Psychisch kranke Menschen
30.08.2005 um 19:24
@Expirement:
"was war das mit Neuapostolische Kirche? was ist passiert?
durch den falschen glauben ein bedrückendes gefühl oder wie???"
Anscheinend hast Du mit dieser Sekte noch keine Erfahrung gemacht. Ist auch besser. Die Neuapostolische Kirche, gegründet Mitte des 19. Jahrhunderts durch einen englischen "Propheten", ist eine sogenannte Endzeitkirche oder auch eine Adventistensekte, wenn man so will.
Es wird dort gepredigt, dass man sein Leben nach den Gesetzen Gottes leben soll. Dass diese "Gesetze" von Menschen erdacht oder durch Uminterpretation geeigneter Bibelstellen formuliert wurden, sollte klar sein. Ist ja bei den anderen Religionen nicht anders.
Die Besonderheit der Neuapostolischen Kirche liegt nun darin, dass der Tag des jüngsten Gerichts unmittelbar bevorsteht; dass man Tag und Nacht bereit dafür sein muss, dass der liebe Herr Jesus in der Tür steht, und man von ihm zum "lieben" Gott gebracht wird, der dann über Dich richtet. Wie gesagt - man wird halt so dermaßen indoktriniert: "Lebe, um Gott zu Gefallen, dann schickt er Dich nicht in die Hölle!" und "Es kann jeden Moment soweit sein."
In den (wenn ich's richtig im Kopf habe) 50er-Jahren hat der amtierende Stammapostel (das neuapostolische Äquivalent zum Papst) mehrmals ein Weltuntergangsdatum veröffentlicht, immer wenige Monate oder Jahre in der (damaligen) Zukunft. Nachdem das erste Datum überschritten war, hieß es: "Der Herr Jesus hat sich's gerade nochmal überlegt. Ihr kriegt noch mal ein kleines Ultimatum." Lustigerweise war das danach jedes Mal, wenn mal wieder ein Weltuntergang ausblieb, die Begründung. Nachdem dieser Stammapostel gestorben war und Kritik immer lauter wurde, war die Antwort der Kirchenoberen: "Tja, öh..., das muss man alles mehr symbolisch sehen."
Also ungefähr so glaubwürdig, wie die katholische Kirche im finsteren Mittelalter.
So, nun aber zum eigentlichen Thema, und somit zum Grund dafür, dass es wohl für keine Glaubensgemeinschaft mehr Selbsthilfegruppen für Aussteiger gibt, als für die NAK (Neuapostolische Kirche). Allerdings betrifft die extreme psychische Konditionierung und Gehirnwäsche meist nur Menschen, die in eine neuapostolische Familie hinein geboren wurden. (Wie ich.)
Stell dir vor, du gehst (bzw. wirst "gegangen") die ersten fünfzehn Jahre deines Lebens JEDEN Sonntag ZWEI MAL in die Kirche - jeden verdammten Sonntag - und es wird auf Dich eingeredet: "Fernsehen, Disco, Radio, Kino, Kirmes, etc = Teufel und somit = Du kommst in die Hölle, und zwar nicht erst in achtzig Jahren, sondern höchstwahrscheinlich schon morgen. Vielleicht sogar noch heute!"
Was glaubst Du, wie das auf ein Kind, bzw. einen Heranwachsenden wirkt, der keine Möglichkeit hat, etwas Alternatives kennenzulernen. Für den es ABSOLUT SELBSTVERSTÄNDLICH ist, dass Jesus jeden Moment in der Tür stehen könnte.
Ganz einfach: Du lebst ständig, jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde in der Angst, dass das jüngste Gericht beginnt, und du irgendeinen Fehler begangen hast, so dass du nicht in den Himmel kommst. Deine Familie schon, aber nicht du.
Und nun erzähle ich euch etwas, was jeder, der in einer neuapostolischen Familie aufgewachsen ist, kennt. Es ist mir sehr, sehr oft so gegangen: Wenn ich als Kind allein zuhause war, und meine Eltern nicht zum verabredeten Zeitpunkt wiederkamen, war ich mir sicher, dass der Herr Jesus gekommen war, meine Familie mit in den Himmel genommen hatte, aber ich auf der Erde zurückgeblieben war, um den Weltuntergang, das jüngste Gericht und danach die Hölle zu erleben. ALS KIND! Ich hatte jedesmal Panikanfälle.
So, ich denke, ich hab jetzt damit kurz ;) umrissen, wie eine - als harmlos angesehene - Religionsgemeinschaft dein Leben versauen kann.
Was noch dazu kommt ist, dass dir von der Kirche alle Entscheidungen abgenommen werden: "Du sollst nicht denken, das erledigen wir schon für dich!" Genauso läuft das da ab. Im übrigen werden Gemeindemitglieder von den Amtsträgern in ihren Predigten stets als "Schafe" bezeichnet.
Zu dem Psychodruck und den Hausbesuchen(!), die man bekommt, wenn man versucht, die Kirche zu verlassen, komme ich beim nächsten Mal.
Ein Paradoxon entsteht, wenn eine frühreife Erkenntnis mit dem Unsinn ihrer Zeit zusammenprallt.