@Latebrae versteh mich bitte nicht falsch. du hast sicherlich recht damit, dass eine übertreibung generell nicht viel mit ehrlichkeit gemein hat.
aber übertreibung spiegelt zum teil auch die kindliche phantasie wider, die mit dem alter verloren geht. zum anderen kann sie sicherlich auch die züge von manipulation haben und was schlechtes sein.
aber prinzipiell geht es mir um folgendes:
je älter wir werden, desto mehr lernen wir, unsere gedanken in worte auszudrücken und auch eindrücke nicht mehr so stark auf uns wirken zu lassen. das hat aber auch auswirkungen auf die gedanken-welt: sie wird strukturierter, geordnetet, differenzierter, nüchterner. manche wachsen auch von anfang an in solch disziplinierte, nüchterne, differenzierte strukuren hinein.
(im prinzip wir alle in der westlichen welt, doch nur wenige verfolgen tatsächlich bewusst dieses ideal. viele aber holt letztenendes die technik ein bzw. umgekehrt.)
jedenfalls reagieren "nüchterne" schell mal zynisch (bzw. engstirnig), wenn sie anderen ordnungen und unordnungen der sprachgewohnheiten und des denkens begegnen. dazu kommen all diejenigen, die noch lange nicht das alter und die weisheit (oder deren gewissheit) erlangt haben, aber sie gewiss nach langer steiniger pein auch finden werden. spotten wir etwa über den weg, der uns zurückliegt? sicher, wir verabscheuen den unwissenden unbeholfenen elefanten im porzellanladen, der wir einst waren. wir haben aus unseren fehlern gelernt. sie haben uns zu dem beinahe fehlerlosen wesen gemacht, das wir nun sind. oder etwa nicht? haben wir uns gar jahrelang selbst belogen, wenn wir uns in ein anderes licht stellen? wie schnell geht das, dass wir aus einer notlüge heraus uns auch gedanklich vor etwas wegsperren? dass wir etwas ausblenden, dass wir eigentlich hätten erwähnen müssen, über das wir noch genauer hätten nachdenken müssen aber es dann doch nicht taten? nehmen wir einfach mal an, der kompromiss, den wir mit unserem blickwinkel geschlagen haben, funktioniert so für uns am besten. zack- verdrängt!
was ich hier als
"diffuse wahrheit" zu verteidigen suche, ist der nicht-sprachlichliche teil dessen, was als
anglerlatein,
halbwahrheit oder groteske
schönfärberei gilt.
ob selbst-lüge oder lüge: ich glaube, dass die meisten leute sich einfach dazu gezwungen sehen.
und das aus zum großen teil eigentlich ehrbaren motiven. auch lügen können ehrlich gemeint sein.
wie sieht es aus mit eigen-motivation? man fokussiert sich auf ein kernproblem und blendet alle andere erwähnenswerte probleme aus. die krux der linearität.
wie sieht es aus mit schönfärbereien und übertreibungen, mit denen man andere (beispielsweise kinder, seniorengruppen) motivieren, euphorisieren will?
was ist mit der ungenauen, pragmatischen ausdrucksweise, dem "ungefähr so"? oder mit der erweiterung des betrachtungs-kosmos? anreizen, die dinge nicht sofort auf die naheliegendste weise anzusehen. darin liegt doch die wertschätzung ansich begraben! all das ist auf seine art eine übertreibung, eine ausdehnung des horizonts, der versuch des sprengens der engstirnigkeit, die aufhebung der letzten meinungsverschiedenheit.
und zum anderen gebietet es uns auch gedankliche spielräume, die es zu erhalten gilt.
wie gesagt: ja, klar kann das auch extreme ausmaße annehmen und es hat sie auch schon angenommen und der bogen wird sehr oft weit gespannt.
aber so ist nun mal die welt. spektakulär. übertrieben. immer weiter angetrieben.
wir kommen nun mal nicht alle stringent diszipliniert auf die welt sondern frei.