Sollte man Kindern Märchen vorlesen?
01.04.2013 um 09:14
Seriously - man kann Kinder nicht vor ALLEM schützen.
Es ist geradezu ungesund, sie in Watte zu packen und vor allem ,,schlimmen" fern halten zu wollen.
Denn irgendwann werden sie in einer Welt leben, die nicht rosarot ist und wo Bäche aus Milch und Honig fließen und alle Ringelreihe tanzen.
Ich hab noch von keinem Kind gehört, das angstvoll zusammengebrochen und einen seelischen Knacks erlitten hätte, weil es ,,Rotkäppchen" gehört hat.
Kinder gruseln sich bei Geschichten oder lachen bei Geschichten oder verstehen sie nicht oder denken drüber nach, ihre Fantasie wird angeregt - aber das ist auch alles.
Man sollte sich mal klar machen:
Okay, die Hexe im ,,Hänsel und Gretel" wird ins Feuer geworfen, Rotkäppchen und die Großmutter werden gefressen, wofür dem Wolf der Bauch aufgeschnitten wird, bei Rapunzel wird der Prinz geblendet...
Na und?
In Zeichentrickserien werden die Figuren mit schweren Autos überfahren und stehen dann mit komischem Gesichtsausdruck und fliegenden Vögeln um den Kopf einfach wieder auf. Oder ihnen fällt ein Amboss auf die Birne oder sie kriegen einen Hammer ab und sie stapfen mit einem Kopfverband weg.
Oder sie bekommen brutale Schläge ab und Schüsse purer Energie - trotzdem bleiben sie unverletzt stehen.
Denken deshalb viele Kinder, dass sie sich auch einfach von einem Auto überfahren lassen oder von einem Hammer an der Birne treffen lassen können, ohne dass was passiert?
Schließlich wird das ja bildlich genauso vorgestellt, dafür brauchen sie gar keine Fantasie.
Habe aber noch niemanden gehört, der sagt:,,Verbietet Zeichentrick, nachher denken die Kids, man kann nach einem Frontaltreffer mit einem 40-Tonner unbehelligt weiterlaufen!"
Wir nehmen glaube ich zu sehr eine Erwachsenenposition ein bei der Bewertung der Märchen.
Weil wir Erwachsenen aus Filmen, aus den Nachrichten oder vielleicht sogar aus eigenen Erfahrungen wissen, wie es ist, richtige Tote zu sehen, die vielleicht auch durch schwere Verletzungen zu Tode kamen.
Oder was diese und jene Handlung wirklich für Verletzungen verursacht.
Das ist aber bei Kindern meist nicht der Fall. Vor ihrem geistigen Auge läuft dann einfach beispielsweise ab:
,,Da ist ein Held, der ist groß und toll, der köpft den bösen Ritter und den Drachen und rettet die Prinzessin und sie leben glücklich bis an ihr Lebensende!
Wow, toll, der Held hat den Bösen besiegt, weil er sich angestrengt hat und er hat der armen Prinzessin geholfen. Sowas will ich auch machen!"
Und dann schnappen sie sich ihr Spielzeugholzschwert und einen Kumpel und ,,verwandeln" sich auch in tolle Ritter, die gegen Drachen kämpfen.
Aber es ist für sie nicht relevant, sie denken nicht dran, sie wissen gar nicht, dass es keine Drachen gibt. Oder beim Köpfen des bösen Ritters eigentlich ein menschliches Leben ausgelöscht wird, Blut spritzt.
Oder das ,,voll sexistisch und diskriminierend" ist, dass die Prinzessin, die gerettet werden muss, meistens eine Frau ist.
Sie kümmern sich nicht darum. Für sie zählt einfach die Fantasie, das Erlebnis von Abenteuer, die Erkenntnis, dass ,,das Gute gewinnt", wenn man sich anstrengt und man Bedürftige retten soll.
Wie ich schon mal schrieb:
Man muss nicht überall politische Korrektheit entsprechend dem Zeitgeist reinbringen und deshalb in Geschichten die Rollen völlig vertauschen oder die Geschichten ,,kindgerecht" umschreiben, um den Kindern beizubringen, dass Frauen gleichberechtigt, Schwarze (=,,schwarze Ritter") nicht böse sind oder eine Monarchie mit einem mächtigen König eigentlich total demokratiefeindlich ist.
Was die Märchen angeht, sollte man sie einfach Kinder sein und dem Zauber der Fantasie überlassen.
Alles andere lernen sie noch früh genug.
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sie sollten als Kinder noch Spaß haben, fantasieren, ausprobieren und nicht immer ,,das Richtige" lernen und tun.