Das Verhalten der Eltern behinderter Menschen
23.04.2012 um 22:58Wirklich schade das ich diesen Thread erst jetzt fand...
Erst einmal: Ich habe selbst so einige Erfahrungen sammeln können im Bereich der Behindertenpflege und -betreuung.
Mein Anerkennungsjahr hab ich in einer Wohnstätte absolviert.
Gut, jetzt zu meiner Erfahrung mit Eltern die behinderte "Kinder" haben:
Es gibt solche und solche. Die einen fördern wo es nur geht und sind über jede einzelne selbständige Handlung ihres behinderten Kindes unendlich froh.
Die nächsten nehmen es als gegebene Tatsache hin ("ach dat Kind ist behindert, wozu soll es ins normale Arbeitsleben integriert werden und nen normalen Beruf erlernen - lieber direkt in die Behindertenwerkstatt").
Wieder andere haben die Einstellung "Mein armes Kind kann doch nichts für die Behinderung" und versuchen ihre vermeintliche Schuld an der Behinderung ihres Kindes durch Verwöhnen gutzumachen. Jene vergessen (oder versuchen zu verdrängen) das sie irgendwann mal nicht mehr da sind um ihr Kind zu versorgen.
Auch ich habe mich im Anerkennungsjahr über Eltern aufgeregt die ihrem erwacvhsenen Kind den Hintern hinterhergetragen haben. Ich hab mich über Eltern aufgeregt die die offensichtlichen Talente ihres Kindes nicht gefördert haben weil "das Kind doch eh behindert ist".
Da liegt der Knackpunkt:
Zum einen muss man lernen zu akzeptieren das man NICHT in die Köpfe der Leute reinschauen kann. Bei jedem gibt es andere Grundvorraussetzungen für die persönlichen Einstellungen.
Man muss sich die Frage stellen "Wie würde es mir gehen wenn mein geliebtes Kind behindert ist und mir wildfremde Leute anfangen Vorwürfe zu machen oder mir vorschreiben wollen wie ich mit meinem Kind umzugehen habe. Leute die doch keine Ahnung haben wie das ist!"
Man muss verstehen lernen wo die Grenze ist vom Ratschlag zur Einmischung.
Man muss auch für sich selbst lernen das man zwar einerseits Einfühlungsvermögen braucht andererseits aber den persönlichen Abstand braucht um das eigene Privatleben zu schützen. Man darf nicht zulassen das man zuviele Einzelschicksale mit nach Hause nimmt nach Feierabend, sonst riskiert man das das eigene Leben in den Hintergrund gerät und man irgendwann an den Einzelschicksalen kaputt geht.
Mir geht grade tierisch viel durch den Kopf zu diesem Thema...
@mrsbalou
Weißt du was ich während meines Anerkennungsjahres gemacht habe?
Ich hab mir "das Baby" meiner Wohngruppe ausgesucht ("Baby" da die Person durch Verwöhnprogramm nichts machen musste und selbst innerhalb der Wohngruppe nur auf etwas zeigen musste um es zu bekommen). Mit dieser Person habe ich 1 Jahr lang intensiv Dinge des alltäglichen Lebens eingeübt um so die Selbständigkeit und das Selbstbewusstsein zu fördern.
Angefangen bei der Kommunikation beim Esstisch "XY gib mir bitte die Butter, danke", über das eigenständige Schmieren des Brotes, selbst das Getränk eingießen. Dann ging es weiter, das benutzte Geschirr selbständig in die Spülmaschine räumen, Lebensmittel zurück in den Kühlschrank räumen. Aber auch Alltäglichkeiten wie beispielsweise selbständig aus dem Wäschekeller die eigene saubere gelegte Wäsche hoch holen und in den Schrank räumen und bei der Körperpflege selbst so viel wie möglich waschen und abtrocknen.
Anfangs war die Person wirklich zu nichts davon in der Lage, von daheim aus musste sie nie auch nur das kleinste bisschen machen - im Wohnheim lief es so weiter da die Mitbewohner das Küken so mitschleiften und alle Aufgaben übernahmen.
Am Ende meines Jahrespraktikums war die Person in der Lage selbst etwas machen zu wollen. Der Bewohner war in der Lage selbst Dinge zu erledigen die früher alle anderen immer für diese eine Person übernahmen.
Mein "Zauberspruch" in dieser Zeit war "Hey, du bist doch schon groß, du bist schon XY Jahre alt... du schaffst das doch schon alleine".
Übrigens:
Auch die Eltern von Nichtbehinderten sind manchmal so drauf wie die von dir beschriebenen Eltern.
Beispielsweise meine Mutter: Sie kann irgendwie nicht ganz kapieren das ich schon lange lange erwachsen bin, selbst Mutter bin und eine kleine Familie habe, einen eigenen Haushalt führe.
In ihren Augen bin ich noch immer das "Kind", an mir wird kritisiert, meine Handlungen werden nicht als gegeben hingenommen sondern hinterfragt und ungefragt verbessert, meine Dekorationen werden umgestellt, meine Haushaltsgeräte umgeräumt, meine Schränke auf Staub kontrolliert (sie merkt es nicht einmal, macht es unbewusst ohne es böse zu meinen).
Erst einmal: Ich habe selbst so einige Erfahrungen sammeln können im Bereich der Behindertenpflege und -betreuung.
Mein Anerkennungsjahr hab ich in einer Wohnstätte absolviert.
Gut, jetzt zu meiner Erfahrung mit Eltern die behinderte "Kinder" haben:
Es gibt solche und solche. Die einen fördern wo es nur geht und sind über jede einzelne selbständige Handlung ihres behinderten Kindes unendlich froh.
Die nächsten nehmen es als gegebene Tatsache hin ("ach dat Kind ist behindert, wozu soll es ins normale Arbeitsleben integriert werden und nen normalen Beruf erlernen - lieber direkt in die Behindertenwerkstatt").
Wieder andere haben die Einstellung "Mein armes Kind kann doch nichts für die Behinderung" und versuchen ihre vermeintliche Schuld an der Behinderung ihres Kindes durch Verwöhnen gutzumachen. Jene vergessen (oder versuchen zu verdrängen) das sie irgendwann mal nicht mehr da sind um ihr Kind zu versorgen.
Auch ich habe mich im Anerkennungsjahr über Eltern aufgeregt die ihrem erwacvhsenen Kind den Hintern hinterhergetragen haben. Ich hab mich über Eltern aufgeregt die die offensichtlichen Talente ihres Kindes nicht gefördert haben weil "das Kind doch eh behindert ist".
Da liegt der Knackpunkt:
Zum einen muss man lernen zu akzeptieren das man NICHT in die Köpfe der Leute reinschauen kann. Bei jedem gibt es andere Grundvorraussetzungen für die persönlichen Einstellungen.
Man muss sich die Frage stellen "Wie würde es mir gehen wenn mein geliebtes Kind behindert ist und mir wildfremde Leute anfangen Vorwürfe zu machen oder mir vorschreiben wollen wie ich mit meinem Kind umzugehen habe. Leute die doch keine Ahnung haben wie das ist!"
Man muss verstehen lernen wo die Grenze ist vom Ratschlag zur Einmischung.
Man muss auch für sich selbst lernen das man zwar einerseits Einfühlungsvermögen braucht andererseits aber den persönlichen Abstand braucht um das eigene Privatleben zu schützen. Man darf nicht zulassen das man zuviele Einzelschicksale mit nach Hause nimmt nach Feierabend, sonst riskiert man das das eigene Leben in den Hintergrund gerät und man irgendwann an den Einzelschicksalen kaputt geht.
Mir geht grade tierisch viel durch den Kopf zu diesem Thema...
@mrsbalou
Weißt du was ich während meines Anerkennungsjahres gemacht habe?
Ich hab mir "das Baby" meiner Wohngruppe ausgesucht ("Baby" da die Person durch Verwöhnprogramm nichts machen musste und selbst innerhalb der Wohngruppe nur auf etwas zeigen musste um es zu bekommen). Mit dieser Person habe ich 1 Jahr lang intensiv Dinge des alltäglichen Lebens eingeübt um so die Selbständigkeit und das Selbstbewusstsein zu fördern.
Angefangen bei der Kommunikation beim Esstisch "XY gib mir bitte die Butter, danke", über das eigenständige Schmieren des Brotes, selbst das Getränk eingießen. Dann ging es weiter, das benutzte Geschirr selbständig in die Spülmaschine räumen, Lebensmittel zurück in den Kühlschrank räumen. Aber auch Alltäglichkeiten wie beispielsweise selbständig aus dem Wäschekeller die eigene saubere gelegte Wäsche hoch holen und in den Schrank räumen und bei der Körperpflege selbst so viel wie möglich waschen und abtrocknen.
Anfangs war die Person wirklich zu nichts davon in der Lage, von daheim aus musste sie nie auch nur das kleinste bisschen machen - im Wohnheim lief es so weiter da die Mitbewohner das Küken so mitschleiften und alle Aufgaben übernahmen.
Am Ende meines Jahrespraktikums war die Person in der Lage selbst etwas machen zu wollen. Der Bewohner war in der Lage selbst Dinge zu erledigen die früher alle anderen immer für diese eine Person übernahmen.
Mein "Zauberspruch" in dieser Zeit war "Hey, du bist doch schon groß, du bist schon XY Jahre alt... du schaffst das doch schon alleine".
Übrigens:
Auch die Eltern von Nichtbehinderten sind manchmal so drauf wie die von dir beschriebenen Eltern.
Beispielsweise meine Mutter: Sie kann irgendwie nicht ganz kapieren das ich schon lange lange erwachsen bin, selbst Mutter bin und eine kleine Familie habe, einen eigenen Haushalt führe.
In ihren Augen bin ich noch immer das "Kind", an mir wird kritisiert, meine Handlungen werden nicht als gegeben hingenommen sondern hinterfragt und ungefragt verbessert, meine Dekorationen werden umgestellt, meine Haushaltsgeräte umgeräumt, meine Schränke auf Staub kontrolliert (sie merkt es nicht einmal, macht es unbewusst ohne es böse zu meinen).