Was ist Liebe wirklich?
29.06.2004 um 23:07
Wieso verliebt man sich?
Dies erscheint mir deswegen als eine Frage, weil Verliebtsein überaus anstrengend ist. Jede Art die existiert hat Mechanismen zur Arterhaltung und zur Artanpassung an Veränderungen. Mit Arterhaltung meine ich, daß jeweils genügend Individuuen existieren um eine Art zu begründen. Artanpassung geschieht bei den Menschen durch Sterben. Sterben von Individuen ist eine überaus nützliche Einrichtung für eine Art, um sich in ArtZeitRäumen gemächlich zu zu entwickeln. Würden wir Menschen nicht zu einer individuell sterblichen Art gehören, würde die Arterhaltung auch gar nicht so aufwendig sein. So aber benötigt die Arterhaltung sowohl Erhaltung der Einzelindividuen über einen gewissen Zeitraum (der Lebensspanne des Individuums) - dazu gehören aktive Individuumserhaltung (Nahrungsaufnahme) und passive Individuumserhaltung (Schutz - vor Feinden oder Wärmeverlust). Und dazu gehört Individuumserzeugung. Bei Menschen ist das durch zweigeschlechtliche Fortpflanzung realisiert. Könnt ja auch anders sein. Damit die Art erhalten werden kann wenn die Arterhaltung individuell läuft, muß in dem Einzelindividuum was liegen, was es dazu treibt, diese speziellen Funktionen zu erfüllen. Es ist ja nun nicht so, daß uns äußere Umstände dazu zwingen, vor Tigern wegzulaufen, zu essen oder Sex zu haben. Auch das könnte anders sein - es könnte eine äußere Arterhaltungserzwingungsinstanz geben, die z.B. regelmäßig menschliche Individuen fängt und ihnen was zu Essen reinzwingt und für die Ausführung der Paarung sorgt. Ist aber nicht so - das ist mir wichtig, auch wenn es offensichtlich ist - die Art hat die Mechanismen, die zu ihrer Erhaltung sorgen individualisiert und die Aktivierung dieser Mechanismen geschieht auch individuell.
Dieses war der erste Streich.
Wenn Menschen heranwachsen, lernen sie einiges. z.B. können sie lernen, an jemand der Mundgeruch hat, nicht näher als 60 cm ranzugehen. Einige Menschen lernen das. z.B. können einzelne Menschen lernen, um andere Menschen, die einen Hund haben einen großen Bogen zu machen. Sie können lernen, nur Menschen zu vertrauen, die Markenkleidung tragen, usw usf - ganz allgemein können Menschen Einstellungen lernen, die es ihnen geraten sein lassen um andere Menschen allgemein oder um Menschen des anderen Geschlechts einen großen Bogen zu machen. Mißtrauen, Verteidigungshaltung, Langeweile, Anspruchsdenken, ... all dies ist gelernt. Kurz und kanpp - hierzulande und dieserzeit lernen viele Menschen Verhaltensweisen und Einstellungen, die es ihnen erschweren oder geraten sein lassen, nicht allzu nah mit anderen Menschen zusammenzukommen.
Das ist natürlich ziemlich ungünstig für den Vermehrungsteil des individualisierten Arterhaltungsauftrags, so wie dieser bei uns realisiert ist.
Was passiert aber dann, wenn jemand verliebt ist? Plötzlich kreisen die Gedanken nur noch um das Objekt der Begierde. Es erscheint in den leuchtendsten Farben oder in rosarot, je nachdem, was man selbst präferriert. Dies gilt für Aussehen ebenso wie für Verhalten, Weltsicht, Stimme, Kleidung und sonstiges Umfeld. Es gibt noch verschiedene andere Techniken im verliebten Individuum, wie es Diskrepanzen zwischen seinen Präferenzen und den Tatsachen des Liebesobjekts ausräumt. Die oben erwähnte war "schöndenken". Des weiteren gibt es die Technik "VeränderungIllusionieren" - wenn es (das Liebesobjekt) mal mit mir zusammen ist, wird es seine Kinder nicht mehr schlagen, wenn wir beide mal ein Paar sind, kann ich ihm (dem Liebesobjekt) zeigen, wie man ganz einfach den Mundgeruch loswird - oder, noch verführerischer: Wenn es mal mit mir zusammen ist, wird es gar keinen Mundgeruch mehr haben, denn der Mundgeruch ist nur ein Ausdruck seiner Sehnsucht nach wahrer Liebe. Es gibt noch die Technik des Nivellierens "Ist ja nicht so schlimm" - wenn das Liebesobjekt eine Eigenschaft zeigt, die man selbst für gewöhnlich bei anderen Menschen ablehnt kann einem im Zustand höchsten Liebeswahns plötzlich die spirituelle Erkenntnis kommen, daß diese Eigenschaft, wie alle anderen nichts an der göttlichen Schönheit des Objekts ändert. Wenn all dies und verschiedene Spezialtechniken, die von besonders erfinderischen Verliebten ersonnen werden nichts hilft, gibt es zu guter Letzt noch die Möglichkeit auch gravierende Mißstände einfach zu übersehen. Es ist tatsächlich möglich, daß man im Zustand des Verliebtseins wirklich nicht mitkriegt, wenn das Liebesobjekt etwas tut, wogegen man eine starke Aversion hat, zum Beispiel wenn es Kinder haut.
Im Zustand des Verliebtseins erlebt man eine Sensation. Eine Sensation kostet viel Kraft. Nach meiner Eingangsannahme würde diese Kraft nicht investiert werden, wenn sie nicht nötig wäre. Nun kann ich keinen Grund erkennen, wieso es ursprünglich so kräftezehrend sein sollte, dem Fortpflanzungsauftrag nachzukommen. Bei den anderen Arten, die wir so beobachten können, läuft das ja auch ohne größeren Kraftaufwand ab (ich meine jetzt nicht den biologischen Akt, sondern die Vorbereitung darauf und die Annäherung dafür). Betrachten wir das aber unter dem Gesichtspunkt, daß die im Laufe des Lebens gelernten Eigenheiten, dem Arterhaltungsauftrag zuwiederlaufen, wird es plötzlich verständlich, wieso dieser, um noch zum Zuge zu kommen, ganz kräftig auftrumpfen muß - er versorgt uns mit Sensationen, die so verlockend sind, daß wir glauben, ihnen nicht wiederstehen zu können. Ohhh und ahhh und uiii. Dieses Liebesobjekt muß es sein. Man wußte ja gar nicht, daß man sooo eine Sehnsucht nach Paarverhalten hat. Man entdeckt ganz neue Aspekte in sich. Man findet plötzlich Hunde als Mitbewohner süß und Mundgeruch unwiderstehlich.
Viel Spaß