perttivalkonen
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Lebenserwartung Steinzeit und heute
16.09.2020 um 04:17Im kroatischen Krapina wurden seit Ende des 19.Jh. zahlreiche Fossilien und Artefakte von Neandertalern gefunden. Bis heute konnten wenigstens 23 verschiedene Individuen identifiziert werden. Vor allem durch die Auswertung von Zähnen konnte auch das Sterbealter bestimmt werden. Ein erheblicher Teil waren Kinder und Jugendliche, und unter den Erwachsenen fand sich keiner älter als Ende 20. Das bedeutet nicht, daß kein Neandertaler älter wurde, aber der Anteil älterer Neandertaler dürfte doch eher gering ausgefallen sein. Wie Lupo54 es schon gezeigt hatte, auch um 1800 herum gab es Leute, die 92 wurden, aber der Anteil der über 85-jährigen Lebenserwartung an der Gesamtbevölkerung liegt im Promillebereich. So scheint der Anteil der wenigstens 30-jährigen Neandertaler ebenfalls im einstelligen Prozentbereich gelegen zu haben.
Berechnet man nun die mittlere Lebenserwartung, so käme für den Neandertaler wohl irgendwas um 15 Jahre bei heraus, vielleicht was zwischen 15 und 20. Nimmt man hingegen die Lebenserwartung derer, die die Geschlechtsreife erlangt haben, käme eher was um 25 heraus. Eine nochmals andere Bestimmung der Lebenserwartung wäre festzustellen, in welchem Lebensalter die meisten Angehörigen einer Population gestorben sind. Ich will es mal verdeutlichen mit einer Grafik aus Daten des Statistischen Bundesamtes zu den Todesalterzahlen für Deutschland im Zeitraum 2016-18.
Zu sehen sind die Zahlen der Toten pro Lebensjahr (0 bis 99), und zwar unter 100.000, getrennt nach weiblich und männlich. Das heißt, wenn je 100.000 Frauen und Männer geboren werden, dann sterben im ersten Lebensjahr je rund 300 männliche und weibliche Säuglinge. Im 2. Lebensjahr (ein Jahr alt) sterben dann von 199.400 Menschen zusammen knapp über 50 Jungen und Mädchen usw. die meisten Toten gibt es bei Männern mit 86 Jahren (3968 Tote), bei Frauen mit 89 Jahren (4816 Tote). 23 Neandertaler sind freilich zu wenige, um hier ebenfalls das totenreichste Lebensjahr zu ermitteln. Immerhin aber kann ich noch auf dies verweisen:
Von den anfangs 100.000 männlichen Geborenen erreichten nur noch 33.710 ihren 86. Geburtstag, und von den 100.000 geborenen Frauen erreichten noch 37.187 ihren 89. Geburtstag. Das heißt, das Alter der höchsten Mortalität erreicht immerhin noch ein gutes Drittel der insgesamt Geborenen. Für die Neandertaler von Krapina bedeutet dies, daß das Alter 30 schon oberhalb des Lebensalters mit der höchsten Zahl an Toten liegen muß. Auch diese Art der "Lebenserwartung" scheint bei den Krapina-Neandertalern so um die 25 Jahre zu liegen (mal grob geschätzt).
Nach anderen statistischen Alterserhebungen sollen unter den Neandertalern immerhin gut 25% aller Fossilien ein Alter von 30 und mehr Jahren ergeben haben. Bei uns Deutschen laut obiger Statistik erreichten knapp über 25% der Männer den 88. Geburtstag und knapp über 25% der Frauen den 91. Hier kommt aber die Kindersterblichkeit zum Tragen. Ein erheblicher Fossilienanteil unter den Neandertalern waren eben Kinder und Jugendliche, aber in Deutschland feiern 90% aller geborenen Männer noch ihren 60. Geburtstag; bei Frauen sogar den 67. Geburtstag. Würden wir also beim Neandertaler die Kindersterblichkeit weglassen, ergäbe dies eine Lebenswahrscheinlichkeit von vielleicht sogar 35.
Auch beim frühen Homo sapiens sieht die Altersverteilung ungefähr so aus wie beim Neandertaler. Vor 30.000 Jahren dann stieg der Anteil der mindestens 30 Jahre alt Gewordenen deutlich an - auf stolze 2/3 aller Funde! Das heißt, wer erst einmal die Kindersterblichkeit überstanden hatte und geschlechtsreif geworden war, der wurde fast gesichert mindestens 30 Jahre alt. Hier könnte die Lebenserwartung also bei etwas über 40 gelegen haben. 50 Jahre aber waren da noch immer eine seltene Ausnahme.
Daß "das Sterbealter erwachsener Wildbeuter zwischen 68 und 78 Jahren" gelegen hätte im Paläolithikum, wie laut dem von @Vomü62 angeführten Wiki-Artikel Marshall Sahlins annimmt, ist freilich illusorisch. Dazu hätte es auch entsprechende Sapiens-Funde geben müssen.
https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?operation=previous&levelindex=2&step=2&titel=Ergebnis&levelid=1600212501084&acceptscookies=false#abreadcrumb
https://www.spektrum.de/news/kultursprung-durch-grosseltern/1147977
Berechnet man nun die mittlere Lebenserwartung, so käme für den Neandertaler wohl irgendwas um 15 Jahre bei heraus, vielleicht was zwischen 15 und 20. Nimmt man hingegen die Lebenserwartung derer, die die Geschlechtsreife erlangt haben, käme eher was um 25 heraus. Eine nochmals andere Bestimmung der Lebenserwartung wäre festzustellen, in welchem Lebensalter die meisten Angehörigen einer Population gestorben sind. Ich will es mal verdeutlichen mit einer Grafik aus Daten des Statistischen Bundesamtes zu den Todesalterzahlen für Deutschland im Zeitraum 2016-18.
Zu sehen sind die Zahlen der Toten pro Lebensjahr (0 bis 99), und zwar unter 100.000, getrennt nach weiblich und männlich. Das heißt, wenn je 100.000 Frauen und Männer geboren werden, dann sterben im ersten Lebensjahr je rund 300 männliche und weibliche Säuglinge. Im 2. Lebensjahr (ein Jahr alt) sterben dann von 199.400 Menschen zusammen knapp über 50 Jungen und Mädchen usw. die meisten Toten gibt es bei Männern mit 86 Jahren (3968 Tote), bei Frauen mit 89 Jahren (4816 Tote). 23 Neandertaler sind freilich zu wenige, um hier ebenfalls das totenreichste Lebensjahr zu ermitteln. Immerhin aber kann ich noch auf dies verweisen:
Von den anfangs 100.000 männlichen Geborenen erreichten nur noch 33.710 ihren 86. Geburtstag, und von den 100.000 geborenen Frauen erreichten noch 37.187 ihren 89. Geburtstag. Das heißt, das Alter der höchsten Mortalität erreicht immerhin noch ein gutes Drittel der insgesamt Geborenen. Für die Neandertaler von Krapina bedeutet dies, daß das Alter 30 schon oberhalb des Lebensalters mit der höchsten Zahl an Toten liegen muß. Auch diese Art der "Lebenserwartung" scheint bei den Krapina-Neandertalern so um die 25 Jahre zu liegen (mal grob geschätzt).
Nach anderen statistischen Alterserhebungen sollen unter den Neandertalern immerhin gut 25% aller Fossilien ein Alter von 30 und mehr Jahren ergeben haben. Bei uns Deutschen laut obiger Statistik erreichten knapp über 25% der Männer den 88. Geburtstag und knapp über 25% der Frauen den 91. Hier kommt aber die Kindersterblichkeit zum Tragen. Ein erheblicher Fossilienanteil unter den Neandertalern waren eben Kinder und Jugendliche, aber in Deutschland feiern 90% aller geborenen Männer noch ihren 60. Geburtstag; bei Frauen sogar den 67. Geburtstag. Würden wir also beim Neandertaler die Kindersterblichkeit weglassen, ergäbe dies eine Lebenswahrscheinlichkeit von vielleicht sogar 35.
Auch beim frühen Homo sapiens sieht die Altersverteilung ungefähr so aus wie beim Neandertaler. Vor 30.000 Jahren dann stieg der Anteil der mindestens 30 Jahre alt Gewordenen deutlich an - auf stolze 2/3 aller Funde! Das heißt, wer erst einmal die Kindersterblichkeit überstanden hatte und geschlechtsreif geworden war, der wurde fast gesichert mindestens 30 Jahre alt. Hier könnte die Lebenserwartung also bei etwas über 40 gelegen haben. 50 Jahre aber waren da noch immer eine seltene Ausnahme.
Daß "das Sterbealter erwachsener Wildbeuter zwischen 68 und 78 Jahren" gelegen hätte im Paläolithikum, wie laut dem von @Vomü62 angeführten Wiki-Artikel Marshall Sahlins annimmt, ist freilich illusorisch. Dazu hätte es auch entsprechende Sapiens-Funde geben müssen.
caligae168 schrieb:Die ganzen SEUCHEN kamen erst unter die Menschheit als er begann Tiere zu domestizieren!Viele Seuchen selbst der neueren Zeit gehen auf den Verzehr von Wildtieren zurück, Stichwort Bushmeat. Zu Seuchen und damit zu einem wirklichen Problem wurde sowas aber erst, als die Menschen zu hunderten und tausenden zusammenlebten. In der Tat ging die Lebenserwartung beim Wechsel vom Jäger und Sammler zum Ackerbauern und Viehzüchter deutlich zurück, aber nicht wegen einzelner Seuchen, sondern wegen grassierender Epidemien in den frühen "Städten" und auf den frühen Handelswegen. Zu Zeiten wandernder Sippen oder winziger "Dörfer" konnte zwar mal ne ganze Gruppe wegsterben, aber kaum einer sonst steckte sich an.
Lupo54 schrieb:ich habe Kirchenbücher ausgewertet für die Zeit von 1780-1840 für ein Dorf in OstwestfalenHatte mal 2005 in den Sterbebüchern des Berliner Alten Sankt-Matthäus-Kirchhofs Einblick gehabt, ab 1856. Dort gab es auch eine Sammelgrabstelle für die Diakonissen des Gertraudenkrankenhauses. Dort hab ich die Lebensalter der Verstorbenen Jahrzehntweise zusammengefaßt. Anfangs lag das durchschnittliche Sterbealter bei knapp unter 30, irgendwann im frühen 20. Jahrhundert bei an die 50 (leider hab ich die genauen Zahlen nicht mehr). Spartanisches Leben, schwere Arbeit, hohe Ansteckungsgefahr, und schon starben die Diakonissen wie die Fliegen.
https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?operation=previous&levelindex=2&step=2&titel=Ergebnis&levelid=1600212501084&acceptscookies=false#abreadcrumb
https://www.spektrum.de/news/kultursprung-durch-grosseltern/1147977