Mut zur Langeweile !
04.12.2006 um 21:25
Moin!
Schön paradoxe Überschrift - ganz intuitiv fiel mir folgendes dazu ein:
Es gibt nur selbstinduzierte Langeweile des Verstandes, also eine eigeredete.
Wer hingegen genau hinhört und die Ohren spitzt hat immer was zu lauschen, sogesehenwäre Langeweile ein Zeichen für Geister im Selbstgespräch. Wer hellwach und motiviert is,dem wird auch nich langweilig.
"Was will denn die gegenwärtige Zeit?", fragtSteiner seine Hörer. Und er antwortet: "Die gegenwärtige Zeit will fortwährend dieLangeweile vertreiben. Wohin rennen die Menschen nicht überall, um ja keine Langeweile zuhaben! Immerfort wollen sie sich amüsieren. Was heißt denn das, sich immerfort amüsierenwollen? Das heißt, vor dem Geist davonlaufen. Nichts anderes heißt das. Und unsere Zeitwill sich immerfort amüsieren. Ja, wo irgendetwas Geistiges sein könnte, da rennt unsereZeit immer gleich davon. Sie weiß es nicht, es geschieht unbewusst. Aber diesesSich-amüsieren-Wollen ist eben ein Vor-dem-Geiste-Davonlaufen."
Aber Steiner führtnicht nur aus, wie es um uns steht, sondern er entwickelt aus dieser Erkenntnis imgleichen Vortrag eine Weg-Weisung für seine Hörer, indem er ihnen nahelegt, der tiefenLangeweile in ihrem Leben bewusst Raum zu geben - also der Langeweile auch hin und wiedermal nicht entgegenzuhandeln durch Zeitvertreib: "Also einer, der Ihnen ehrlich sagt", soder Hinweis, "wie man in die geistige Welt hineinkommt, der muss Ihnen sagen: Sie müssenzuerst künstliche Langeweile in sich erzeugen können, sonst können Sie überhaupt nicht indie geistige Welt hineinkommen."
Wohlbemerkt, Steiner spricht hier nicht von"innerer Ruhe, Stille, Einkehr" oder ähnlichem, sondern von der Langeweile!
Ichsehe nicht, dass diese Möglichkeit, sich durch die Langeweile von der geistigen oderspirituellen Welt ansprechen zu lassen, irgendwo praktisch aufgegriffen worden ist. Eherschon werden anthroposophische Themen und Aktivitäten zur Vertreibung der Langeweilebenutzt, mithin um vor der Welt des Geistes auszureißen. Die alle naselang wiederholtenBemühungen, die Anthroposophie interessanter, spannender, "erlebnishafter" zupräsentieren deuten jedenfalls darauf hin.
Steiners Aufforderung in seinemVortrag, "künstliche Langeweile" in sich zu erzeugen, ist nun allerdings zugegebenermaßengar nicht so leicht nachvollziehbar. Die wirklich tiefe Langeweile - sie ist nochmeilenweit entfernt, wenn wir von einem Buch oder bei einer Unterhaltung über Politikgelangweilt werden - können wir natürlich nicht "erzeugen". Wir können sie nur wach seinlassen, also ihr nicht zuwiderhandeln, sobald sie über uns kommt und wir wissen: "es isteinem langweilig"! Wenn wir also nicht nur die Hingehaltenheit und Leergelassenheit zuspüren bekommen, wie sie bei der oberflächigen Langeweile auftreten...
Worum esmir in meinem Text erst einmal geht, ist die tiefe Langeweile als Zuspruch des Seins undAusgangspunkt für den Weg anzuzeigen.
Steiner selber hat ja (z.B. im Vortragvom 20.12.1914, GA 156, S.169ff.) immer wieder darauf hingewiesen, dass es das"Allerwichtigste" ist, sich in einer anderen Gestimmtheit auf die Welt in ihrer ganzenZwiefältigkeit von Sein und Seiendem einzulassen - jenseits des Begrifflichen, des nurVorstellungsmäßigen. Die in der Anthroposophie grassierende "einseitige Kopfstimmung" warihm bekanntlich ein Grauen.
Und da fühle ich mich sogar bestätigt, vonSteiner höchstpersönlich quasi. ;)
Oder um noch weiter zu gehen: Langeweile is nureine recht einseitige Kopfstimmung, wahrscheinlich genauso wie der Rest dieses Artikels;da kann man noch so lange schreiben. ;)
Weiter hab ich ihn dann nämlich nich gelesen- also falls ich was verpaßt hab verbessert mich ruhig wieder, mir wurde dieseBegriffsreiterei auf der Langeweile glücklicherweise von Kurzweiligerem erspart... 8)