Epidemie Pornografie
12.03.2013 um 01:14Medomatt schrieb:Wenn ich mir aus meiner Sicht die Gesellschaft anschaue, geht es tendenziell in die andere Richtung - oder man wacht wirklich mal auf, wenn der Stiefel tief im Arsch steckt - den meisten geht es halt einfach zu gut.Wenn ich von Gesellschaft rede, dann meine ich die Menschen. Uns. Wie wir sitzen und uns stundenlang die Köpfe einschlagen, weil wir Probleme erkennen und im besten Falle sogar unsere Ärsche hochkriegen können.
Ich rede von Menschen, die dafür kämpfen, dass sie als Männer, Frauen, Transsexuelle, Heteoro- und Homosexuelle die Achtung bekommen, die ihnen zusteht und eben nicht mehr angespukt, abgestochen oder in die Irrenanstalt verwiesen werden, weil sie von Ärzten für abnormal gehalten werden.
Ich rede von Menschen, die sich nach Jahrhunderten der Knechthaft trauen, aus ihren religiös geprägten Kulturkreisen auszubrechen, ohne das mit dem Leben bezahlen zu müssen.
Menschen, die selbst bei Minusgraden auf die Straße gehen, um für ihre Überzeugungen zu demonstrieren.
Menschen, die trotz aller medialen Rufmorde, immer noch gute Eltern sein können und deren Kinder die selben Träume haben, wie wir einst.
Ich komme nicht umhin, doch noch einmal auf Schramm zurückzugreifen. Wie oft betont er, dass es nicht sein Ziel ist, großartige Sätze zu formulieren. Er will nicht unterhalten, er will, dass wir nicht nur um den heißen Brei reden, sondern dass wir etwas bewegen. Unser Potential endlich nutzen!
Und das ist nicht damit getan, dass wir in jedem Jahrzehnt aufs Neue unsere Jugend zu Grabe tragen.
Wir haben manipulative Machtorgane. Wir haben Kontrollversuche von eben diesen. Aber dass Teile der Gesellschaft Tag für Tag dagegen kämpfen, darf nicht unter den Tisch fallen.
Resignation darf nicht das Ziel sein!
Deswegen will ich unsere Kinder und Jugendlichen nicht einfach sich selbst überlassen.
Ja, sie sehen albern aus, wenn die Hosen und Mützen auf halb Acht hängen, sie Nackenprobleme bekommen, weil sie dauernd auf ihre Brotbrettchen starren und darauf herumtippen und sie nerven mich genauso, wenn sie wieder mit ihren als Ohrstöpsel getarnten Lautsprechern ihr Geschrummse anhören und ich dem Elend lauschen muss.
Dennoch will ich, dass wir auch mit ihnen in den Dialog treten.
Ich werd einfach das Gefühl nicht los, dass wir andauernd von "der Jugend" reden, obwohl keine relevanten Einsichten in deren Alltag bekannt sind. Zwar reihenweise die Studien hoch und runter gelesen wird, aber der eigenverantwortliche Abgleich mit der Realität ständig völlig vergessen wird.
Was haben sie denn täglich für Sorgen oder Ängste? Was bereitet ihnen denn Kummer aber auch Freude?
Dass ein einziger Bericht über eine Schule schon wieder ausreicht, um eine Massen zu bespaßen, das sollte unsere angebliche Vernunft doch irgendwann einmal stutzig machen.
Schließlich wurde schon mehrfach richtig gesagt, dass wir unser Umfeld sehrwohl beachten und es uns Dinge beibringen kann. Aber da sollte man doch vor lauter Schaum vorm Mund nicht vergessen, dass wir genauso für irgendwelche Fremden, einen Teil ihrer Umwelt darstellen und damit genauso zum Vorbild werden.
Und wenn wir als Erwachsene unser Konsumverhalten begreifen und zwischen Pornografie und unserem Sexualleben zu trennen wissen, dann ist es doch deutlich produktiver, wenn man sich erst einmal auf das konzentriert, auf das man direkt Einfluss nehmen und beratend zur Seite stehen kann.
Ich habe die Geschichte schon vor einiger Zeit erzählt, aber irgendwann einmal kam meine damals 16-Jährige Cousine auf mich zu und fing an Fragen über gewisse Drogen zu stellen.
Was hab ich gemacht? Die Luft angehalten? Oder mit den Schultern gezuckt? Nein.
Da gab es erst einmal einen kurzen Crashkurs in Drogenkunde, angefangen von den zu erwartenden Effekten, über Suchtrisiken, bis schließlich noch zum Zeigen von diesen wunderschönen vorher-nachher Bildern, damit man auch einmal einen richtigen Eindruck davon bekommt, warum vor exzessivem Konsum so gewarnt wird.
Nicht an einer Stelle habe ich versucht es ihr auszureden. Warum auch? Weder ich, noch ihre Eltern können kontrollieren, ob, wann oder wo sie selbst konsumiert, wenn sie bei ihrem Freund ist
Dann doch liebe Hilfe zur Selbsthilfe geben und sie mit ihren Fragen eben nicht alleine lassen.
Man kann doch nicht erwarten, dass die Leute über Nacht plötzlich vernünftig werden, während man nur auf seinem Arsch sitzt und "der Gesellschaft" vorwirft, wie unvernünftig sie sei.
Wenn ich mich hier für Pornografie ausspreche, dann vor allem, weil ich dieses einseitig penetrierte Feindbild nicht mitschüre. Ich den Kurzen ihre Selbstständigkeit nicht grundlos absprechen werde und vor allem auch, weil ich dieser kritisierten medialen Aufbauschung nicht nachgeben will.
Die Problematik in der Gesamtheit ist nicht banal, aber jetzt in der Kritikäußerung genauso weg vom Menschen, hin zur bloßen Sache zu tendieren, das ist doch hausgemachte Verblendung. Zwar mit guten Absichten, aber dennoch schlecht verpackt.
Von mir aus können wir jetzt damit aufhören, alles Übel der Welt auf Pornografie abzuwälzen und jedem fröhlichen Konsumenten zu unterstellen, er würde das gewisse, aber geringe Suchtpotential, aus Bosheit oder Dummheit herunterspielen, weil er vom Konsummonster assimiliert worden wäre.
Fangen wir doch einmal an uns gegenseitig Ernst zu nehmen (auch wenn es manchmal schwer fallen mag) und über Problemlösungen zu sprechen, anstatt uns ständig im Kreis zu drehen.
Also, reden wir einmal drüber. Ich bin gespannt.