Wie beurteilen Sie den konkreten Fall?
Das ist ein klassisches Beispiel für Alltagsrassismus und damit leider ein Stück Normalität. Es gab von 2002 bis 2012 eine Studie der Universität Bielefeld, die über 10 Jahre den Alltagsrassismus in Deutschland erforscht hat. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass es einen stabilen Kern von Ressentiments in Teilen der Bevölkerung gibt. Das bekommen die Menschen, die zur Mehrheit der Gesellschaft gehören oft nicht mit. Aber die Opfer bemerken es. Es gibt Fälle von Alltagsrassismus, bei denen man unterstellen darf, dass die Aussagen so böse gemeint sind, wie sie gesprochen werden. Und es gibt andere Beispiele, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie nur unbedacht in den Raum geworfen wurden, also ohne darüber nachzudenken, was es bedeutet, was es für Folgen hat. Die Wirkung auf das Opfer ist aber in beiden Fällen gleich.
Ist diese Form des Rassismus gegen Schwarze in Deutschland heutzutage nicht weitgehend zurück gedrängt?
Davon sind wir noch weit entfernt. Es ist eine Frage der Wahrnehmung. Ich habe selbst viele Schwarze im Bekanntenkreis, und die erleben den alltäglichen Rassismus immer wieder. Also: die Vertreter schwacher Gruppen haben die Wahrnehmung, aber die Deutungshoheit haben die Vertreter starker Gruppen. Deswegen taucht dieses Thema bei denen gar nicht auf. Die empathische Wahrnehmung aus der Opferperspektive ist in Deutschland leider nicht sehr ausgeprägt. Das wäre Aufgabe von Schule und Erziehung. Es ist durchaus zu lernen, da gibt es viele Ansätze und Konzepte, aber dieses Lernziel ist selten im Curriculum festgeschrieben und kommt damit sehr oft viel zu kurz.
Wo konkret finden sich Beispiele für Rassismus gegen Schwarze? Sind Klischees, die viele im Kopf haben schon Rassismus?
Da muss ich zurück fragen: Wo sind die Orte, wo wir keine Klischees und damit verbundenen Rassismus haben? Die meisten, die man fragt, erzählen von einzelnen Episoden, die sie erlebt haben. Es kann an der Supermarktkasse genauso passieren wie im Hermes-Shop oder im Fußballstadion. Und zu den Klischees: Nehmen wir das Beispiel „Schwarze können super tanzen und kraftvoll singen“. Das ist meistens eher weniger böse gemeint. Hier spricht man auch vom positivem Rassismus, der aber trotzdem Rassismus bleibt. Hier geht es darum, dass der einzelne Schwarze keine Chance hat, sich von diesem Klischee zu lösen.
http://www1.wdr.de/studio/dortmund/themadestages/studiodortmundthemadestagesrassismusimalltag100.htmles ist ein Beispiel für das, wovon ich so oft hier im Forum schon sprach und das immer schön klein geredet wird. Alltagsrassismus? Nee, also das habe ich aber noch nie bemerkt, meine Güte, da muss der Betroffene eben drüber stehen, jeder wird mal blöd behandelt, aber das ist doch nicht rassistisch blabla. Rassismus ist da, er passiert, immer wieder, überall, sogar im Hermesshop um die Ecke.....