Wer hat Angst vorm Tod?
19.12.2004 um 11:35
Als Feigheit kann Selbstmord nur von denen ausgelegt werden, die sich nicht
in andere hineinversetzen können.
Es gibt Momente im Leben, da ist man nicht mehr Herr seiner selbst, man kann
nicht mehr wirklich klar denken, auch wenn es so aussieht, und auch wenn man es selbst in dem Moment von sich behauptet.
Es macht Klick, und jegliche Logik ist ausgeschaltet, geschweige denn ein
vernunftbegabtes Denken. Dieses Klick hat immer eine sehr lange Vorgeschichte.
Diesen Zustand so einfach mit Feigheit abzutun ist falsch.
Feigheit vor dem Leben ?
Schon mal an UNLUST auf das Leben gedacht?
An Rebellion gegen das Leben?
Es ist alles andere als feige, wenn ein Selbstmordkandidat sich noch auf Erden aufhält, er ist ein Rebell gegen alle Konventionen und nimmt sich auch das Recht
auf seinen Freitod, und das bestimmen von Zeit und Ort und Umständen.
Rücksichtslos seinen Mitmenschen gegenüber?
Ja, das kann man diesem Kandidaten vorwerfen, aber das ist ihm eh egal.
Ich selbst habe nie versucht, mir die Pulsadern aufzuschneiden,Tabletten zu nehmen, mich zu erhängen; aber ich habe mich auf die Gleise gelegt, auf der Autobahn gestanden, und mich in weitere lebensgefährliche Situationen begeben, ohne Rücksicht auf Verluste anderer. Ich hatte in diesen Momenten keine Angst vor dem Tod, ich war des Lebens müde, und mir war alles scheißegal. Feige kann man mich dann nicht nennen.
Nur rücksichtslos gegenüber anderen.
Später lernte ich das Leben zu lieben, und bekam so automatisch auch Angst vor dem Tod.
Wer sich vor Augen führt, daß nach dem Tod auch NICHTS kommen kann,
der sollte sich davor hüten, zu sagen, er hätte grundsätzlich keine Angst vor
Gevatter Tod.
Ich war auch einige Zeit gläubig, und habe in der Zeit nicht verstanden, warum Menschen Toten nachweinen, nur aufgrund ihres Todes.
Sie kämen ja schließlich in den Himmel, auf welche Stufe dort auch immer.
Bei älteren Menschen entdeckte ich, daß dieses Nachweinen mit dem Alter zuzunehmen schien. Ihre mehr oder minder Gleichaltrigen Freunde Verwandte
bekannte gaben nacheinander den Löffel ab, doch immer seltener sah man
die Betroffenen betroffenst wie Jahre zuvor.
Ich glaube inzwischen , daß der Tod eine natürliche Angelegenheit ist, und wir Menschen auch psychisch darauf gepolt sind, damit umzugehen.
Der Überzeugung war ich nicht immer, ich hasste den Tod als sinnlosesten
Quatsch auf Erden und verstand nicht, wozu er gut sei.
Es ist der Lauf der Dinge, wir sind ein Teil dieser Dinge, wir haben u n s e r e
Zeit.
Und wenn wir uns wünschen, daß diese Zeit länger andauert, so brauchen wir nur unserer Natur nach Mensch zu sein, und dazu gehört für mich inzwischen
unabdingbar die Einheit Mensch, die nicht nur aus Fleisch und Blut und Zeugs
organischer Natur besteht.
Alles Lebendige, Echte, hat eine Seele.
Es mag zum Schluß Recht behalten , wer will, wirkliche Angst vor dem Tod
braucht man nicht haben, aber man sollte die Begegnung mit ihm nicht unterschätzen, ihn schon im Leben akzeptieren lernen, den Umgang mit ihm
sollte man nicht vom Umgang mit seinem Leben trennen.
Ich habe Angst vor dem Tod, weil ich im Leben noch Menschen habe, die mich lieben und die ich liebe, doch habe ich keinen blassen Schimmer, wie Selbstverliebte Egoisten sich durchs Leben mampfen, und dabei noch andere
bloß feige nennen, die sich gegen das Leben entschieden haben.
Andererseits hat jeder Mensch in sich einen Notschalter, der absolute Resignation gegenüber jeglichen Ängsten auslöst, und mancheiner ist imstande,
diesen Schalter kontrolliert zu bedienen, auch ganz ohne Medikamente.
Niemand weiß wirklich, was nach dem Leben folgt, und solange dies nicht
bewiesen ist, wird die Angst vor dem Tod bestehen bleiben.
Jeder von uns hat seine Geschichte, und jeder von uns geht seinen Weg.
Das Leben ist ein Geschenk welches manche nicht zu schätzen wissen.
Und wenn dem so ist, so werden sie alle ihre Gründe dafür haben.
Es liegt an uns, wie wir damit umgehen.
Gemeinschaftsdenken im Sinne von : "Wir sitzen alle in einem Boot, Du mußt dies alles mit uns aussitzen, wenn Du über Bord springst , bist Du feige!!..."
ist grundfalsch, wenn dem Lebensmüden nicht versucht wird, klarzumachen,
wie schön das Leben sein kann, und dazu gehört zuallererst, ihn als Individuum mit all seinen Problemen zu respektieren und ihn verstehen zu wollen.
q.
THE TIME IS NOW !