Der Teilthread ist ja ausgelagert worden; es gab da schon eine vorangegangene Diskussion. Ich fasse noch mal die Gründe zusammen, die zum Aussterben des Neandertalers (NT) und dem Triumph des homo sapiens (HS) geführt haben.
(1) Ausbreitung
Der Lebensraum der NT war soweit wir wissen zu allen Zeiten auf das klassische Mittel- und Südeuropa vom Atlantik bis zum Ural begrenzt; dies legt jedenfalls der archäologische Befund nahe.
Der HS verließ in einer ersten Auswanderungswelle vor ca. 85.000 Jahren Afrika und zog via Arabien und Südasien an der Küste entlang bis Südostasien, die Inseln incl. Melanesien bis hin zu den Philippinen, die er 10.000 Jahre später errichte. Vor ca. 74.000 Jahren ereignete sich die Toba-Katastrophe, die den größten Teil der Menschheit bis auf 10.000 ausrottete und einen genetischen Flaschenhals schuf. Besonders betroffen war das westliche Indonesien, Südindien und Pakistan, während Melanesien und die Philippinen weniger betroffen waren; hier gab es Überlebende, insbesondere die so genannten Negritos. Trotz der Dezimierungen setzten die überlebenden Gruppen ihre Wanderungen fort, wobei sie sich verzweigten; einige wanderten nach Australien, andere nach Ostasien incl. Japan; der größte Teil migrierte wohl zurück nach Indien, Sri Lanka und Pakistan.
Härter betroffen waren die schlecht angepassten Neandertaler, denn die 1.000-jährige extreem kalte Eiszeit in Folge der Katastrophe dezimierte die bestände ebenfalls bis auf 10.000, wovon sich die Spezies offenbar nie wieder richtig erholte.
(2) Genetik
Denn der genetische Befund zeigt, dass die NT unter einer Gendrift litten, was mit einer extrem niedrigen genetischen Vielfalt und damit verbundenen eingeschränkten Entwicklungs- und Anpassungsfähigkeiten einherging. Demgegenüber wies der HS aufgrund seiner großflächigen Verteilung über die Kontinente und der relativen Abgeschlossenheit der einzelnen Gruppen über eine unverhältnismäßig breite genetische Vielfalt, die durch Genfluss charakterisiert ist. Damit waren die einzelnen Ethnien, die sich längst herausgebildet hatten, auch eher disponiert für einzelne Mutationen.
(3) Sprache
Eine dieser Mutationen betraf eine genetische Mutation über ein Allel, das für den "Sprechapparat" (Stimmknochen, Stimmbänder, Kehlkopf usw.) zuständig ist. Diese Mutation bewirkte einen Entwicklungsschub bei der Fähigkeit, sich mit der Stimme zu artikulieren und förderte damit die Herausbildung einer differenzierten Sprache – eine zunächst biologische, dann aber auch kulturelle Errungenschaft, die man dem NT abspricht, dessen Sprechapparat rein anatomisch differenzierte Vokale und vor allem Konsonante nicht zuließ. Der große entwicklungmäßige Vorteil des HS gegenüber dem NT war also die Kommunikationsfähigkeit. So konnte man Beschlüsse in der Gemeinschaft fassen und Pläne schmieden.
(4) Anpassungsfähigkeit
Zwar ist der NT dem HS in Sachen Körperkraft markant überlegen; das sind aber auch seine einzigen Vorteile. Der HS ist schneller, wendiger, zäher und ausdauernder, von seinen mit der Sprache verbundenen intellektuellen Fähigkeiten ganz zu schweigen. Aufgrund dieser Vorteile war es ihm im Gegensatz zu seinem weniger entwickelten Vetter aus dem Neandertal möglich, viel mobiler zu sein und mit den Klimaveränderungen und den damit einhergehenden wandernden Klimazonen ebenfalls zu wandern. Denn mit den Klimazonen wandert auch die Flora und Fauna und damit der Nahrungsbestand, während der relativ ortsgebundene NT nehmen muss, was geboten wird, und Probleme bekommt, wenn sich Flora und Fauna zurückziehen. Zwar wanderten die NT auch innerhalb von Europa, aber es gab Probleme in richtig kalten Phasen der Eiszeit.
(5) Soziales Verhalten
Vor 40.000 Jahren wanderte eine Gruppe des HS von Asien nach Europa ein, der man die Bezeichnung Cro Magnon Mensch gab. Erstmals trafen die beiden anatomisch und vor allem kulturell so verschiedneen Spezies aufeinander und mussten sich die gleichen Jagdgründe teilen. Es liegt nahe, dass sich der HS auf ganzer Linie gegenüber dem NT durchsetzte und ihn in die unwirtlicheren Regionen vertrieb. Das lag zum einen an der zahlenmäßigen Überlegenheit der Cro Magnons, besonders ihrer höheren Fertilität, die voll zur Wirkung kam durch die stammesübliche Arbeitsteilung, die der NT nicht kannte. Bei den Cro Magnons gingen nur die Männer auf Jagd, während die Frauen Beeren und Früchte sammelten, eben alles was die Flora an Essbarem so abwarf, sich um die Hütte kümmerten, vor allem aber um den Nachwuchs und um's Gebären. Je länger beide Spezies im gleich en Raum Europa zusammenhockten und sich bekriegten, umso größer wurde der Vorteil der Cro Magnons, weil ihre zahlenmäßige Überlegenheit immer größer wurde. Auch war ihre Technologie sicherlich weitaus fortgeschrittener als die ihrer robusten Rivalen, und ihr höherer Intellekt und die Kommunikationsfähigkeit gab ihnen auch einen zusätzlichen Vorteil im Kampf um knappe Ressourcen.
(6) Technik und Kultur
Letztlich war es wohl eine Kombination all dieser Vorteile des Cro Magnon Menschen, die das Ende des NT beschleunigten; eine neuerliche Verschärfung der Eiszeit, die vor 30.000 Jahren einsetzte, gab ihm den Rest. Die NT konnten zwar immer weiter nach Süden wandern, je kälter es wurde, aber bei Gibraltar war das Ende der fahnenstange erreicht. Sie waren intellektuell, handwerklich und kulturell nicht in der Lage sich Boote zu bauen und die Meerenge zu überwinden. Es war gar nicht mal so sehr die Kälte, sondern die damit einhergehende Trockenheit und der Mangel an Nahrung, denn die Flora und Fauna war nicht mehr ausreichend, den Bedarf an Nahrung zu decken; die fruchtbare Zone hatte sich nach Nordafrika zurückgezogen, und dort kamen die NT nicht hin, wohl aber die modernen Menschen.
So, ich hab mal versucht, die bisherigen Erkenntnisse zum Siegeszug des modernen Menschen und zum Ende des NT zusammenzufassen. An sich wäre ich bereit hierzu auch jede Menge Quellen bzw. weiterführende Links anzugeben, aber nur wenn ich mich weiterhin an diesem Thread beteilige, was ich aktuell nicht zuletzt aus Zeitgründen für unwahrscheinlich halte.