Mord und Totschlag
Wenn die Kripo im Dunkeln tappt
Mord und Totschlag: Seit der Wende bis zum Jahr 2012 sind 127 derartige Fälle im Nordosten ungeklärt. Woran hapert es bei den Ermittlungen?
Keine oder nur sehr geringe oder nicht verwertbare Spuren – das sind immer wieder Gründe für ungeklärte Mordfälle. Aber auch wenn Zeugen fehlen oder eine Täter-Opfer-Beziehung nicht feststellbar ist, so das Innenministerium in Schwerin, tappen die Ermittler im Dunkeln. „Auch sind in dem einen oder anderen Fall für die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen nicht ausreichend, um Anklage zu erheben“, sagte auf Nachfrage des Nordkuriers ein Sprecher des Ressorts von Lorenz Caffier (CDU). Und so blieben von 1990 bis einschließlich 2012 genau 127 Tötungsdelikte in Mecklenburg-Vorpommern ungeklärt – darunter fallen Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen.
Konkrete Einzelheiten wollte das Ministerium aber nicht nennen. „Anhand derartiger Angaben wäre eine Identifizierung von Einzelsachverhalten möglich, die zu einer Gefährdung noch nicht abgeschlossener Ermittlungen führen könnte“, hieß es. Aber die Öffentlichkeit könne sicher sein: Gerade bei ungeklärten Tötungsdelikten würden die Ermittlungen immer wieder aufgegriffen und bei neuen Erkenntnissen oder auch neuen technischen Möglichkeiten weiter verfolgt. Im Archiv unserer Zeitung finden sich dennoch einige Beispiele für Mord und Totschlag in Mecklenburg-Vorpommern, die bis heute nicht aufgeklärt werden konnten:
Rostock 1992, Anja Lutter
Sie besuchte das Rostocker Abendgymnasium. Am 24. November 1992 war der Unterricht gegen 20.15 Uhr vorbei. Die junge, selbstbewusste Frau musste nach Dummerstorf, wo sie bei den Eltern wohnte. Sie wollte die 15 Kilometer bis nach Hause trampen, obwohl Freunde und Verwandte immer wieder eindringlich gewarnt hatten.
Zeugen gaben damals an, sie habe an einem hellen Trabant 601 gestanden und sich mit dem Fahrer unterhalten. Von da an verlor sich die Spur des Mädchens. Vier Monate später, am 23. März 1993, fanden Arbeiter in einem Wassergraben in der Conventer Niederung bei Börgerende den Körper der Frau, die von hinten mit einem Messer erstochen worden war.
Stralsund 1992, Simone Kohrs
Am 9. Januar 1992 wurde die Schwesternschülerin Simone Kohrs aus Katzenow bei Stralsund Opfer eines brutalen Tötungsverbrechens. Als die 17-Jährige mit dem Bus in die Stadt wollte, wurde sie an der Bushaltestelle vor ihrem Elternhaus entführt, mit Äther betäubt und ermordet.Malchin 1994, Susann Jahrsetz
Auf einem Hof im Malchiner Neubauviertel Am Zachow spielte Susann Jahrsetz am 12. August 1994 mit zwei gleichaltrigen Jungen Tischtennis. Als es regnet, laufen die Kinder durch den Keller ins Haus. Das zehnjährige Mädchen war seitdem verschwunden. Erst zwei Jahre später wurde die Leiche in einem Kontrollschacht auf einem Acker gefunden.
Neustrelitz 1993, Anne Stefan
Die 21-jährige Anne Stefan aus Dresden wollte allein mit dem Fahrrad in mehreren Etappen von Oranienburg an die Ostseeküste fahren. Die junge Frau wollte dabei über ihre Beziehung zu ihrem Freund nachdenken. Am zweiten Tag – dem Tattag – fuhr die Krankenschwester vom Campingplatz Bikowsee bei Rheinsberg über Wesenberg und Neustrelitz in Richtung Burg Stargard.
„Die Frau verschwand am 20. Juli 1993 bei Blankensee“, sagt Madeleine Camin, Sprecherin des Polizeipräsidiums Neubrandenburg. Entdeckt wurden die skelettierten Überreste von Anne Stefan erst am 19. März 1994 in einem Waldgebiet zwischen Blankensee und Godenswege.
Greifswald 2006, Sandra Reissig
Die alleinerziehende Mutter jobbte in einer Tankstelle nahe des Greifswalder Einkaufscenters Elisenpark. Am 27. April 2006 verschwindet die Frau aus dem Verkaufsraum der Tankstelle. Am Tag darauf wurde die Mutter erstochen und mit KO-Tropfen im Magen im Greifswalder Ryck gefunden.
http://www.nordkurier.de/mecklenburg-vorpommern/wenn-die-kripo-im-dunkeln-tappt-064876202.html (Archiv-Version vom 15.02.2014)