@Thalassa Thalassa schrieb:Kommt oder käme?
Wenn ich so drüber nachlese, lässt sich m.E. eigentlich beides sagen.
Bei "käme" bräuchte es dann eigentlich noch (wenn auch nur gedanklich) ein "aber" oder "wenn nicht...".
"Kommt" dagegen gibt einfach nur Feststellung, ohne das von der Satzkonstruktion her noch etwas folgen müsste. Was allerdings nicht bedeutet, dass auch in der Praxis noch was folgen müsste.
;)Aber um darauf hinauszukommen, worauf du hinaus willst, wäre es wohl eher "käme".
@Lebewesen Lebewesen schrieb:Verstand ist nichts anderes, als Dinge, die wir von Angeburt an gelernt haben.
Die Realität die uns anerzogen wurde. Unsere Glaubenssätze und Gewohnheiten.
Nein. Das ist erst die zweite Ebene. Der Verstand selbst ist erst einmal nur das, womit wir unser Handeln (sowohl vergangenes als auch zukünftiges) bewusst oder auch unbewusst reflektieren.
Lebewesen schrieb:Wieso mal nicht über den Tellerand schauen und anderes kennenlernen? Den Verstand mal abschalten und tun, was einem das Bauchgefühl sagt?
Und da stellt sich eben die Frage: Wieso?
Niemand würde auf die absurde Idee kommen, einen Biber dazu aufzufordern, mal über den Tellerrand zu schauen und keinen Damm zu bauen.
Den Verstand abzuschalten, heißt, seine wahre Natur zu verleugnen. Denn die hat dem Menschen nunmal den Verstand mitgegeben.
Mal abgesehen davon, dass man m.E. nicht wirklich von "Verstand abschalten" sprechen kann. Denn selbst dieses "Verstand abschalten" ist eine Verstandesentscheidung, eine simple (größtenteils intuitive (= der Verstand arbeitet schneller, als man es mitkriegt)) Nutzenentscheidung - bspw. Nutzen aus schnellem Sex vs. Nutzen aus Treue.
Das bleibt es selbst unter Alkoholeinfluss, wo lediglich aufgrund der Betäubung des Gehirns der kurzfristige Nutzen aufgrund seiner akut deutlicheren Präsenz gegenüber dem langfristigen Nutzen in den Vordergrund gerückt wird.
Aber letztlich sind das alles Verstandesentscheidungen.
Man hat die Triebe in einer bestimmten Situation reflektiert und dann dem Nachgehen dieser Triebe einen höheren Nutzen zugesprochen als man es im Nachhinein getan hätte. Sprich: Man stellt hinterher fest, dass es das nicht wert war, bspw. eben weil man in einer Partnerschaft ist.
Die ganze Geschichte mit "den (natürlichen) Trieben folgen" etc. pp. ist m.E. nichts weiter als eine Selbstverarsche, mit dem man sein schlechtes Gewissen aufgrund tatsächlicher (oder auch nur gedanklicher) Handlungen beruhigen möchte.
Nehmen wir mal dein Beispiel:
Du bist fremdgegangen, hast es aber hinterher bereut, sprich: In der späteren Reflektion kamst du zu dem Schluss, dass dir die langfristige Beziehung mehr wert ist als der kurzfristige Spaß.
Jetzt kommt das Problem: Wie rechtfertigt man es sich selbst gegenüber. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten:
Erstens: Man gesteht sich ein, dass man eine durch und durch mittels des Verstandes getroffene Fehleinschätzung begangen hat. Das würde aber bedeutet, dass man an seinem eigenen Verstand zweifelt.
Zweitens: Man zieht eine Trennlinie: Da der Verstand, auf der anderen Seite die Triebe. Sagt man "ich habe den Trieben nachgegeben", stellt man es für sich so hin, als hätten die Triebe über den Verstand gewonnen. Das mag kein Ruhmesblatt für den Verstand sein, aber immernoch besser als Zweifel am eigenen Verstand aufkommen zu lassen.
Letzteres ist am einfachsten. Es ist eine Ausrede.
Verstärkt noch dadurch, indem man seine Triebe als natürlich, den Verstand aber als unnatürlich bezeichnet.
Dadurch hat man bei seinem (nach eigenen, persönlichen Empfinden) Fehlverhalten ja nur getan, weil man nicht anders konnte. Dadurch, dass man das so strikt trennt, schiebt man zumindest einen Teil der Schuld von sich (dem Verstand) auf den Körper (die Triebe).
Man stellt sich sich selbst gegenüber schlicht und ergreifend als Opfer dar.
Du bist jetzt beim nächsten Schritt. Die Ausrede hat nicht gereicht, um dein schlechtes Gewissen zu beruhigen. Es reicht nicht, dir einzureden, dass du zumindest teilweise nichts für dein schlechtes Verhalten konntest, du versuchst es jetzt so hinzudrehen als wäre es eigentlich nicht falsch.
Du bemühst dich also, deine persönlichen Moralvorstellungen so zu verändern, dass dein Verhalten rückwirkend doch nicht schlecht war.
Das wird wiederum durch die Aufteilung in natürlich vs. unnatürlich vereinfacht.
Was wiederum falsch ist. Denn der Verstand wurde vom Menschen durch die Natur mitgeben, ist also natürlich. Damit kann aber die Selbstreflektion nicht unnatürlich sein, genausowenig wie die Einteilung von Handlungen in richtig und falsch, sprich: die Moral.
Was mir noch einfällt:
Eine Beziehung tut uns gut, weil der Körper dabei Hormone ausschüttet.
Sex tut uns gut, weil der Körper dabei Hormone ausschüttet.
Es sind also letztlich beides Triebe. Insofern ist diese Gegenüberstellung der Vernunftentscheidung (Treue zum Partner) und der Triebentscheidung (Fremdgehen) schon von sich aus falsch.
Lebewesen schrieb:Du schätzt ab, ob sie als Sexpartnerin in Frage kommt.
Und von da an hast du ein Bedürfnis, die Frau gerne näher kennenzulernen.
Herausfinden, ob sie deinem Wünschen entspricht...
Oder nicht?
Hm... ne, nicht wirklich.
Ich schätze ab, ob sie oberflächlich als Sexpartnerin in Frage kommt (bzw. für
@Thalassa käme
;) ).
Dann kommt erst einmal die Frage, ob ich überhaupt das Bedürfnis nach einer (ohne Beziehung) bzw. einer anderen (in einer Beziehung) Sexpartnerin habe.
Dann kommt das Bedürfnis, sie näher kennenzulernen und herauszufinden, ob sie tatsächlich meinen Wünschen entspricht (schreibst du ja auch selber).
Und DANN erst, wenn die vorhergehenden drei Punkte bestätigt sind, kommt das konkrete Bedürfnis nach Sex mit dieser Person.
Fazit (weil es doch ein größerer Block geworden ist):
Verstand = natürlich (damit auch Moralvorstellungen natürlich), ergo: Gegensatz "Verstand vs. Triebe" als "Unnatürlich vs Natürlich" nicht vorhanden*; lediglich verstandesmäßige Nutzenabwägung, allerdings situationsbedingt, daher später anderes Abwägungsergebnis möglich, Resultat: Reue; bei fehlender Akzeptanz dessen: Versuche, sich herauszureden (=Selbstbetrug).
*Verstand bei Mensch genauso (un-)natürlkich wie Damm bei Biber, Schneckenhaus bei Einsiedlerkrebs, glänzende Sachen bei Elster etc. pp.