Was macht uns Menschen aus?
28.04.2011 um 06:33
(Die meisten) Menschen sind Herdentiere (reloaded)
Sie folgen gesellschaftlichen Regeln und achten darauf, dass andere diese ebenfalls befolgen. In Gesprächen mit anderen Herdentieren sprechen Sie oft über Mitbürger, Bekannte, Verwandte, Nachbarn und Prominente die ihrer Meinung nach erwähnenswerte Dummheiten begangen haben oder sich sonstwie/sonstwo/ irgendwie/irgendwann mal Fehlverhalten haben. Auffallend bei diesen Gesprächen ist, dass der Zuhörende ständig nickt und zwar auch am Anfang der Sätze, d.h. zu einem Zeitpunkt, an dem er noch gar keinen blassen Schimmer, von dem was da kommt, haben kann. Wer sich die Mühe macht, das einmal über einen längeren Zeitraum zu beobachten, wird feststellen, dass es bei solchen Gesprächen nur darum geht, sich gegenseitig zu-zustimmen. Gehen diese beiden auseinander, treffen sie andere, mit denen Sie diese Themen erneut erwärmen und es kommen weitere Themen hinzu. Interessanterweise ist es so, dass der Zuhörer der erneut zum Zuhörer wird, nun ggf. eine andere Version der Neuigkeiten über die betreffende Person hört, dieser aber wieder sofort zustimmt. Wird er aber beim 2ten Gespräch vom Zuhörer zum Erzähler, dann interpretiert er zu dem bereits gehörten seine neue eigene Meinung und erhält zu dieser Version natürlich die gewünschte Zustimmung. Das Ganze breitet sich dann durch wechselnde Gesprächspartner, welche ebenfalls wieder neue Gespräche führen, nach dem Seerosenprinzip aus. Als Ergebnis sind dann zum Beispiel später alle der Meinung, dass Herr X schwul ist, seinen Garten verkommen lässt und sich wahrscheinlich Geld vom Staat erschwindelt. Frau Y dagegen betrügt ihren Mann, der nicht weiß, das seine Kinder voraussichtlich vom Pizzabäcker gemacht worden sind (die hätte ihre Tochter auch Calzone nennen können, -der ist so naiv, dass er in der Pizzeria ständig schwärmt wie gut der Pizzabäcker die Calzone gemacht hat). Außerdem ist sie überhaupt die Schlange, die mit ihren Intrigen, Unfrieden am Arbeitsplatz (da hat sie auch schon alle durch) und neuerdings wohl auch in der Nachbarschaft erzeugt.
Treffen sich dann Herdentiere und Geächtete, reden sie über die gleichen Dinge, nur dass es dann um Frau Q und Herrn Z geht. Sprechen Herr X und/oder Frau Y dann allerdings an, das sie Gerüchte über sich mitbekommen hätten und betonen das z.B. ihr Garten doch gepflegt sei oder das Frau Y nur ihren Mann liebt, bzw. in ihrem Leben keinen anderen Mann gehabt habe, dann setzt der Zuhörer ein entsetztes Gesicht auf und beteuert dieses Gerücht noch nie gehört zu haben. Ansonsten sei der Garten des Herrn X doch wunderschön, eben ein echtes Biotop und Frau Y sei sowieso allen als ehrenwerte Frau bekannt.
Dann schimpfen beide noch über Frau Q und Herrn Z und müssen dann weiter. Auf dem Nachhauseweg informiert das Herdentier dann schnell noch ein paar andere darüber, dass Herr X tatsächlich glaube, dass sein Garten gepflegt wäre, - der Spinner. Frau Y hingegen hat ihn auf der Straße anmachen wollen, er aber hätte eiskalt abgelehnt (wo kommen wir den dahin?). Die Zuhörer, Frau Q und Herr Z, geben ihm sofort recht. Dieses Miststück, Frau Y sei ihnen bestens bekannt. Sowohl Frau Q als auch Herrn Z habe diese Bi- Schlampe zu einem sexuellen Stelldichein überreden wollen, aber auch sie hätten abgelehnt. Kurz vor seiner Haustür trifft das Herdentier dann noch Herrn und Frau G und informiert sie schnell darüber, dass Frau Q, Herr Z und Frau Y eine Dreierbeziehung haben. Entsetzt ziehen die G’s weiter. Frau G kann vor Aufregung kaum sprechen als Sie auf die H’s treffen, informiert diese aber noch über einen gigantischen Skandal, das Q,Z,Y und B sich wahrscheinlich gegenseitig mit Aids angesteckt haben und somit jeglicher körperlicher Kontakt mit diesen Subjekten vermieden werden muss.
Herr J, der zufällig zuhörte und im Ordnungsamt tätig ist, beteuert dass die Behörden sich um diesen Fall kümmern werden. Von Herrn B hätte er das nicht gedacht, aber man kann den Leuten ja nur vor den Kopf schauen. Mit dem habe ich gestern noch gebouwlt, sagt er. Mein Gott, wir haben mit der gleichen Kugel gespielt, sagt er, während er sich die Hände vor’s Gesicht hält und diese argwöhnisch betrachtet. Herr K geht in diesem Moment vorsorglich schon mal einen Schritt zurück und hält ein Taschentuch vor den Mund. Man weiß ja nie. Während Herr J seinen Freund vom Gesundheitsamt anruft und ihn bittet sich dieser Sache anzunehmen, machen sich die Anderen bereits auf den Weg um die Anderen zu warnen, dass Herr J durch Q,Z,Y und B wahrscheinlich mit Aids Viren kontaminiert wurde. Auf jeden Fall dürfen unsere Kinder nicht mehr mit deren Kindern spielen. Und so macht sich eine kleine Gruppe auf den Weg zum Spielplatz, um die Gesunden vor der Aidsbrut zu retten. Man weiß ja nie.-
So nehmen die Verwicklungen ihren Lauf. Seltsamerweise ist es jedoch meistens so, dass die Dinge sich nach einiger Zeit auflösen und neue Vermuten/Verdächtigungen/Vorbehalte dem fruchtbaren Boden entsprießen, dann einige Wochen blühen, bis sie schließlich verwelken und so weiter (Aidskranke gesunden, Tot gesagte tanzen auf dem Volksfest und Schlampen sind plötzlich hochgefragt, bzw. moderieren sie die Talkshow in der Du gerade sitzt).
Doch all das ist harmlos.
Gefährlich wird es wenn Herdentiere und Geächtete in der gleichen Firma arbeiten, -was in fast jeder Firma die es gibt auch der Fall ist (Ausnahme 1 Mann Firma). Zu dem üblichen Getratsche kommen nun auch Eitelkeiten, Machtkämpfe, Mobbing, Titelwalzer, Rachsucht, Platzhirschgehabe und vor allem Neid hinzu. Für einige ist der Titel ganz, ganz wichtig. Frauen zum Beispiel, die nie studiert haben, aber mit einem Arzt verheiratet sind, bestehen darauf, dass auch sie mit Frau Doktor angeredet werden. In einer österreichischen Todesanzeige stand einmal: In tiefer Trauer Schuhmeistermachergattin Elfriede…., und in den 70ziger Jahren waren bei uns die Schweißer so eingebildet, dass sie sich vom Schweißerhelfer die Argonhandschuhe überstreifen ließen. Ein Freund hat mal gescherzt, dass, wenn von denen einer heiratet, am nächsten Tag die Zeitungen schreiben würden: ‚Schweißer heiratet Bürgerliche’. Schon in den Werkstätten ist es so, dass sobald einer etwas höher gestuft wird, sich dieser einen Kittel anzieht und über Nacht gelernt hat wichtig zu sein. In den Büros steigert sich die Sache. Dort können manche Menschen vor Wichtigkeit gar nicht mehr arbeiten. Man kann sagen, dass deren Effizienzkurve im Quadrat sinkt, je weiter sie auf der E- Leiter steigen. Das ist nicht bei allen so, weder in den Werkstätten noch in den Büros, denn sonst würde nichts vorangehen. Deshalb muss man hier zwischen Industrieschauspielern und handelnden Personen unterscheiden. Doch obwohl jeder ahnt wer was ist, herrscht in der Regel ein seltsames Patt. Die Industrieschauspieler sind Herdentiere die sich in jeder Beziehung blind verstehen. Sie sind ständig auf der Jagd den handelden Personen Fehler nachzuweisen. Da sie bei Beginn jeder Arbeit grundsätzlich dagegen sind, was die handelnden Personen beschlossen haben, können sie im Falle eines Misserfolges immer wieder mit dem gleichen Spruch auftrumpfen. Hab ichs nich gesagt, hab ichs nicht 1000x mal gesagt,- die Deppen können nicht hören,- und jetzt haben sie die Scheiße am dampfen, ne,ne,ne. Die Industrieschauspieler sind sich in diesem Fall alle sofort einig, - den Mann hätte man erst gar nicht einstellen dürfen, - hätten die damals auf uns gehört, - jetz hamma den Salat.
Die Handelnden haben wenig Zeit sich um ihre Imagepflege zu kümmern, die Industrieschauspieler nehmen sich dagegen alle Zeit der Welt. So kommt es dazu, das die Industrieschauspieler die Handelnden zu Höchstleistungen treiben, denn da diese vor lauter Arbeit und Verantwortung sich nicht um ihre Verteidigung kümmern können, haben sie nur die Wahl noch mehr zu arbeiten um fehlerlos zu sein. Hat der Handelnde dann seine Arbeit termingerecht und fehlerlos erledigt, dann ist dass das selbstverständlichste auf der Welt, vor allem weil das Team um den Handelnden, bestückt mit einigen Industrieschauspielern, ja eigentlich die ganze Arbeit gemacht hat. Da nützt es dem Handelnden auch nichts wenn er nun sagt: aber ich… - denn er wird sofort unterbrochen: Herr W, - wir,- nicht ich, - wir sind das Team. Ein Kenner dieser Dinge weiß, dass er immer das Team loben muss, denn Verteidigung ist zwecklos.
Der Lernende wird wissen zu welcher Gruppe er gehört. Sobald er mit einem Kollegen allein ist, kommt es zwangsläufig dazu (immer) das dieser über den Chef nörgelt, wobei unfähig die harmloseste Umschreibung für dessen Fähigkeiten ist. Alle Kollegen werden das Gleiche sagen, solange man sich alleine unterhält. Ab und zu geschieht das dann auch in der Gruppe. Da wird wunderbar heftig über die Schwachbirne hergezogen. Aus Anstand oder Teamgeist oder auch weil Du Deinen Chef einfach gut findest, enthälst Du Dich der Meinung, obwohl, wie Du zugeben musst, Du immer nickst wenn die etwas zu Dir sagen. Doch dann kommt der Tag an dem Dein Chef Dich unberechtigt behandelt. Wütend gehst Du zurück ins Büro, wo Deine Kollegen sich gerade angeregt unterhalten. Du sagst: Diese Schwachbirne. Die fragen: Wer? Du sagst: Wer schon? Die schütteln den Kopf und sagen: Wer? Du sagst: Der Bensmann (Chef) die Schwachbirne. Ich wußte ja das der doof ist, aber dass der so doof ist hätte selbst ich nicht vermutet.
In der nächsten Sekunde wirst Du wissen zu welcher Gruppe Du gehörst. Der Raum wird plötzlich totenstill. Niemand sagt ein Wort. Nach ein paar unendlich lange erscheinenden Sekunden verabschieden sich die Kollegen voneinander, weil sie noch irgendwo irgendwas wichtiges erledigen müssen und verschwinden, ohne Dich eines Blickes zu würdigen. Nach 20 Sekunden sitzt Du alleine im Büro.
Von nun an wirst Du mit Distanz behandelt. Dein Chef durchbohrt Dich am nächsten Tag mit Blicken und kritisiert was zu kritisieren ist. Dazu gibt er Dir unlösbar scheinende Aufgaben –
Willkommen bei den Handelnden!
Danach wirst Du Dein Bestes geben. Doch was Du in den Besprechungen auch vorschlägst, wird abgeblockt. Beim verlassen des Besprechungsraums hörst Du sie zischeln: ‚der will wohl dat Rad neu erfinden, der Spinner’
Dafür werden Deine Vorschläge dann ein halbes Jahr später plötzlich ausgeführt. Sprichst Du das an, und fragst, ob sich dein Vorschlag jetzt doch durchgesetzt habe, dann wirst Du nur müde belächelt. Das haben wir schon vor 15 Jahren vorgeschlagen, als Du noch gar nicht in der Firma warst. Nur dass das erst jetzt durchgekommen ist, da wir nicht locker gelassen haben. Dann gehen die kopfschüttelnd weiter.-
Erkennen kannst Du Industrieschauspieler, in dem Du sie bittest ein Problem für Dich zu lösen und/oder wenn Du sie um Rat in einer schwierigen Angelegenheit bittest, denn die haben dann ähnliche Fähigkeiten wie die japanischen Ninjas, bezüglich Abtauchen oder Ausweichen. IS in hohen Positionen die Du nichts fragen kannst, erkennst Du eben daran dass Du sie nichts fragen kannst. Die halten eine sagenhafte Atmosphäre von Distanz, Kälte und Wichtigkeit aufrecht,- und bevor Du Dich versiehst bis Du raus aus Ihrem Büro/Dunstkreis, -mit dem Gefühl, dass Du wohl besser einen chinesischen Wanderarbeiter hättest fragen können, wie man einen geplatzten Airbag wieder ins Lenkrad hineinfaltet. -
Alles harmlos.
Weniger harmlos allerdings sind so genannte Major – Attacken.
Major - Attacken sind stets von langer Hand vorbereitet. In der Regel ist es so, dass einer der Industrieschauspieler frühzeitig über die Rahmenbedingungen zweier gleichzeitig stattfindender Projekte Bescheid weiß. Er weiß z.B. dass bei dem einen Projekt (A) der Kunde sehr erfahren ist und das dessen Mitarbeiter die Projektdurchführung unterstützend begleiten. Außerdem ist die Liefersituation bestens, d.h. es werden weder Verzögerungen noch Probleme erwartet. Das andere Projekt (B) geht an einen neuen Kunden, dessen Mitarbeiter gar nicht so richtig wissen was da auf sie zukommt. Obendrauf ist die Liefersituation so beschissen, dass Verzögerungen und Probleme zuhauf erwartet werden. Nun beginnt die Gruppe der Industrieschauspieler ihr ureigenstes Fachgebiet auf’s geschickteste einzusetzen. In der nächsten Zeit verbreiten Sie das Gerücht das Projekt A sehr, sehr, sehr, sehr schwierig ist, wohingegen Projekt B ein Selbstläufer sei.
Selbstverständlich bietet sich einer der Industrieschauspieler an, das schwierige Projekt (A) zu führen. Das leichte Projekt (B) dagegen bekommst Du.
Mit Beginn des Projektes wird man hinter Deinem Rücken auf Dir herumhacken und immer auf das schwierige Projekt verweisen, dass doch so gut läuft.
Wer jetzt meint, dass die anderen das doch merken müssten, liegt weit daneben, denn in solche Projekte vertiefen sich nur die, die es auch führen oder erfahren im Umgang damit sind.
Und so wird Dein Kollege plötzlich befördert, denn der weiß ja bestens wie man Projekte leitet und er will schließlich ja auch Dir helfen, zu lernen, Dich besser zu organisieren.
Schlagartig wird Dir bewusst werden, dass die andere Seite nun neben, unter und über Dir arbeitet. Spätestens jetzt begibst du Dich in Dein Schicksal und wirst einer von Ihnen. Du merkst dass daran, dass andere Dir plötzlich aufmerksam zuhören und dass Du von nun an sagen kannst was Du willst. –