Zwangsdienst à la Glos
Das von Michael Glos (CSU) geführte Bundeswirtschaftsministerium will Hartz IV mit einer verschärften Zwangsarbeitskomponente weiterentwickeln. Für arbeitsfähige Bezieher von ArbeitslosengeldII soll eine Arbeits- oder Ausbildungspflicht von 39 Wochenstunden ohne Vergütung eingeführt werden. Das geht aus einem Gutachten des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) hervor, das im Auftrag des Ministeriums erstellt und am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Durch das »Workfare« genannte Programm könnten die öffentlichen Haushalte jährlich um rund 25 Milliarden Euro entlastet werden, heißt es in der Studie. So würden durch dieses Modell sowohl Ein-Euro-Jobs als auch öffentlich geförderte Beschäftigungsprogramme überflüssig werden.
Der Autor Hilmar Schneider sieht die »Motivierung« der Erwerbslosen als wichtigsten Hebel für die künftige Arbeitsmarktpolitik. Wer wisse, daß er seine Grundsicherung ohne Gegenleistung nicht mehr erhalten werde, wäre auch bereit, für einen Bruttolohn zu arbeiten, der auch bei Vollzeittätigkeit netto nicht über den Hartz-IV-Regelsätzen liegt. Wichtig sei dabei, alle Möglichkeiten, zusätzlich zum Regelsatz noch anrechnungsfreie Einkünfte zu erzielen, ersatzlos zu streichen, so Schneider. Es sei »ungerecht«, wenn man Erwerbslosen, deren »Marktpotential« bestenfalls bei Stundenlöhnen von vier bis fünf Euro liege, ermögliche, mit ALG II plus ein paar Stunden Zuverdienst ein Einkommen zu erzielen, für das regulär Beschäftigte mindestens sechs bis sieben Euro verdienen müßten.
Schneider hob auch die »präventive Wirkung« des Workfare-Programms hervor. Wer damit rechnen müsse, für seine Grundsicherung Vollzeit arbeiten zu müssen, sei »motivierter«, sich selbst einen Arbeitsplatz zu suchen, auch wenn dessen Entlohnung »unter den eigenen Wunschvorstellungen liegt«. Auch werde die Arbeitsverpflichtung dazu führen, daß Erwerbslose »schlicht keine Zeit mehr hätten«, ihr Budget durch regelmäßige Schwarzarbeit aufzubessern. Schneider forderte, auch die Sozialgesetze »zielgenauer« zu formulieren. Zur Zeit würden die Intentionen der Arbeitsmarktreformen von vielen Richtern in ihr Gegenteil verkehrt.
Der Direktor des IZA und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus F. Zimmermann, verwies auf die ordnungspolitische Komponente des Workfare-Konzeptes. Anstatt auf Sozialleistungen »immer mehr draufzusatteln« oder öffentlich geförderte Phantasielöhne zu offerieren, werde der Arbeitsmarkt durch »Aktivierungsstrategien« entzerrt. Auch werde durch eine Arbeitsverpflichtung eine »Hemmschwelle« errichtet, die viele Menschen, die nicht unbedingt darauf angewiesen seien, davon abhalten könnte, Anträge auf Grundsicherung zu stellen. Mittelfristig würde sich ein derartiges Programm zudem dämpfend auf das gesamte Lohnniveau auswirken, so Zimmermann.
Auch Walther Otremba, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsminsterium, zeigte sich begeistert von der Studie. Zwar sei man sich in seinem Haus bewußt, daß jegliche Form von »Zwang zur Arbeit gesellschaftlich umstritten ist«, doch es handele sich um den besten Weg, die Langzeiterwerbslosigkeit nachhaltig abzubauen. Auch wolle man mit dem Workfare-Konzept ein Gegengewicht zu den Forderungen nach gesetzlichen Mindestlöhnen schaffen. Denn diese, so Otremba, seien für jene Erwerbslose, die man mit dem Programm erreichen wolle, »auf dem Markt gar nicht zu erzielen«.
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