Andante schrieb:Das Gutachten spielte nicht die wichtige Rolle, wie sie von manchen dargestellt wird.
Das weißt Du aber auch nur aus dritter Hand, wenn ich Dich richtig verstanden habe, hast Du das Urteil auch nicht gelesen. Also trifft das:
Andante schrieb:Da bilden sich User halt ihre Meinungen nur über das, was ihnen Leute darüber sagen, was angeblich im Urteil drinsteht.
in gleicher Weise auch auf Dich zu. - Du bildest Dir eine Meinung über das, was Leute darüber sagen. Ich übrigens auch. Also sind wir auf die allgemein zugänglichen Quellen angewiesen, auf Berichterstattung und die Meinung einzelner Eingeweihter mit mehr oder weniger guter Expertise, ein Urteil sachlich oder fachlich einzuschätzen.
Mir geht es nicht um diesen Fall, sondern generell um das Problem der Quellen. Unsere Strafprozessordnung hat da eigentlich einen ganz einfachen Ansatz: Die Hauptverhandlung in Strafsachen ist öffentlich. Und es gilt der Mündlichkeitsgrundsatz, alles, was für das Verfahren und die Urteilsfindung wichtig ist, ist mündlich zu erörtern. Öffentlichkeits- und Mündlichkeitsgrundsatz dienen der Kontrolle der richterlichen Gewalt durch die geneigte Öffentlichkeit.
Die ist nicht nur auf das unmittelbar anwesende Publikum beschränkt, sondern wird über die Medien, die sog. Vierte Gewalt, in eine weitaus größere Öffentlichkeit transportiert. Nun kann man darüber sinnieren, wie das die Medien machen, mit welcher Qualität und mit welchen Schwerpunkten und mit welchem Personal. Immer wieder wird dann von Fachleuten (=Juristen) gerügt, dass die Gerichtsreporter zumeist keine Juristen seien und nicht wirklich verstünden, was da abgeht. Aber das ist Quatsch. Zum einen war das 1890 oder 1920 schon nicht anders. Zum anderen muss sich ein Gericht eben auch so erklären können, dass die fachfremde Öffentlichkeit eine Vorstellung davon bekommt, was passiert und warum so entschieden wird.
Hier im Forum ist die Berichterstattung in den Medien zumeist die Hauptquelle, wenn es keine öffentlich verfügbaren Originalunterlagen (dazu zählt auch das Urteil) gibt. Zumeist bildet sich Ottonormaluser damit seine Meinung, aber auch der Jurist sucht nicht immer gleich das Urteil. Insofern ist es völlig normal und nicht zu beanstanden, wenn die Meinungsbildung - schuldig oder unschuldig - nicht auf Grundlage der schriftlichen Begründung erfolgt, denn die ist für den BGH, nicht für's Volk.
Natürlich sollte - darum geht es Dir vermutlich im Kern - immer im Hinterkopf sein, dass man ohne das Urteil, ohne die Eindrücke aus der Hauptverhandlung und ohne die entsprechenden Dokumente, nie ein fundiertes Verständnis von einer solchen Entscheidung treffen kann. Das ist natürlich richtig. Deshalb entscheidet auch der Richter und nicht die große BILD-Umfrage. Die öffentliche Meinung spiegelt das, aber eben nach anderen Kriterien. Das ist so gewollt. Die Meinung jedes einzelnen ist deshalb nicht minderwertig, sondern der Blick von außen, derer, in deren Namen das Urteil gesprochen wird. Und nicht zuletzt werden Juristen dadurch auch gezwungen, sich verständlich zu machen und zu erklären und nicht eine Geheimwissenschaft zu betreiben.