@chilichote ich zitiere mal einen Text von einem anderen Opfer damit du kapierst warum ich "seelenruhig hier weiter wohne .. oder soll ich hausen sagen?
Zitat von der Website
http://www.treibjagd-deutschland.deDie Flucht
Ich zog zwei Straßen weiter. Auf die Schnelle war das die einzige Wohnung, die ich finden und mir vor allem leisten konnte. Ein Zimmer mit Minibalkon und einer Spüle von Anno Dazumal.
Um die Ereignisse eines halben Jahres zusammenzufassen: „zwei Straßen weiter“ reichte nicht, um irgendwen loszuwerden, schon gar nicht einen Pulk aufgebrachter Funker samt Freunden, die sich zu gnadenlosen Rächern des Antennenvolks berufen fühlten. Das Programm lief nach Schema F ab: anonyme Anrufe, nächtliches Türklingeln, außerhäusiger Begleitschutz durch böse blickende Herrn, Wohnung unter „Beschuss“. Wandernde warme Flecken, Schweißausbrüche, stechende Kopfschmerzen, Herzprobleme. Ich hatte seit zwei Jahren nicht mehr richtig schlafen können, man ließ mich auch hier nicht - eine beliebte Foltermethode nicht nur in Guantánomo Bay. Das Gesetz nennt es Körperverletzung.
Körperlich hatte ich nichts mehr zuzusetzen, mental versuchte ich verzweifelt, nicht den Verstand zu verlieren. Nach nur einem halben Jahr gab ich auf.
Ich lieh mir erneut Geld, ich zog erneut um, und diesmal richtig weit weg! Raus aus Berlin, rein ins Weserbergland. Hameln war mein Ziel, eine nette, mäßig große Stadt an der Weser. Hier war ich aufgewachsen, hierhin floh ich zurück, als nichts mehr ging. Drei Zimmer unter dem Dach in einem Haus, das man als gut bürgerlich bezeichnen möchte. Steintreppen, Reinigungsdienst, Genossenschaftseigentum. Zwei Rentner-Ehepaare Anfang/Mitte sechzig, zwei alte Damen, die anderen in etwa in meinem Alter. Freundliche, entgegenkommende Nachbarn, doch eigentlich wollte ich nur zufrieden gelassen werden. Ich verzichtete sogar auf ein Namensschild an der Tür und starrte jeden misstrauisch an, der mich allzu freundlich grüßte. Ein gebranntes Kind, das sich ins Schneckenhaus zurückzieht und unauffällig seiner Wege geht.
Von Berlin aus hatte ich mir schon eine neue Telefonnummer besorgt, eine, die ich nur hinter vorgehaltener Hand weiter gab - mündlich an Verwandte und Bekannte, schriftlich an Behörden. Ich ließ mich weder ins Telefonbuch eintragen noch erwähnte ich die Nummer in Telefongesprächen.
„Freu dich“, sagte Uwes Tantchen energisch. „Jetzt ist alles vorbei. In Hameln bist du in Sicherheit. Hameln ist nicht Berlin.“
War ich das? In Sicherheit? Tief in mir gab es zwar ein Fünkchen Hoffnung, aber es glomm nur. Eine Flamme wurde nicht daraus.
Eine Woche nach meinem Einzug nahm mich eine Nachbarin auf der Straße zur Seite, neigte mir ihr Ohr zu und wisperte: "Und jetzt erzählen Sie mir mal, warum Sie wirklich umgezogen sind." Ich murmelte die übliche Rechtfertigung von wegen Großstadtmüdigkeit, aber in diesem Moment erkannte ich, die Nachbarschaft wusste bereits Bescheid. Meine Geschichte war mir vorausgeeilt, doch angesichts der bleibenden Freundlichkeit der Nachbarn glomm das Fünkchen Hoffnung ein klein wenig stärker.
Doch nur wenige Tage lang. Ich telefonierte gerade, als plötzlich der Boden unter meinen Füßen merklich wärmer wurde und das bekannte Ganzkörperkribbeln einsetzte. Die Elektrosmogwolke hatte mich wieder, nur war ich diesmal ratlos, woher sie kam. Mir schien, als stünde die Energiequelle irgendwo unter mir, aber das konnte nicht sein. Eines der Rentner-Ehepaare wohnte dort, passionierte Kleingärtner, die sich zwar allzu lebhaft für alles interessierten, was mich betraf - „Wo wollen Sie hin?“ „Wo kommen Sie her?“ - mit Sicherheit aber keine Kriminellen waren, denen es Spaß machte, Leute zu quälen.
Das Spiel begann von neuem, doch diesmal musste ich durchhalten. Funker und ihre Freunde gibt es in ganz Deutschland, und wer ab und an einen Blick auf die Hausdächer wirft, wird erstaunt sein, wie engmaschig das Netz der Funkantennen ist, das unser Land überzieht. Womit ich keinesfalls alle Funkamateure oder CB-Funker zu Kriminellen abstempeln möchte, die nichts Sinnvolleres zu tun haben als ihre Nachbarn zu terrorisieren. In meinem Fall jedoch hatte irgendwer von Berlin aus ein gut funktionierendes Netzwerk aufgebaut, mir das Leben zur Hölle zu machen. Kein Einzelfall, wie ich später erfahren sollte.
Nachdem ich die ersten Nächte heulend wach gelegen und mit meiner Panik gekämpft hatte, stellte ich ein Fitnessprogramm auf die Beine. Ich gewöhnte mir an, mit dem Fahrrad eine Runde über die Dörfer zu drehen, um meine tiefschwarze Depression und meine Schlaflosigkeit in den Griff zu bekommen. Eins stand fest - diesmal würde ich mich nicht vertreiben lassen. Ich wählte die Vogelstraußmethode: Kopf in den Sand. Alles um dich herum ignorieren, niemandem gegenüber ein Sterbenswörtchen, viel Sport, Arbeit suchen, und ansonsten so tun, als hättest du ein Leben.
Eine Weile ging’s gut. Die Nachbarn blieben freundlich, ich fühlte mich zumindest in meinem Haus gut aufgehoben und willkommen. Als der Wasserzulauf meiner Waschmaschine zweimal kurz hintereinander undicht wurde (obgleich ich ihn von einem Fachmann hatte installieren lassen) dichtete ihn der nette Nachbar von unten ab und bot mir auch seine Hilfe in der Wohnung an, sollte ich sie jemals benötigen.
Nachts lag ich wach und grübelte darüber nach woher die Wolke kam. Doch von unten? Falsche Antwort! Warum sollten sich die Nachbarn dermaßen verstellen? Warum sollten sie mich auf der einen Seite herzlich willkommen heißen, auf der anderen Seite aber gnadenlos quälen? Wenn dem wirklich so wäre, dann gab es hierauf nur eine Antwort: das Quälen machte ihnen Spaß.
Nein, dachte ich entschieden. Bis hierher und nicht weiter. Deine Wahrnehmung täuscht dich und du leidest unter Verfolgungswahn. Denk an Uwes Tantchen: du lebst jetzt in Hameln und Hameln ist nicht Berlin. Wahrscheinlich bist du durch den Berlin-Horror einfach nur sensibilisiert für Elektrosmog, und das beste Mittel dagegen ist viel Bewegung in frischer Luft und positives Denken.
Diese Taktik funktionierte so einigermaßen, bis mir eine Wohnung im Wohnblock schräg gegenüber auffiel. Dort saß ein junger Mann - Halbprofil zu mir - stundenlang am Fenster und starrte auf etwas, das ich nicht sehen konnte. Auffällig war nicht der junge Mann an sich sondern, dass er sich ein paar Stunden später in einen anderen jungen Mann verwandelt hatte und noch ein paar Stunden später wiederum in einen anderen. So ging es tagsäber, so ging es auch nachts.
Da ich nicht annnahm, dass sich Al Qaida mittlerweile in Hameln niedergelassen hatte und mir gegenüber eine konspirative Wohnung betrieb, blieb nur die Assoziation zu den Schichtwechseln auf dem Berliner Dachboden. Damals war ich nachts manchmal auf den Balkon geschlichen und hatte zugesehen, wie die Kerle mitten in der Nacht nach ihrem " Dienst" aus dem Nachbareingang kamen und müde nach Hause trotteten.
Eines Nachts lugte ich schlaflos aus meinem Fenster. Dem jungen Mann gegenüber schien kalt geworden zu sein, er hatte sich in eine Decke gewickelt. Als ich das Licht anmachte, wickelte er sich hektisch aus seinen Umschlingungen, knipste die matte Funzel der Nachttischlampe aus und wetzte aus dem Zimmer.
Seltsame Reaktion, dachte ich vage, steckte meinen Kopf jedoch sofort wieder in den Sand. Vogel Strauß eben.
Ich radelte verbissen über die Dörfer, ignorierte die Autofahrer, die mich hupend überholten oder rufend aus dem Fenster hingen. Ein paar hatten ein CB im Nummernschild, was mir zu denken gab. CB-Funker? Ich versuchte meine Panik unter Kontrolle zu halten und murmelte zehn Mal pro Tag den Spruch von Uwes Tantchen vor mich hin: Hameln ist nicht Berlin.
Oder etwa doch?
Die anonymen Anrufe setzten etwa vier Wochen nach meinem Einzug ein. Das Muster war mir nur allzu bekannt: das Telefon klingelte, ich ging ran, der Anrufer meldete sich nicht, legte jedoch auch nicht auf. Bis auf einen. Dieser eine sprach, wenn auch ein wenig undeutlich, da er offenbar getrunken hatte.
„Sowas lassen wir Funker uns nich’ gefallen“, nuschelte er in den Hörer. „Das ham schon andere gemerkt. Ich hoffe, du hast nicht’s mehr vor in dein’m Leben.“
Nach den ersten zweihundert Anrufen kaufte ich mir ein Telefon mit Display und Anruferkennung und begann diejenigen zurückzurufen, die vergaßen, ihre Rufnummern unterdrücken zu lassen.
"Ich kenn' Sie doch gar nicht", stotterte der erste Angerufene panisch." Ganz bestimmt weiß ich nicht, wie meine Nummer auf Ihr Display kommt."
Nach dem dritten Rückruf hörten die anonymen Anrufe abrupt auf.
Toll, freute ich mich. Eins zu null für dich.
Dann saß ich eines Tages am Schreibtisch und starrte auf die autoleere Kreuzung unter mir. Ich hatte in den Giebelfenstern meiner Dachgeschosswohnung weder Gardinen noch Jalousien. Nach meinem lautlosen, versteckten Dasein in den Berliner Wohnungen wollte ich mich Hameln offen präsentieren. Ich hatte nichts zu verbergen, ich wollte am Leben teilnehmen. Direkt in die Fenster sehen konnte mir ohnehin niemand, auch der Wohnblock mit den wechselnden jungen Männern stand versetzt zu meinem. Vom Schreibtisch aus hatte ich einen tollen Blick über die kleine Siedlung hinweg, auf die geschwungenen Bergzüge des Wesergebirges. Abends bestaunte ich die herrlichen Sonnenuntergänge.
Doch an jenem Tag wurde mein Blick von jemandem auf sich gezogen, der unter mir winkend mitten auf der Kreuzung stand. Seltsamerweise winkte er mir zu. Ich schaute ihn mir genauer an und wäre um ein Haar vom Stuhl gefallen.
Es war der Elektriker aus Berlin, der mich eines Tages mit seiner Werkzeugtasche in der Hand auf der Straße vor dem Haus höhnisch grinsend gefragt hatte, wie er wohl am besten auf den Dachboden käme. Obgleich ich zwei schwere Einkaufstüten trug, versperrte er mir viel länger als nötig den Weg ins Haus, und in der Folgezeit begegnete er mir noch einmal, als er aus der Wohnung des Funkers kam, der zu dem Zeitpunkt längst umgezogen war. Was das Auftauchen dieses Mannes in Hameln für mich bedeutete, darüber mochte ich erst gar nicht nachdenken.
Mir schien, als sei er geradewegs aus unserem Haus gekommen, doch da täuschte ich mich sicherlich. Es konnte nur der Wohnblock gegenüber sein. In meinem Haus wohnten die Netten, die Bösewichter hatten sich, wenn überhaupt, gegenüber einquartiert.
Die Zeichen kommenden Ärgers mehrten sich, doch treu meinem Motto Augen zu und durch ignorierte ich sie, so gut es eben ging.
Da ich keinen Stress im eigenen Haus wollte, und die Nachbarn unter mir sofort ihren Fernseher lauter stellten, als ich meinen das erste Mal einschaltete, kaufte ich mir im Media Markt einen Funkkopfhörer und fiel, trotz guter Vorsätze, in mein altes Rollenverhalten zurück. Wieder bewegte ich mich mehr oder weniger lautlos in meiner Wohnung. Fernseher nur über Kopfhörer, kein Radio, die Nachbarn von unten „beschwerten“ sich nun mehrfach darüber, dass man mich gar nicht mehr höre. Ich bildete mir sogar ein, einmal weniger warme Füße zu bekommen und in einer Elektrosmogwolke abzutauchen, sobald ich wieder in der Lautlosigkeit versank.