einen Rinderleib und (mindestens) einen menschlichen Kopf.
Es gibt auch bildliche Darstellungen von Cheruben aus dem Raum Kanaan. Allerdings haben die dann oft einen Löwenleib statt eines Rinderleibs, und auch haben sie so ne ägyptisch anmutende Kopfbedeckung. Was uns zum nächsten Verwandten bringt: dem Sphinx.
Zurück zum Karabu in Mesopotamien. Später herrschten da dann die Perser. Auch die übernahmen diese mythischen Wesen. Und sie nannten sie "geryften". Man erkennt noch immer das KRB, aber doch ein wenig anders. Auch konnte es kommen, daß die Wesen bei den Persern dann Adlerklauen als Vorderfüße hatten und Löwenpranken als Hinterläufe. Flügel konntense ebenfalls haben, aber das war schon bei den babylonisch-assyrischen Keruben so. Jedenfalls lernten die Griechen dann die Perser kennen und deren geryften. Und so kamen die Griechen zum gryps, den wir wiederum als Greif kennen.
Wenn wir also nach einer Herkunft für unseren Vogel Greif suchen, gibt es durchaus eine Erklärung, aber keine "rationale Erklärung" wie mit den Kentauren als mißverstandene Reiter. Hinter jedem mythischen Wesen steht als Erklärung wieder ein anderes mythisches Wesen. Es werden weniger, denn aus einem Ausgangswesen kann die Überlieferung dann nach und nach mehrere voneinander verschiedene Wesen kreieren. Aber es bleiben immer wieder nur weitere mythische Wesen.
Was nun der "wirkliche natürliche Ursprung" unseres Mythenzoos ist, keine Ahnung. Vielleicht gibt es zuweilen tatsächlich rationale Erklärungen, etwa wenn der feurige Biß einer Schlange zum feurigen Odem eines Drachen anwächst, und wer schon mal ne Schlange vom Baum herab"schweben" gesehen hat (vielleicht reicht eine im Wasser schwimmende Schlange), der mag auch fliegende Drachen als erklärlich betrachten. Doch Vorsicht. Nur weil es uns einleuchtend, naheliegend klingt, muß es nicht so entstanden sein, siehe den Kentaur.
Ich finde es schon mal spannend genug, so ne Art "Stammbaum" für Greifen, Zentauren, Cheruben und Sphingen zu rekonstruieren. issn Bißchen wie Archäologie mit Ausgraben, Schichtenfreilegen usw. Das hilft schon mal, die gröbsten Schnitzer beim "rationalen Erklären" von Hexen, Vampiren, Zentauren, Elfen und Zwergen zu vermeiden. Und vor allen Dingen find ich, es macht Spaß.