intruder schrieb:Demnach ist das Argument, dass, nachdem man Makroevolution entsprechend für sich definiert hat, das Argument „irreduziblen Komplexität" ausgepackt wird.
Das ist das eine und einzige Argument für die Separation der Makroevolution von der Mikroevolution, und es ist auch das eine und einzige gegen die Existenz der Makroevolution.
intruder schrieb:Das Problem an diesem Argument ist, dass es keine Beweis für seine Richtigkeit gibt.
Nee, das wäre ja in Ordnung. Das ist immerhin bei jeder wissenschaftlichen Hypothese und Theorie so, daß sie durch nichts beweisbar ist. Jede Theorie/Hypothese
beschreibt kurz gesagt ein echtes, empirisches Phänomen mithilfe eines veranschlagten, letztlich nichtempirischen Mechanismus. Daß der Appel dem ollen Newton uffn Deetz jedotzt is, konnte jeder wahrnehmen. Warum der Apfel das getan hat, kann hingegen niemand "sehen". Das kann man nur behaupten und nachrechnen und abgleichen, obs immer wieder so passiert, wie berechnet. Wenns immer wie berechnet passiert, muß es dennoch nicht wahr sein (Unbeweisbarkeit), aber wenns auch nur einmal anders als berechnet passiert, hat sich die Erklärung (zumindest so) erledigt (Widerlegbarkeit).
Das Blöde an der Irreduzibilität aber ist, daß es gar nicht das nichtempirische Erklärmittel einer Hypothese ist, sondern die Rolle des erklärungsbedürftigen empirischen Phänomens einnimmt. Ohne selbst empirisch zu sein. Irreduzibilität ist kei beobachtetes Phänomen, sondern eine Annahme, eine Forderung. Das menschliche Auge, die Vogelfeder, das sind empirische Phänomene, die müssen hergeleitet, die müssen erklärt werden. Und werden von der ET mit Mutation, Selektion und mit praktischem Nutzen während jeder einzelnen "Etappe" erklärt. Jedenfalls potentiell, de facto nur in Ansätzen, nur einzelne Etappen betreffend.
Hier nun mogeln die Kreationisten die Irreduzibilität rein. Das Auge ist irreduzibel, die Feder ist irreduzibel. Und wenns dann doch nicht irreduzibel ist (und sie es anerkennen würden!), dann käme ein "na guuuut, das da ist halt nicht reduzibel" - gefolgt von einem "aber sieh mal das hier, das ist nun wirklich irreduzibel". Das heißt, keine konkrete Widerlegung widerlegt die allgemeine Annahme von Irreduzibilität. Hat man eines entkräftet, werfense das nächste hinterdrein und verzetteln damit jede ernsthafte Auseinandersetzung, schieben den Schwarzen Peter der Beweispflicht der Gegenseite zu.
So machen das auch Kryptozoologen mit einem Bigfoot-Beleg nach dem anderen, Ufologen mit einem verwackelten Raumschiffphoto nach dem anderen, Präastronautik-Fans mit einem vermeintlichen Out-of-place-Artefakt nach dem anderen.
Sie begreifen nicht, daß sie ihr behauptetes Phänomen erst mal in ein bewiesenes Phänomen überführen müssen, bevor sie es anderen vorhalten können "Evolve this mal!" Und zwar nicht, indem sie Artikel und kritische Lehrbücher schreiben, in denen sie die Irreduzibilität von Auge, Feder & co. andeuten, sondern daß sie den Beweis vollständig antreten und durch einen Peerreview-o-Mat durchjagen. Aber das raffense nicht.
intruder schrieb:Das grundsätzliche Problem bei dem Verständnis der Evolutionstheorie ist meiner Meinung, dass man in den meisten Fällen den Istzustand als Ziel der Evolution definiert, der dann auf einem direkten Weg zu erreicht werden soll. Dabei sind die Wege der Evolution voller "Schnörkel" und der Istzustand auch nur ein Zwischenschritt zum Istzustand von Morgen.
Genau das findet sich auch in deren Definition von Makroevolution im Unterschied zur Mikroevolution. Mikro variiert nur die bereits existierenden Organe, Strukturen etc. ein bisserl, während Makro die Organe, Strukturen etc. überhaupt erst vorbringen . Auch hier liegt eine vom Endzustand her betrachtende Denke vor. Gerade Siegfrid Scherer müßte es aber besser wissen, immerhin hat er als Embryologe behauptet, daß die Organbildung in der Ontogenese durch simple formgebende Variationen (Faltung, Ausstülpung...) von bereits Vorhandenem anfängt, aber "am Ende" eben zu separaten Strukturen führen wird. Aber leider sind ideologische Scheuklappen oft stärker als Vernunft - und nochmals leider gilt dies nicht nur bei Kreationisten.