Seltsames Relief an einer Kirche in Südtirol (Piraten?)
25.05.2011 um 12:18
Hier ein Auszug aus meiner Diplom-Arbeit zur "Piratenthematik". Bezüglich Piratenflaggen, enthält er deren Entstehung und Symbolik. Viel Spass beim Lesen, falls das jemanden wirklich interessiert.^^
Exkurs 2: Flaggensymbolik der Freibeuter und Piraten
Bei der Flaggensymbolik der Piraten handelte es sich um einen typischen Fall von symbolischem Interaktionismus, wobei das Symbolsystem Flagge als gemeinsames Verständigungssystem aller Seeleute, egal welcher Muttersprache, verwendet wurde. Nur über den Austausch von Flaggensymbolen war eine gemeinsame Orientierung (auf Entfernung) möglich, die ein bestimmtes soziales Handeln nach sich zog. Die Interaktion, also das wechselseitige aufeinander Bezug nehmen, fand als Verständigung über ein gemeinsames Symbolsystem statt.
Wenn man heute an Piraten denkt, kommt einem fast zwangsläufig das Bild einer schwarzen Flagge mit weißem Totenschädel und gekreuzten Knochen darunter, in den Sinn. Diese Flagge hat es auch tatsächlich gegeben, sie wurde von dem Piraten Edward England erstmals als Kampfflagge gesetzt. Doch kamen die berühmten schwarzen Totenkopfflaggen erst im 17. Jahrhundert als “Firmenzeichen“ der Piraten in Mode. Bis dahin galt eine andere Symbolik; eine schwarze Flagge stand für Tod. Man setzte sie, wenn man entweder bereit war bis zum Tod zu kämpfen, oder aber den Tod in Form einer Krankheit an Bord hatte. Eine weitere gängige Farbe war rot. Eine rote Flagge zu setzten bedeute nichts anderes als “keine Gnade“, man machte somit also keine Gefangenen, gab kein ritterliches Pardon und nahm dies auch nicht für sich selbst in Anspruch. Bei einem Aufeinandertreffen, dreier spanischer Kriegsschiffe mit Bukaniern 1681, beschreibt ein spanischer Seemann die Situation folgendermaßen: “ So wie sie uns sahen, hissten sie ihre blutroten Flaggen, und zum Zeichen, dass wir uns nicht einschüchtern ließen, hissten wir unsere.“ Noch früher setzten Kaperer beispielsweise einfach die Nationalflagge des Landes oder Herrscherhauses für das sie tätig waren. Freibeuter wie die Vitalienbrüder dürften wohl unter der Flagge ihres Heimathafens oder jeweiligen Gönners in Verbindung mit roter oder schwarzer Flagge gekämpft haben. Jedoch ist dazu nichts authentisches überlie-fert.
Die ersten und hauptsächlich französischen Bukanier fochten unter der roten Flagge, dem “joulie rouge“, was übersetzt einfach nur schönes Rot bedeutet. Später dann wurde der Begriff verenglischt und heraus kam “Jolly Roger“. Das wurde dann zum feststehenden Begriff, wenn man also eine Piratenflagge hisste, setzte man eben den “Jolly Roger“.
Bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts waren rote und schwarze Flaggen etwa gleich verbreitet, dann setzte sich die schwarze Flagge bei den Piraten als Erkennungsmerkmal immer mehr durch. Es ist wahrscheinlich, dass sich die schwarze Flagge durchsetzte, da Schiffe nun mal keine schwimmenden Malerwerkstätten waren und schwarz meist die einzige Farbe war, die an Bord war. Schwarze Farbe hatte man deshalb an Bord, weil man der Einfachheit halber, die schwarze Teerfarbe nutzte, die man sonst zum kalfatern des Schiffsrumpfes benötigte. Nun brauchte man auf einem weißen Stück Segeltuch nur noch etwas in Form der gewünschten Symbolik zum Abdecken und überstrich alles andere einfach mit der schwarzen Teerfarbe, schon hatte man seine ganz persönliche Piratenflagge. So entstanden die ganz persönlichen “Markenzeichen“ bzw. “Firmenzeichen“ der Bukanier und nachfolgenden Piraten. Dabei war der allgemein bekannte einfa-che Totenkopf mit den gekreuzten Knochen etwas für Phantasielose. Die meisten Piraten hatten nämlich mindestens drei Symbole auf ihrem “Jolly Roger“.
Auf der schwarzen Flagge des oben erwähnten Edward Teach alias “Blackbeard“ sah man ein gehörntes Skelett, welches den Teufel darstellte, in der einen Hand hielt dieses Skelett ein Stundenglas und in der anderen einen Speer mit dem es auf ein blutrotes Herz zielte. Dies lässt sich ungefähr mit, wir fürchten weder Tod noch Teufel, eure Zeit ist gekommen, ergebt euch, oder euer Herz wird Qualen erdulden müssen, übersetzen. Zudem sind in Dreiecksform noch drei rote Punkte oder Tropfen zu sehen, die die Trias Tod, Gewalt und begrenzte Zeit ganz allgemein symbolisieren.
Die schwarze Flagge des oben ebenfalls erwähnten Bartholemew Roberts zeigte ihn selbst, wie er mit einem Skelett, was hier den Tod symbolisiert, gemeinsam ein Stundenglas hochhält. Die Übersetzung dafür wäre ungefähr: Ich (Roberts) und der Sensenmann haben eure Zeit, bzw. Leben in der Hand, besser ihr ergebt euch, wir kämpfen bis zum Tod. Später ließ Roberts sich noch eine ganz spezielle Flagge von seiner Mannschaft anfertigen, sie zeigt ihn mit Säbel in der Hand auf zwei Totenköpfen stehend. Die beiden Totenschädel symbolisieren dabei die Bewohner der Inseln Barbados und Martinique, da die Gouverneure dieser beiden Inseln Jagd auf ihn machten, was ihn wohl maßlos geärgert haben muss.
In jedem Fall zeigten die Flaggen der Bukanier immer die Trias Tod, Gewalt und begrenzte Zeit in immer neuen und sehr persönlichen Abwandlungen. Aber allen Flaggen gemeinsam ist der Zweck zu dem man sie aufzog, so sollten sie jeden Gegner einen solch gewaltigen Schreck einjagen, dass dieser sich sofort kampflos ergab, da er sonst seinem Tod ins Auge blicken musste. Ein weiterer kaum beachteter nützlicher Nebeneffekt, dürfte darin bestanden haben, dass eine ganz eigene Flagge, das Gemeinschaftsgefühl gestärkt haben wird.
Jedoch setzten die Bukanier ihre Flaggenwahl sehr bewusst ein und stellten sie manchmal auch in Kombination zur Schau. Je nachdem welche Flagge gehisst wurde, konnte dies über Leben und Tod entscheiden, wie der Bericht von Kapitän Richard Hawkins beweißt, der 1724 von Bukaniern geentert wurde. “Wenn sie unter Jolly Roger kämpfen, gewähren sie Gnade, was sie niemals tun, wenn sie unter der blutroten Flagge kämpften.“
So mancher Leser mag sich nun fragen, was die Menschen an der Totenkopfflagge nur so geängstigt haben mag. Dies ist insofern verständlich, da die Piratenflagge heutzutage eher mit Begriffen, wie Freiheit, Ungebundenheit und Abenteuer assoziiert wird. Wenn man aber wenigstens einen ganz leichten Anflug dessen haben möchte, was damals Menschen empfunden haben müssen, die unvermittelt den Jolly Roger vor sich auftauchen sahen, so kann ein kleines Gedanken
Man stelle sich vor jemand gebe einem ein kleines Fläschchen unbekannten Inhalts, mit einem Totenkopfaufdruck und verlangte nun, ohne weiteren Kommentar, dass man dieses austrinke.
Dieses unangenehme Gefühl, was einen hierbei beschleicht, in zigfacher Verstärkung, dürfte es wohl gewesen sein, was Zeitgenossen empfunden haben, wenn der Jolly Roger am Horizont auftauchte.
Im Übrigen beweist dieses kleine Experiment auch, dass die Totenkopfflaggen nicht einfach verschwunden sind, sondern sich im Gegenteil, bis heute im Gebrauch erhalten haben. So werden eben giftige oder verseuchte Stoffe auch heute noch mit der ehemaligen Piraten-flagge gekennzeichnet. Auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen ist der Jolly Roger noch heute zu finden. So z.B. als Vereinssymbol des Fußballclubs FC Hamburg St. Pauli. Dieser, obwohl nur in der dritten Liga spielende, Fußballverein hat nicht zuletzt durch dieses Symbol, in Verbindung mit der etwas anrüchigen Atmosphäre der Rotlichtmeile Reeperbahn, bundesweit viele Fans, wovon andere Clubs der selben Liga nur träumen können.