@x-ray-2 Europäer haben häufig Schwierigkeiten, asiatische Gesichter voneinander zu unterscheiden. Das Problem: Der Mensch hat ein Standard-Gesicht aus seinem Kulturkreis im Hinterkopf.
Sehen alle Asiaten gleich aus? Natürlich nicht - und dennoch haben Durchschnitts-Europäer häufig Schwierigkeiten, asiatische Gesichter voneinander zu unterscheiden.
Anders herum ist es übrigens genauso - auch ein Chinese aus Peking empfindet „deutsche“ Gesichter, die wir als unterschiedlich empfinden, oft als gleichförmig.Woran das liegen könnte, hat Martin Giese von der Uniklinik Tübingen zusammen mit Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut in einer Studie zur Gesichtserkennung herausgefunden.
„Affen und Menschen nehmen Gesichter auf eine sehr ähnliche Weise wahr. Wir haben also zwei Affen dutzende Bilder mit computergenerierten Gesichtern gezeigt“, erzählt der 40jährige Giese. Bei der Präsentation von Gesichtern reagieren Nervenzellen – Neuronen - in einem bestimmten Hirn-Areal, indem sie elektrische Impulse abgeben. Was die Forscher feststellten: Bei einem durchschnittlichen, quasi langweiligen Gesicht ohne große Auffälligkeiten „feuerten“ die meisten Neuronen nur mäßig. Je markanter jedoch die Abweichungen vom Durchschnittsgesicht, desto mehr elektrische Impulse gab es. „Karikaturen von Gesichtern führen bei vielen Zellen zu den stärksten Reaktionen“, sagt Giese.
Seine Hypothese: Das Gehirn hat ein Mittelwertsgesicht gespeichert. Jedes neue Gesicht, das wir sehen, führt zu einer Neuberechnung des Mittelwerts. Wer viele europäische Gesichter sieht, hätte folglich ein europäisch geprägtes Mittelwertsgesicht. „Das Entscheidende ist nun: Obwohl ein europäisches Gesicht möglicherweise nur schwache elektrische Impulse im Hirn verursacht, zeigen diese viele verschiedenartige Abweichungen vom Mittelwertsgesicht an, die wir nutzen können, um Gesichter zu unterscheiden.“ Asiaten dagegen sieht der Durchschnittseuropäer weniger häufig. Das bedeutet: Obwohl die Neuronen bei mandelförmigen Augen - wegen der größeren Abweichungen vom Mittelwertsgesicht - möglicherweise stärker feuern, hat diese Abweichung immer eine sehr ähnliche Form. Das Gehirn stellt daher fest „Mandelaugen“, kann aber verschiedene Personen nicht gut unterscheiden. Wer jedoch länger in Asien lebt, würde mit der Zeit ein asiatisches Mittelwertsgesicht entwickeln - so dass er dann auch die dortigen Gesichter gut unterscheiden kann. Gieses Forschungsergebnisse wurden jüngst bei „Nature Online“ publiziert.
In einer weiteren Studie, die in „Current Biology“ nachzulesen ist, geht es um Gieses eigentliches Steckenpferd: Das Erkennen von Körperbewegungen, nicht von Gesichtern. „Mit verbundenen Augen haben wir mehreren Personen eine schwierige Bewegung beigebracht - die man üblicherweise mit den Armen nicht ohne weiteres ausführen kann“, erzählt Giese. „Dann haben wir getestet, wie gut die Versuchspersonen diese Bewegungen - ausgeführt von anderen Personen – erkennen können.“ Obwohl die Versuchspersonen die Bewegung nie vorher gesehen hatten, konnten sie sie nach dem Training besser erkennen.
Der Tübinger Forscher interpretiert die Resultate als Hinweis darauf, dass Menschen visuell wahrgenommene Bewegungen mit ihren eigenen motorischen Bewegungsprogrammen vergleichen. Giese: „Das erklärt, warum Ballettlehrer kleinste Bewegungsunterschiede bei ihren Schülern erkennen können - besser als ein Ballettfan, der noch nie selbst Ballett gemacht hat.“
http://www.welt.de/wissenschaft/article150106/Nicht_alle_Asiaten_sehen_gleich_aus.html