Für immer ungeküsst?
Der Club der Unberührten
Jung-Sein bedeutet heute fast automatisch heiße Leidenschaft, wechselnde Beziehungen und zwangloser Sex. Doch es gibt viele Menschen, die nichts von all dem erlebt haben. Keine Schmetterlinge im Bauch, keinen Kuss, keine Umarmung, kein "Ich liebe Dich" und kein Händchenhalten. Nichts davon. Nur bleiernde Einsamkeit und die Sehnsucht nach einem Partner.
Der Film begleitet fünf Menschen, die in Liebesfragen wenig beziehungsweise völlig unerfahren sind - oder aber seit vielen Jahren als Single leben. Warum bleiben etliche Menschen ein Leben lang unberührt?
Liebesschüchterne Männer?
Wie kommt man mit 33 Jahren an eine erste Freundin? Klaus ist 33 Jahre alt und hatte noch keinen sexuellen Kontakt. Der Leidensdruck ist groß, wobei sich viele der "AB's" (Absolute Beginner) selbst im Weg stehen. Einmal in der Annahme, nicht gewollt oder kein "Beziehungstyp" zu sein, vergehen die Jahre ohne Partnerschaft und Zärtlichkeiten.
Auch Torsten, 29 Jahre alt, hat nur einmal in seinem Leben eine Nacht mit einer Frau verbracht. Er hat schon seit der Pubertät eine Scheu vor körperlicher und emotionaler Intimität. Einige Male hat er Zurückweisungen und Lügen erlebt, seitdem geht er Beziehungen lieber aus dem Weg.
Zwischen Angst und Sehnsucht
Mit ihrem langjährigen Singledasein wollen sich Menschen wie Heggi (65) und Norbert (47) nicht abfinden. Heggi war schon drei Mal verheiratet, das letzte Mal vor zwölf Jahren. Ihr damaliger Mann hatte sie betrogen. Die Spuren des Verrates haben sich tief in ihr Herz eingebrannt. Sie ist misstrauisch geworden. Aber auch die Erfahrungen in Singlebörsen und Partneragenturen haben ihren Teil dazu beigetragen, dass Heggi seit Jahren ohne Partner durchs Leben geht.
Norbert wiederum ist beruflich ein erfolgreicher und angesehener Mann, der als Fachreferent im Außendienst eines Pharmakonzerns täglich mit vielen Menschen in Kontakt kommt. Aber mit der Liebe hat es noch nie so richtig geklappt. Die einzige Beziehung, die er bislang in seiner Heimat hatte, verlief unglücklich und hat Norbert nachhaltig frustriert. Jetzt sucht er seine große Liebe im Ausland.
Wer wartet - der findet?
Maria ist mit 30 Jahren auch noch unberührt und möchte endlich eine Beziehung mit allem Drum und Dran. Und tatsächlich: Die Studentin hat während unserer Dreharbeiten eine Bekanntschaft gemacht, aus der etwas werden könnte.
Das Phänomen scheint aber nicht nur hässliche Menschen zu treffen:
Auch diese Frau, eigentlich gar nicht abstossend, hatte noch nie eine Beziehung!#
Sie machte ein Interview mit ZDFonline...
ZDFonline: Was denkst du über Beziehungen?
Maria: "Schön, wenn man es hat, kann anstrengend sein, ist wichtig, denke ich, gibt einem emotionalen Rückhalt, ist was Erstrebenswertes grundsätzlich. Nicht notwendig zum Glück des Lebens unbedingt, aber wichtig."
ZDFonline: Du hast gute Beziehungen zu Männern. Warum schaffst du diesen Sprung zu einer Bindung nicht?
Maria: Ich denke, es hat damit zu tun, dass ich mich selber gar nicht als Frau sehe. Ich tu mich auch schwer, den Mann als Mann, als sexuelles Wesen zu sehen. Für mich ist das grundsätzlich ein Mensch und ich selber bin ein Mensch. Wenn man diesen Blickwinkel hat, ist es schwer, die Sexualität mit reinzubringen. Attraktivität, Sexappeal, wie man es auch immer nennen will. Wenn man das im anderen nicht sieht, in sich selbst vor allem nicht sieht, tut man sich einfach auch schwer zu flirten. Flirten passt zu anderen, aber nicht zu mir, das kann ich nicht."
ZDFonline: Gab es Zeiten, wo du dich mal in Lügengespinste geflüchtet hast?
Maria: Ich habe sehr früh angefangen, mir so eine Geschichte zurechtzulegen über ein fiktives erstes Mal. Um mitreden zu können. Ich habe das auch sehr bedauernd in meinen Tagebüchern festgehalten, wenn irgendeine von meinen Freundinnen wieder ihr erstes Mal hatte und ich bin immer noch übergeblieben. Mal schauen, wen es als nächstes erwischt, mich ja sowieso nicht, so ungefähr. Ich schäme mich da ja auch dafür. Denn es muss ja irgendwo ein Makel sein. Vielleicht hab ich es ja verdient. Und das weiß nur ich, das darf kein anderer wissen. Deswegen habe ich angefangen zu lügen. Das habe ich jahrelang durchgezogen und auch immer wieder neue Geschichten erfunden. Mich wundert heute immer noch, warum sich eigentlich niemand aus meinem Freundeskreis gewundert hat, weil sie nie einen Mann zu Gesicht bekommen haben.
ZDFonline: Welche Erfahrungen hast du bis jetzt mit dem anderen Geschlecht gemacht?
Maria: Mit 14 bin ich zum ersten Mal geküsst worden und dann war jahrelang Sendepause. Diese Kurzbeziehung, ich sage mal, Fernbeziehung, die ging gerade mal über fünf Wochen, zwei Mal gesehen, also da von Beziehung zu sprechen ist eigentlich Quatsch. Dann ging es ein bisschen weiter, dass ich mal gekuschelt habe. Aber auch nie nackt. Das war es eigentlich im Großen und Ganzen.
ZDFonline: Wann hast du gemerkt, dass es sich bei dir anders entwickelt als bei deinen Freundinnen?
Maria: Wir waren eine ziemlich große Clique im Gymnasium und da war dann relativ bald die Situation, dass Freundinnen von irgendwelchen Knutschereien auf Partys erzählt haben. Das war bei mir nie der Fall. Erst so mit 17, 18 Jahren habe ich gemerkt, es funktioniert einfach nicht. Ich kann tun, was ich will! Ich finde niemanden. Ich bin unglücklich verliebt die ganze Zeit! Die Unzufriedenheit wächst, die Sehnsucht wächst, die Angst wächst, die Verzweiflung wächst. Aber das habe ich auf hervorragende Weise geschafft zu verdrängen, und ich glaube nicht, dass mein Umfeld mir da angemerkt hat, wie schlecht es mir eigentlich geht.
ZDFonline: Wie wurde in deinem Elternhaus mit dem Thema Sexualität umgegangen?
Maria: Sexualität war in meiner Familie ein Tabuthema. Das hat mit der Vergangenheit meiner Mutter zu tun. Sie hat einfach keinen sehr lockeren Umgang mit Sexualität. Ich kenne meine Mutter nur als Witwe. Ich glaube, es würde es schon treffen zu sagen, es war verklemmt. Das war ein Tabuthema, da wurde nicht drüber gesprochen. Auch über Gefühle, über die ganzen pubertären Gefühle, wurde nicht gesprochen. Aufklärung passierte nicht. Ich habe mit 16, 17 Jahren von meiner Mutter ein Buch zum Geburtstag geschenkt bekommen. Da war es schon zu spät. Da hat man über Freundinnen und Bravo, die Klassiker, schon mehr gewusst, als einem dieses Buch hätte beibringen können.
ZDFonline:Ist deine Mutter über dein Beziehungsleben informiert?
Maria: Ich denke, meine Mutter hat es schon mitbekommen, aber sie hat bis heute nie Fragen gestellt. Ich denke, sie weiß schon, dass ich bisher noch keine Beziehung hatte, denn sie würde erwarten, zu Recht auch, dass ich das dann sagen würde. Ich bin jetzt 30 Jahre alt. Ich habe aus meiner Verwandtschaft schon mal gehört: 'Na, wie schaut es denn aus? Wann willst du denn mal heiraten?' So was habe ich von meiner Mutter nie gehört! Sicher auch als Reaktion aus ihrer eigenen Erziehung. Sie ist erzogen worden: Männer und Frauen können nicht befreundet sein. Mit sehr viel Misstrauen. Also wenn sie mit einem Mann befreundet war, wurde da von ihrem Vater Böses unterstellt. Da muss was laufen, sie ist billig, sie gibt sich da für was her.
ZDFonline: Was passierte, als dein Körper fraulicher wurde?
Maria: Da hatte ich schon ein Problem damit, weil ich das nicht verstanden habe, nicht verstehen wollte, nicht akzeptieren wollte, das auch lange Zeit ignoriert habe. Ein BH war für mich eine Katastrophe! Mir eingestehen zu müssen, dass ich einen BH brauche, das war mir peinlich ohne Ende. Ich habe mich geschämt ohne Ende! Auch vor meiner Mutter. Das war total schlimm. Ich hatte da keine Verbindung dazu. Da passierte mit mir irgend so eine Veränderung, und jetzt guck, wie du damit zurechtkommst. Extrem ausgedrückt könnte man sagen: Es war eigentlich eine sehr körperfeindliche Atmosphäre Zuhause.
ZDFonline: Hast du dich manchmal verliebt?
Maria: Ich habe mich nur unglücklich verliebt. Denn glücklich verliebt kann man nur sein, wenn es erwidert wird. Aber es war immer einseitig, soweit ich weiß. Man leidet wie ein Hund. Vor allem weil ich gedacht hab: 'Ich hör dem doch zu, ich bin doch da, ich mach doch alles mit ihm. Ich würde alles für ihn tun und trotzdem will er mich nicht. Was muss ich denn sonst noch tun?' Man ist völlig hilflos. Und dieses Leid hilft einem irgendwo, sich als tragische Heldin zu inszenieren. In meinem Falle war das so, dass ich wenigstens mit denen befreundet war. Ich durfte wenigstens beste Freundin sein, da war ich zufrieden. Bevor ich gar nix bekommen hätte oder ignoriert worden wäre, da konnte ich doch damit zufrieden sein. Mit jemandem, der so hässlich und dick ist, will ja eigentlich auch keiner wirklich was anfangen, ist ja auch selbstverständlich. Aber wenigstens darf man Freundin sein. Ist doch schön!