Thomas Beatie, der schwangere Mann
18.08.2008 um 16:23
Mannomann, wenn man sich das so durchliest, dann haben hier einige ganz schöne Kastrationsängste, gepaart mit Trans- und Homophobie. Damit zumindest noch etwas sachliches Wissen in diesen Thread kommt und die wirklich ernsthaft Neugierigen ihre Fragen beantwortet kommen, hier ein paar Fakten.
1. Transsexualität hat nichts mit Transvestitismus zu tun. Während Transvestiten (die hier ja lustigerweise als "echte Transen" bezeichnet werden) sich nur dem anderen Geschlecht entsprechend kleiden möchten, können - ja - "echte" Transsexuelle nicht mit ihrem körperlichen Geschlecht leben. Das heißt, ein Frau-zu-Mann-Transsexueller (FzM, auch Transmann genannt, also jemand, der als Frau geboren wurde) möchte weder Brüste noch eine Vagina, eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle (MzF, Transfrau) möchte weder Bartwuchs noch einen Penis.
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2. Wenn ihr das nicht verstehen könnt, stellt euch vor, ihr wacht eines Tages als Mann mit Brüsten auf. Die würdet ihr auch weghaben wollen, oder? Oder aber man wacht als Frau mit voller männlicher Körperbehaarung auf. Die meisten würden die Beine in die Hand nehmen und zur Kosmetikerin rennen. Der Punkt ist, Transsexuelle fühlen sich meistens schon seit frühester Kindheit dem anderen Geschlecht zugehörig - obwohl keine genaue Ursache bekannt ist, vermutet man, dass schwankende Hormonspiegel der Mutter während der Schwangerschaft Transsexualität unter anderem begünstigen können. Die Bezeichnung "Geschlechtumwandlung" stimmt auch nicht - passend ist für die Betroffenen meist eher "Geschlechtsangleichung", da nur ihr inneres dem äußeren Geschlecht angeglichen wird.
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3. Wichtig: Hormone werden erst ab einer mindestens ein Jahr andauernden Psychotherapie und zwei Gutachten gegeben. Also nix mit "mal eben schnell umwandeln".
Als MzF-Transsexuelle wird eine Behandlung mit einem Medikament namens Androcur eingeleitet, welches die Testosteron-Produktion herunterfährt, danach wird Östrogen gegeben, der Körper verweiblicht also. Die Effekte des Östrogen auf einen biologisch männlichen Körper sehen so aus:
- Körperbehaarung nimmt ab, wird wieder zu weichem Flaum
- Haarwuchs kann wieder dichter werden
- Bartwuchs wird eventuell langsamer, hört jedoch nicht auf.
- Die Muskulatur geht zurück
- Das Fett verlagert sich vom Bauch in Richtung Hüften und Hintern
- Hände werden zarter, Füße evtl. etwas kleiner (Knorpelmasse geht zurück)
- Brust fängt an, zu wachsen.
- Emotionen werden "weiblicher", häufigeres Weinen etc.
Dinge, die das Skelett betreffen, können nicht rückgängig gemacht werden. Das heißt, eine Transfrau wird nicht kleiner, bekommt keine schmäleren Schultern und in vielen Fällen auch kein breiteres Becken mehr. Ebenso bleibt der Adamsapfel stehen. Faustregel: Alles, was bei der Geburt da war, bleibt da auch. Die sekundären Merkmale verändern sich.
Als FzM-Transsexueller besteht die Behandlung aus Gestagen, welches die den meisten Transmännern verhasste Monatsblutung ausbleiben lässt und Testosteron, was zu einer Vermännlichung führt.
- Körperbehaarung nimmt zu, Gesichtsbehaarung bildet sich aus.
- Geheimratsecken, je nach Veranlagung
- Gesicht wird kantiger.
- Muskulatur wächst
- Fett verlagert sich in Richtung des Bauches
- Brust erschlafft leicht
- Knorpelwachstum - unter Umständen werden die Füße größer, Hände auf jeden Fall
- Adamsapfel bildet sich aus
- männliches Verhalten wie Aggressionen können ausgelöst werden
Hier gilt ebenfalls - das Skelett bleibt nahezu unverändert. Das Becken bleibt breit - die Schultern allerdings werden breiter, da hier durch das Schlüsselbein eine gute Möglichkeit gegeben ist, noch zu in die Breite zu wachsen.
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4. Die OPs einer MzF-Transsexuellen sehen so aus - auch hier gilt bei beiden Geschlechtern ein Minimum an Zeitabstand - es müssen schon seit mindestens 18 Monaten Hormone genommen werden.
1. Hoden und Schwellkörper werden entfernt, aus der Penishaut wird eine Vagina geformt (Neovagina), die Eichel wird zur Klitoris, der Hodensack zu den äußeren Schamlippen.
2. Wenn das durch die Hormone ausgelöste Brustwachstum nicht ausreicht, zählt eine Brust-OP noch zu den Kassenleistungen.
Die OPs eines FzM-Transsexuellen sind etwas komplizierter und nicht standardisiert im Vergleich zu obiger OP. Hier der Vorgang eines der "beliebtesten" Chirurgen unter Transsexuellen.
1. Zunächst werden in einer ersten OP die Brüste entfernt, da sich diese nicht komplett zurückbilden. Ebenfalls in dieser OP werden die Gebärmutter und die Eierstöcke entfernt, die vorhandene Harnröhre verlängert, die Scheide entfernt und aus dem Scheidengewebe am Unterarm oder Unterschenkel eine Harnröhre vorgeformt.
2. Die zweite OP besteht aus der Entnahme des gesamten Unterarm-/Unterschenkelgewebes um die Neo-Harnröhre herum. Aus diesem Hautlappen wird der Penis geformt (auch Phalloplastik genannt)
3. Im dritten und letzten OP-Schritt wird die Harnröhre "angeschlossen", der Hodensack gebildet, in den Silikonimplantate sowie eine Erektionspumpe kommen und die Eichel wird geformt.
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5. Ergebnisse der OPs: Transsexuelle können ohne Probleme Sex haben. Das Gefühl in sowohl Neovagina als auch Phalloplastik sind durch Nervenanschluss gegeben, somit bleibt also auch die Orgasmusfähigkeit erhalten. Optisch sind die Ergebnisse mittlerweile auch sehr akzeptabel. Transmänner können im Stehen pinkeln.
Thomas Beatie hatte nur die Mastektomie, also die Abnahme der Brüste sowie die Hormonbehandlung. Nach Absetzen der Hormone nahmen seine Eierstöcke wieder den Betrieb auf und produzierten gesunde Eizellen.
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6. Rechtliches: In den meisten Staaten Europas sowie auch den USA gibt es zwei wichtige rechtliche Schritte:
1. Vornamensänderung. Zwei Gutachten von unterschiedlichen Gutachtern sind notwendig, um die Vornamensänderung zu gewähren. Aus Herrn Peter Müller wird dann eben Frau Sabine Müller. Im Pass steht dennoch bei Geschlecht ein M. Bei Transmännenr ist es eben umgekehrt.
2. Personenstandsänderung. Hierfür muss eine permanente Unfruchtbarkeit vorliegen, das heißt, bei einer Transfrau müssen die Hoden abgetrennt sein, bei einem Transmann die Eierstöcke und die Gebärmutter entfernt sein. Das Kriterium ist also nicht wie hier geäußert "Was 'n Pimmel hat, das ist ein Mann", sondern ob noch dem biologischen, angeborenen Geschlecht zugehörige Fortpflanzungsorgane vorhanden sind. Theoretisch kann es auch Transfrauen mit Penis geben, da dieser ohne Hoden nicht zur Fortpflanzung dient. Mit der Personenstandsänderung steht dann auch im Pass das "passende" Geschlecht - also bei Transfrauen ein F oder W und bei Transmännern ein M.
Ich wünsch mir noch ne tolerante Welt und dass die ganzen transphoben Spinner in diesem Topic sich beim Durchlesen dieses Textes die Seele aus dem Leib kotzen.
Schönen Tag noch.