Magersucht
27.03.2011 um 14:42
Okay, poste ich das natürlich hier:
Hallo liebe Gemeinde,
ich habe ein Problem. Bessergesagt jemand Anderes hat das Problem und ich weiß seit dem nicht wirklich wie ich damit umgehen soll. Und nun hoffe ich, hier ein paar gute Ratschläge und/oder lehrreiche Erfahrungen Anderer zu finden.
Vor etwa 4 Monaten kam raus, dass meine Schwägerin Magersucht hat. Gedacht haben wir uns das schon eine Weile (zuerst viel abgenommen, was allgemein beglückwunscht wurde ob dieser Leistung bis sie dann wirklich krank aussah, also eingefallene Wangen, Augen tief in den Höhlen, schlechte Haut, kaputte Hände und auch sehr extreme Stimmungsschwankungen) und als sie das Problem auch gesehen hat, hat sie sich in Therapie begeben usw. Soweit sogut erstmal.
Aber nun scheint mir, beginnt erst wirklich die wirklich schwere Zeit. Es ist nun weniger die Ernährung, sie sieht mittlerweile wieder gesund und auch ziemlich attraktiv aus, aber man merkt dass die psychischen Probleme die der Auslöser waren, nun erst wirklich hervortreten.
Ich Liste das mal auf:
1. Sie redet ständig übers Essen.
Das Problem daran ist, das ich persönlich doch recht gut koche, öfter auch mal einlade und mit Freunden zB. Rezepte tausche und Ratschläge gebe (und eben bei Smalltalk ein beliebtes, unverfängliches Thema bei mir). Ich essen auch gerne, weiß aber wann es zuviel war und wann danach paar Sporteinheiten mehr gefragt sind, damit die Klamotten weiterhin passen. Bei ihr hingegen, läuft da im Kopf irgendwas total schief und ich persönlich kann ich da keinen kausalen Zusammenhang finden. Zum Beispiel isst sie an einem Tag mit, ich lass sie mitkochen, damit sie sieht das alles frisch, gesund und nicht zu mächtig ist, und alles ist gut. An einem anderen Tag, isst sie einen halben Apfel, wird dann ganz still, steigert sich zuerst in eine Selbsthass-Triade wie fett sie doch ist usw., bekommt dann einen Zusammenbruch und heult nur noch und beginnt danach wahllos Leute zu beschuldigen als ob sie Streit sucht. Wegen einem halben Apfel. Ich traue mich mittlerweile kaum noch mit ihr darüber zu reden und habe ab und an auch förmlich Angst sie einzuladen, weil ich eben diese Ausbrüche schon fürchte (denn auch wenn Gäste da sind passierte das schon) und ich will ihr solche Stresssituationen ersparen. Aber andererseits ist das auch beschissen, weil ich sie nicht sozial Isolieren will wie einen Aussätzigen. Was soll ich tun? Momentan versuche ich das Thema immer zu umschiffen, aber da kommt sie ständig drauf zurück.
2. Die extremen Stimmungsschwankungen.
Und die machen mir mittlerweile Angst. Ich persönlich kann noch recht gut mit ihr umgehen und mich mehr oder minder normal mit ihr unterhalten, aber zB. sobald die Familie "unter sich ist" (ich seh mich da ja immernoch ein wenig als Ausstehender), wirds ziemlich hässlich. Wenn sie friedlich gelaunt ist, ist sie betont überdreht und nett. Aber als ich mich mal unter vier Augen mit ihr unterhalten hab, hat sie auch zugegeben, dass das alles nur Fassade ist, weil sie keine Lust auf Stress hat. Die Situation (sie wohnt momentan wieder bei den Eltern, weil die auch das Essen sozusagen überwachen) ist nun wirklich furchtbar angespannt. Denn man merkt auch den Eltern an, dass sie nicht so richtig damit umgehen können und die das total fertig macht. Sie schiebt nun viele Ursachen auf Fehler in der Erziehung, verteilt ordentlich Vorwürfe und wird dabei wirklich richtig böse, als wollte sie die anderen absichtlich damit verletzen. Und das reibt langsam alle auf. Es gab da schon richtige Eskalationen, bei denen Möbel zerschlagen wurden (!!) und das bei Menschen, die ich als sehr rational, bedacht, intelligent und vernünftig kennengelernt habe, was mich so nur um so mehr schockierte. Man steht wirklich daneben und fühlt sich wie im falschen Film und es echt übel sich da so hilflos zu fühlen, weil mans sich nicht wirklich erklären kann. Klar ist gerade in der Familie klärungsbedarf, dass da Sachen aus der Vergangenheit aufgearbeitet werden müssen, aber so extrem und auf solche Art und Weise dass das nur noch zu Streit führt... da ist Zusammenleben nahezu unmöglich.
3. Egotripp und Realitätsflucht.
Und meiner Ansicht nach, lebt sie da gerade Komplexe aus. So schlecht wie sie sich früher mit ein wenig Übergewicht gefühlt hat, destomehr werden nun demonstrativ Männer angeflirtet, denen den Kopf verdreht und dann fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Das besondere Problem daran ist, dass wir momentan auch beruflich fast jeden Tag Kontakt haben und man merkt, wie es dort zu Unmut kommt und sie danach jedes Wort von anderen auf die Goldwaage legt und sich damit dann beschäftigt. Auch wird nun exessiv Party betrieben, da man ja nun endlich in die engsten und modischsten Klamotten reinpasst. Manchmal ist es, als ob sich das Universum dann nur noch um sie zu drehen hat. Und wenn man sie zumindest ganz ganz sachte versucht darauf anzusprechen, dass das ganze doch recht selbstzerstörrerisch ist, wird sofort geblockt oder kleingeredet. Aber ihr richtig den Kopf zu waschen, traut man sich natürlich auch nicht, weil man a) einen Wutausbruch oder b) einen Depressionsanfall befürchtet.
Das sind jetzt natürlich nur die Extrembeispiele der letzten Monate und sie ist nicht immer so. Aber als ob man merkt, das irgendwo in ihr drin etwas ist, das man nicht erreicht und das an wichtigen Hebeln sitzt. Man hat einfach das Gefühl, das in gewissen Situationen es im Gehirn totale Fehlzündungen gibt, die einfach absolut irrational für einen selbst sind. Und damit umzugehen, bzw die Unfähigkeit damit umzugehen belastet einen doch sehr schwer.
Sorry wenn es so lang geworden ist, ich wollte mich nur wirklich klar und nachvollziehbar ausdrücken. Und schon mal danke an alle die es bis hierhin geschafft haben