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Blei macht dumm und kriminell

51 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Gedankenkontrolle, Kriminalität, Blei ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Blei macht dumm und kriminell

07.01.2013 um 00:27
@no_charge

Die Frage ist ja eher wieviel Effekt das Blei im Boden hat. Es duerfte jedoch deutlich weniger sein im Vergleich mit der direkten Verbleiung durch Abgase.
Zitat von no_chargeno_charge schrieb:Wie oben bereits beschrieben, hat das Blei bei Kindern Auswirkungen auf die Intelligenz.
Intelligenz im Gesamtsinn, nicht nur bezogen auf z.B. gut in Mathe, sprich auch emotionale Intelligenz und andere Faktoren. Wie im Artikel beschrieben aehneln diese Eigenschaften der Profilbeschreibung eines Gewalttaeters.
In other words, as Reyes summarized the evidence in her paper, even moderately high levels of lead exposure are associated with aggressivity, impulsivity, ADHD, and lower IQ. And right there, you've practically defined the profile of a violent young offender.
Zitat von no_chargeno_charge schrieb:1. Frage: nimmst Du nun an, dass hauptsächlich diese dann im Erwachsenenalter die Verbrechen begehen?
Jain, es wuerde nur heissen dass bei gleichen Voraussetzungen die Bleibelastung den entscheidenden Unterschied ausmachen koennte, ob jemand kriminell wird oder nicht.
Und selbst wenn ein kausaler Zusammenhang besteht heisst das nicht, dass es keine anderen Faktoren gibt, die Kriminalitaet beguenstigen.
Zitat von no_chargeno_charge schrieb:2. Wäre nicht eine Diskussion über die beobachtbare Abnahme der Intelligenz von Kinder bereits kurz nach Einführung des Benzinzusatzes sinnvoller, als eine Verbindung mit der Zunahme der Kriminalität 20 Jahre später herstellen zu wollen?
Natuerlich, wobei das irgendwo genauso schwierig ist. Im Grunde muss man jetzt durchgehen und eine moegliche Variable nach der anderen anschauen, die diese Korrelation erklaert.
Zitat von no_chargeno_charge schrieb:Wie willst du von abnormalen Verhalten von Versuchstieren durch eine Bleivergiftung auf eine erhöhte Kriminalität beim Menschen schließen?
Garnicht. Es geht erstmal nur darum zu zeigen, dass das Verhalten sich veraendert und wie sich Blei in jungen Jahren auf Lebewesen auswirkt. Primaten waeren hierfuer ganz gut, da kann man auch das Sozialverhalten studieren und Veraenderungen beobachten.

Es fuehrt wohl kein Weg drumherum solange nach alternativen Erklaerungen fuer diese Korrelation zu suchen bis man entweder eine bestaetigen kann oder bis man alle anderen Variabeln ausgeschlosen hat.


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Blei macht dumm und kriminell

07.01.2013 um 01:08
Größte Schwachsinn den ich je lesen musste. Du kannst sicherlich alles was Du gerne möchtest mit irgendwas vergleichen und eine ähnliche Kurve feststellen. Man muss nur lange genug suchen, dann findet man das auch ;)

In meinen Augen völliger Unsinn. Es gibt sicherlich auch sinnigere Dinge, über die man sich Gedanken machen muss, als über den Bleigehalt in Benzin und den damit zusammenhängenden Anstieg der Kriminalitätsrate.


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Blei macht dumm und kriminell

07.01.2013 um 13:39
Zitat von McNealMcNeal schrieb:@Cesair
Ich werte das mal als spam.
@McNeal
der gesamte Threat ist Spam und gehört bestenfallszu Verschwörungstheorien, wobei das selbst für ne gute Verschwörungstheorie zu banal ist.


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Blei macht dumm und kriminell

08.01.2013 um 04:54
Also bisher ist die Hypothese dass Bleibelastung mit spaeterer Kriminalitaet zusammenhaengt noch nicht vom Tisch. Ich hab mal ein wenig durch diverse Paper geschaut und die nehmen die Ergebnisse schon ernst. Natuerlich wird ueber die genaue Auswirkung des Effekts gestritten, ist ja schliesslich noch nicht vollstaendig untersucht. Auf der anderen Seite muesste man sich schon ganz schoen weit aus dem Fenster lehnen um den Einfluss von Bleibelastung vollstaendig zu ignorieren.

In einer Arbeit im Journal NeuroToxiology wird speziell der Effekt untersucht, den Bleigehalt im Blut auf diverse Hirnfunktionen und IQ hat. Vorherige Untersuchungen bezogen sich meistens auf sehr hohen Bleianteil > 10 μg/dL. In dieser Arbeit wurde genauer auf die niedrigeren Belastungszahlen hin untersucht und es zeigt sich, dass Kinder mit 5-10 μg/dL schlechter abschneiden als Kinder mit 1-2 μg/dL.
In summary, we found that blood lead levels of 5–10 μg/dL in school-age children are associated with deficits in intelligence, visual–spatial skills, executive function, and IQ-adjusted academic achievement. These findings thus contribute to the accumulating evidence that we have yet to identify a threshold for lead-induced cognitive dysfunction in children, and that 10 μg/dL is a level without biological significance.
aus http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2276844/ (Archiv-Version vom 17.01.2021)

Und diese Arbeit sagt sogar, dass man selbst ab 3μg/dL einen Effekt feststellen kann:
http://www.rachel.org/files/document/Intellectual_Impairment_in_Children_with_Blood.pdf
[Neurodevelopmental effects of postnatal lead exposure at very low levels]

Nevin ist nun, 5 Jahre nach seiner 2007er Arbeit, immer noch davon ueberzeugt dass Blei und Kriminalitaet zusammenhaengt:
Preschool lead exposure trends continue to predict global crime trends and USA trends in education attainment, mental retardation, and teenage pregnancy. Evidence from temporal analyses and other lead toxicity research suggest a causal relationship between lead exposure and important societal trends.
aus http://mpra.ub.uni-muenchen.de/36569/1/Nevin_Lead_Poisoning_and_The_Bell_Curve.pdf

Ein anderer Artikel rechnet die Kosten/Nutzen aus Nevins Arbeiten (und kommt auf $181 bis $269 Milliarden Ersparnis) wenn man diverse Massnahmen ergreift Kinder vor Bleibelastung zu schuetzen.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2717145/ (Archiv-Version vom 14.07.2015)

Ein aktueller Artikel im American Psychologist greift die Erkenntnisse auf und scheint das auch nicht fuer komplett abwegig zu halten:
Abnormal levels of lead even below 10 μg/dL predict academic and cognitive problems in children, including lower Verbal IQ, Wechsler Individual Achievement Test scores, reading and math scores, attention, and working memory, even when age, race, socioeconomic status, and mothers' IQ are statistically controlled (Surkan et al., 2007). Other studies show that lead exposure is associated with an increased lifetime burden of special education, attention deficit disorder, crime, and even homicide (Gould, 2009; Nevin, 2007; Stretesky & Lynch, 2004).
aus http://psycnet.apa.org/journals/amp/67/4/257.html

Eine Arbeit widerspricht, wenn auch nur vorsichtig:
Our bottom line assessment on all these hypotheses [hier bezogen auf Blei erklaert Schwankungen in Mordrate] is therefore as follows: each may contain an element of truth, and nothing we have done proves they are false. Any claim that these hypotheses explain large components of the fluctuations in crime, however, does not seem consistent with the aggregate data.
aus http://www.nber.org/chapters/c11845.pdf

Hier noch eine Arbeit die u.a. dazu aufruft etwas gegen die Bleibelastung zu unternehmen und geht auch auf den moeglichen Link zwischen Bleibelastung und Kriminalitaet ein.
There is an urgent need for public health policies to prevent lead poisoning so as to reduce individual and societal damages and losses. In this paper we describe unsuspected sources of contaminant lead, discuss the economic losses and urban violence possibly associated with lead contamination and review the molecular basis of lead-induced neurotoxicity, emphasizing its effects on the social behavior, delinquency and IQ of children and adolescents.
In this context, it is tempting to state that there is a high probability that many young delinquents are actually victims of lead poisoning and not necessarily genetic or social criminals.
aus http://www.scielosp.org/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S1020-49892009000900011

---------------------------

Ich habe bisher keine Arbeit gefunden die den Einfluss von Bleibelastung auf Kriminalitaet komplett wegerklaert oder komplett in Frage stellt. Neurologisch scheint schon einigermassen klar zu sein dass sich Bleibelastung negativ auf IQ und Verhalten auswirkt. Das Erklaerungsmodell waere dann ja so:
Bleibelastung -> IQ/Verhalten -> hoeheres Risiko kriminell zu werden.

Klingt so doch erstmal nicht voellig unplausibel.


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Blei macht dumm und kriminell

08.01.2013 um 06:11
@McNeal
Zitat von McNealMcNeal schrieb:dass sich Bleibelastung negativ auf IQ und Verhalten auswirkt
Ich halte es für viel wahrscheinlicher, dass ungebildete Menschen (in den Studien Kinder) in Umständen leben, in denen sie häufiger mit Blei in Berührung kommen. Ich denke da insbesondere an günstige Wohngebiete mit hoher Luftverschmutzung durch Abgase, rauchende Eltern und Eltern mit Jobs in der Industrie.
Wikipedia: Bleivergiftung#Quellen und Aufnahme von Blei


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08.01.2013 um 06:23
Zum Zusammenhang von IQ und sozialer Schicht: Wikipedia: Intelligenz#Soziale Schicht
Wikipedia: Intelligenz#Kritik am Intelligenzkonzept der differentiellen Psychologie


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08.01.2013 um 06:47
Ich wette die Projektile für die gängigen Waffen "auf der Straße" sind meist aus Blei wogegen die Projektiele der Armee aus Stahl sind. :)


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08.01.2013 um 08:13
@gibraltar

Das spielt sicherlich eine Rolle und macht die Untersuchungen auch schwerer. Allerdings wurde da drauf geachtet in der 1. Studie (vermutlich auch in den anderen, das schau ich spaeter mal nach).
Adjusting for covariates (age, race, socioeconomic status, and primary caregiver IQ), children with 5-10 μg/dL had 5.0 (s.d. 2.3) points lower IQ scores compared to children with blood lead levels of 1-2 μg/dL (p=0.03).
und noch genauer im Abschnitt Statistical Analyses
We used a common set of covariates in the analyses performed on the different cognitive outcomes. Using WISC III Full-Scale IQ as our primary outcome, we evaluated bivariate associations, with linear regression or analysis of variance, between thirteen sociodemographic variables and IQ: site (Boston or Maine), age, gender, race (non-Hispanic White, non-Hispanic Black, Hispanic, other), primary caregiver education (< high school, high school, college+), socioeconomic status (calculated using the method of Green 1970), marital status of the primary caregiver, birth order, birth weight, parenting stress, maternal utilization of annual health care, maternal utilization of prenatal care, and primary caregiver IQ. ...
aus http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2276844/

So als Zusatzinformation hier nochmal:
Der Grenzwert fuer eine Bleivergiftung bei Kindern wurde von 10 µg/dl auf 5 µg/dl runtergesetzt von der amerikanischen Seuchenkontrolle. Wenn man das in Bezug setzt zu den gemessenen Bleiwerten gibt das ein ganz schoen duesteres Bild. Da gingen die Werte mal eben auf 20-25 µg/dl hoch.

@Primpfmümpf
Vermutlich nicht, wer will schon schlaue Soldaten? ;)


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Blei macht dumm und kriminell

08.01.2013 um 08:29
@Primpfmümpf
Wette verloren :-P Gehört zwar nicht zum Thema aber egal welcher Munitionstyp ob militärisch oder nicht bestehen die eigentlich so gut wie immer aus Metalllegierungen soll heißen eine Mischung von Eisen und NE-Metallen... Reine Blei oder "Stahl" Projektile gab es sicherlich früher mal aber moderne Projektile werden wenn über haupt aus einer Blei-Zinn-Legierung Hergestellt z.Bsp viele Diabolos. Wenn dann wird eher umgedreht ein Schuh daraus beim Millitär gibt es da solch lustige Sachen wie mit Uran oder Wolfram angereicherter Muni wo Jahrelang drüber geschwiegen wurde und die Leute garnicht wussten womit sie da rumballern. Und sich heute wundern warum der Körper vom Krebs zerfressen ist.


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Blei macht dumm und kriminell

08.01.2013 um 16:37
@amtraxx

Krebskranke Leute kann man nicht so erwünscht kontrollieren wie agressive.


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Blei macht dumm und kriminell

08.01.2013 um 16:38
Zitat von PrimpfmümpfPrimpfmümpf schrieb:Krebskranke Leute kann man nicht so erwünscht kontrollieren wie agressive.
Meine krebskranke Mutter ziehe ich durchdrehenden Fußball-Hooligans aber vor.


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Blei macht dumm und kriminell

08.01.2013 um 18:07
@McNeal

Du hattest mich ja gebeten, hier meine Meinung abzugeben. Das tu ich jetzt mal, ohne Rücksicht auf Verluste ;)

Zunächst einmal: es ist zumindest denkbar, dass Blei als Umweltgift einen starken Einfluss auf die Entwicklung der Bevölkerung haben kann; allerdings gibt es bei der vorliegenden Untersuchung einiges, was mich doch sehr stutzig werden lässt und mir Anlass gibt, an den hier vorgestellten Ergebnissen zu zweifeln.

1. Der Text spricht davon, dass bis zu 90% der Varianz der Kriminalität durch die Variable "Blei" erklärt werden kann; das klingt zwar gut, ist aber ein Argument gegen die Gültigkeit der These. Warum? Ein R² von 0.90 ist ein echter Traumwert, und zwar in dem Sinn, dass man mit realen Messungen solche Werte in der Regel nur im Traum sieht. In echten Werten gibt es i.d.r. viel mehr Streuung; wenn man solche hohen Werte für R² sieht, ist das meist ein Hinweis auf ein hingepfuschtes Modell oder ein Multikollinearitätsproblem (was das ist, braucht man nicht wissen, aber es ist nicht gut ;) ).
Dazu würde auch passen, das man, um die Kurven zusammenzubacken, relativ willkürlich eine Lag von 23 Jahren eingeführt hat. Warum nicht 14, 18 oder 21 Jahre? Oder 25? 14 oder 18/21 würden Sinn machen, da das der Punkt wäre, wo "Bleikinder" strafmündig/volljährig usw würden. Ausgerechnet 23 Jahre, ohne sachlogische Begründung, klingt arg danach, dass man die Daten unbedingt der These anpassen wollte.

2. Was mich an den Kurven noch stört: Es gibt wohl keine Daten über "Violent crime" vor 1960, wobei diese aber seh interesant wären, um einen eventuellen längerfristigen Trend festzustellen; so kann man nur spekulieren, ob die Erhöhung der Gewalttaten im fraglichen Zeitraum evtl. ein einmaliger Ausreißer waren, und ihr Absinken eine Normalisierung darstellt.

3. Zu den Kurven: es fehlt auch jegliche Kontrolle für historische Ereignisse, z.b. den Vietnamkrieg usw. Es wäre zumindest denkbar, dass der Anstieg durch traumatisierte Veteranen bestimmt ist nur so als Gedanke. Außerdem: erstaunlicherweise fällt der Beginn des starken Rückgangs mit dem Ende der Sowjetunion zusammen -> die Angst vor einem Atomkrieg könnte auch ein Auslöser für verstärkte Gewaltbereitschaft gewesen sein.

4. Die Messung von "Blei" ist auch nicht das Gelbe vom Ei; für die Kurven wird nur die Neuemission durch verbleites Benzin verwendet; dies stellt aber nicht die gesamte Menge an Blei in der Umwelt dar; wenn man die bereits vorhandene Bleimenge mit berücksichtigt, sieht das Bild dramatisch anders aus, v.a. verschwindet der Zusammenhang mit der Kriminalität vollständig.

5. Grundsätzlich stellt sich auch die Frage, warum Blei nur die Gewaltbereitschaft fördern soll, nicht jedoch andere Arten von Kriminalität. Auch wäre es interessant, z.b. das Auftreten von bestimmten Geburtsdefekten usw. gegen das ausgebrachte Blei aufzutragen, um die Ergebnisse zu bestätigen.

6. Auf die ganze Sache mit IQ, Kriminalität und Blei gehe ich nicht weiter ein; es sei gesagt, dass dieses ganze Themenfeld ein Wust von Anahmen und Messproblemen ist, bei dem man SEHR genau aufpassen muss, was man macht, und selbst im günstigsten Fall nur qualitative Ergebnisse erwarten kann, aber keinesfalls Werte bis in Nachkommastellen interpretieren sollte. Die im Artikel genannten Ergebnisse sind zwar plakativ, aber schlicht nicht stichhaltig.

7. Gleiches gilt für die optisch sehr schönen Karten im Artikel; alleine durch die Unterteilung in Viertel/Blöcke und die Schachtelung der Messbereiche ergeben sich dermaßen viele Probleme, dass man die Messungen zunächst nur als Indiz, keinesfalls aber als Beweis auffassen kann. Bei Bedarf gern mehr dazu, ist sehr interessant, und teilweise auch konterintuitiv. Stichworte: Gerrymandering, Simpson-Paradox

8. Der internationale Vergleich wird zwar angesprochen, jedoch nicht näher erläutert. Hier wäre insbesondere interessant, ob die Lag-Zeit von 23 Jahren international ebenfalls gilt; wenn dies nicht der Fall ist, wäre dies ein weiterer Hinweis darauf, dass hier Data-Dredging vorliegt, also Konstruktion von Zusammenhängen, wo keine sind.

Abschließende noch: Mir sind ähnliche Untersuchungen bekannt, die einen Zusammenhang zwischen Abtreibung und Kriminalität konstruieren, fachlich aber unhaltbar sind. Ebenso gibt es Untersuchungen, die (auf der selben Basis!) belegen, dass Schusswaffen die Kriminalitätstrate sowohl senke als auch erhöhen; durch geschickte Variablenwahl und Modellauswahl konnte man hier den Datensatz in seiner Bedeutung komplett umdrehen.

Im vorliegenden Fall sieht es für mich so aus, als hätte man es bei der Analyse etwas zu gut gemeint und einen kausalen Zusammenhang gebastelt, wo zufällig eine Korrelation war; ich habe mir aber die Originalpaper von Nevin gezogen und werde in den nächsten Tagen noch etwas ausführlicher dazu schreiben, wenn ich die Zeit finde; für Fragen bin ich natrülich auch in der Zwischenzeit ansprechbar.


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Blei macht dumm und kriminell

08.01.2013 um 18:39
@McNeal

Um nochmal kurz den wichtigsten Punkt anzusprechen, der oben ein bisschen untergegangen ist:

Der Wert für Blei in der zentralen Rechnung des ganzen Modells ist NICHT die Bleibelastung der Umwelt, sondern die Menge an Blei, die die Benzinraffinerien verbraucht haben. Da das Blei sehr lange in der Umwelt verbleibt, stimmt also v.a. der Rückgang des Bleikonsums ab 1972 nicht mit dem Rückgang der Bleibelastung i.d. Umwelt überein. Außerdem müsste der Anstieg bis 1972 viel steiler, der Rückgang dafür viel flacher sein. Damit fällt meiner Meinung nach die ganze Aussage der Untersuchung in sich zusammen.


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Blei macht dumm und kriminell

08.01.2013 um 20:37
@Rho-ny-theta
Zitat von Rho-ny-thetaRho-ny-theta schrieb:Der Wert für Blei in der zentralen Rechnung des ganzen Modells ist NICHT die Bleibelastung der Umwelt, sondern die Menge an Blei, die die Benzinraffinerien verbraucht haben. Da das Blei sehr lange in der Umwelt verbleibt, stimmt also v.a. der Rückgang des Bleikonsums ab
Im 2007er Paper nimmt er nur die Blutwerte im Vorschulalter.

Die 90% sind sicherlich uebertrieben, so hatte ich den Artikel auch nicht wirklich wahrgenommen. Bei der Komplexitaet des Themas und verschiedener moeglicher Gruende fuer Kriminalitaet, die vermutlich alle miteinander wechselwirken, sind 90% natuerlich uebertrieben. Aber 10-20% halte ich jetzt nicht fuer unmoeglich gegeben dass die neurologischen Studien nicht voelliger Mist sind.
Was mir halt wirklich zu denken gibt ist die Herabsetzung des Levels ab wann die Bleibelastung zu hoch ist auf 5 µg/dl und der Durchschnittsbelastungswert damals deutlich hoeher war. Ich glaub Blei in Benzin, Wasserleitungen und Farbe zu stecken war so ziemlich das duemmste was man machen konnte.

Zu 2,3,5,7 stimm ich dir zu. Auch wie bereits erwaehnt glaube ich nicht dass sich die gesamte Kriminalstatistik von nur einer einzigen Variable abhaengt. Dementsprechend muessen die Korrelation entsprechend vorsichtig interpretiert werden und man sollte wie du sagst u.a. historische Ereignisse miteinbeziehen etc.

4. Wie meinst du das? Er vergleicht doch immer die Preschool Blutwerte. Und wie genau soll der Zusammenhang vollstaendig verschwinden?

6. Hier kommt es wie gesagt auf die Qualitaet der neurologischen Untersuchungen an. Ich wuerde mal behaupten dass es zumindest fuer die Qualitaet spricht, dass die amerikanische Seuchenkontrolle den Grenzwert entsprechend runtergesetzt hat.

Zu 8.: Die internationalen Statistiken sind genauer beschrieben im 2007er Paper und er setzt die 23 Jahre dort auch an. Wobei verschiedene Arten von Kriminalitaet jeweils mit unterschiedlicher Verschiebung betrachtet ('Index Crime Rate' 19 Jahre, Burglary 18 Jahre, Robbery + Violent&Sexual Assault 23 Jahre)
Nations with comparable crime indexes all show index crime rates tracking preschool blood lead trends with a 19 year lag, despite divergent crime trends.
Zur Begruengung der 23 Jahre hab ich nur das hier gefunden:
Nevin (2000) found that 1941–1975 gasoline lead use explained 90% of the 1964–1998 variation in USA violent crime, where the 23-year lag is consistent with neurobehavioral effects of lead exposure in infancy and the typical age of violent offenders.



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08.01.2013 um 20:43
@Rho-ny-theta

Und meinste du mit Multikollinearitätsproblem dass verschiedene Variabeln teilweise in die gleiche Richtung wirken bzw. in dieselben Unterraeume?


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08.01.2013 um 20:49
@McNeal

Bei 4. hatte ich mich auf die Grafik mit Blei/Violent Crime bezogen, nicht auf die Blutuntersuchungen. Denn die Grafik ist ja der Aufhänger ("Kuck, Zusammenhang, sieht man doch!") und als solche eben verfälschend, wenn man nur das von Raffinerien verbrauchte Blei berücksichtigt.

Zu den einzelnen Papern werde ich mich noch äußern, die habe ich noch nicht durch. Das waren jetzt spontan erstmal die Probleme, die mir bereits bei Durchsicht des MotherJones-Artikels aufgefallen sind.

Wegen 6./ dem IQ: Grenzwerte runtersetzen ist sicherlich nie verkehrt, allerdings ist der Zusammenhang Bildung/IQ/Kriminalität/Armut/Umweltgifte/Drogen statistisch dermaßen kompliziert, dass die hier verwendeten Regressionsmodelle dem mit Sicherheit nicht gerecht werden; hier wäre mindestens ein Instrumentenvariablenmodell, besser noch ein mehrstufiges Strukturgleichungsmodell angebracht, wenn man belastbare Aussagen treffen will.

Multikollinearität ( Wikipedia: Multikollinearität ) ist ein Problem bei Regressionsanalysen; sie tritt gerne auf, wenn man sehr wenige Beobachtungen, aber viele Variablen hat. Vereinfacht gesagt führt die Multikollinearität dazu, dass das Regressionsmodell INSGESAMT weiterhin gute Ergebnisse liefert, aber die einzelnen Regressionskoeffizienten keine sinnvolle Interpretation mehr zulassen (im Prinzip sind alle Einzelkoeffizienten massiv verzerrt, aber so, dass sich die Verzerrungeng gegenseitig ausgleichen. Das ganze Modell ist weiter ganz okay, aber es wäre tödlich, zb. nur einen Koeffizienten herauszunehmen und ihn zu interpretieren). Ein typisches Zeichen für Multikollinearität ist ein R² nahe 1. Dun dun duuuuuun.


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08.01.2013 um 21:04
@McNeal

Ich habe mal schnell ein Beispiel gebaut, dass Multikollinearität bildhaft darstellt:

a7cafd Multikollinearitaet

Im zweiten Modell wird X immer noch ein korrektes F[X] zugeordnet, aber einzelne Koeffizienten haben z.b. ein falsches Vorzeichen; alle Koeffizienten sind zahlenmäßig zu groß.


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08.01.2013 um 21:11
das heißt, wenn ein hochintelligenter mathematiker blei zu sich nimmt, kann er nichtmehr mathematik betreiben?


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08.01.2013 um 21:12
@toxic90

Nein, dann ist er vermutlich einfach tot. Es geht ja um Bleibelastung bei Embryonen und Kleinkindern, die zu langfristigen Mängeln bei der geistigen Entwicklung führen soll. Kann sehr gut sein, wir diskutieren hier im Moment eigentlich nur noch darum, wie hoch der Effekt ist.


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08.01.2013 um 21:14
@Rho-ny-theta

Ist halt das uebliche Problem bei solchen Artikeln, wo der Wissenschaftsjournalist hier und da halt Fehler macht.

Zu 6. Aber du haelst den Zusammen Blei im Blut -> IQ/Verhalten nicht fuer voellig abwegig oder?
Zitat von Rho-ny-thetaRho-ny-theta schrieb: sie tritt gerne auf, wenn man sehr wenige Beobachtungen, aber viele Variablen hat.
Aber hier hast du doch viele Beobachtungen und nur 2 Variabeln. Wie will man denn da overfitten?

Danke fuer das Bild, nur da hast du doch nur einen Datenpunkt und 3 Variabeln. Mir ist schon klar dass die least-squares Techniken gerne mal nonsense liefern, speziell wenn der Raum in dem man fitted falsch gewaehlt wurde oder der Zusammenhang nicht linear ist bzw. dem Model komplett widerspricht.


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