Geheime Forschungsanlagen
10.05.2005 um 07:34
Die U.S.S. Destiny befand sich auf dem Heimflug von Risa; alle an Bord waren sich darin einig, dass die Dauer des Hin- und Rückflugs im Vergleich zur eigentlichen Verweildauer auf dem Urlaubsplaneten viel zu übermäßig dimensioniert war. Es wurde Zeit, dass jemand mal schnellere Warp-Triebwerke konstruierte... Captain Marc Winkler, dem die gerade mal vier Tage auf Risa ebenfalls viel zu kurz vorgekommen waren trug seine Hawaii-Hemden noch während der ersten Woche des Heimflugs - allerdings nur außerhalb seiner Dienstzeit, da seine Leute auf der Brücke ihn sonst möglicherweise gelyncht oder gewaltsam dazu gezwungen hätten, wieder nach Risa zurückzukehren.
Nun, nach einer halben Ewigkeit passierten sie das Rigel-System. Da meldete Kommunikationsoffizier Irving einen Hilferuf von dem Planeten. "Wo brennt's denn jetzt?", fragte Winkler und befahl sogleich, den Anrufer auf den Hauptbildschirm zu legen. Ein nervös dreinblickender Mann Ende Vierzig und Halbglatze erschien auf dem Monitor und nachdem der Captain sich vorgestellt hatte meinte der von Rigel aus Anrufende: "Gottseidank kommt endlich mal wieder ein Schiff der Sternenflotte vorbei... ich würde mich gewiss nicht an Sie wenden, wenn ich eine andere Möglichkeit sähe, aber... mein Name ist Derek Witlow, amtierender Hauptkommissar von Rigel City. Wir haben in den letzten zwei Tagen drei grausame Morde gehabt, die Opfer schienen regelrecht von Innen zerfetzt worden zu sein; meine Leute und ich sind mit unserem Latein am Ende, ich hoffe Sie können uns vielleicht dabei behilflich sein, die Sache aufzuklären!"
"Das klingt ja furchtbar... Wir werden mal sehen, was wir tun können!" Er befahl, Kurs auf Rigel zu setzen und schon kurze Zeit später befand sich das Schiff in der Umlaufbahn um den Industrieplaneten.
Winkler, sein Sicherheitschef Percy Shattner und zwei weitere Sicherheitsoffiziere der Destiny trafen sich mit Witlow in dessen Büro. Der zeigte ihnen sogleich alle bisherigen Berichte sowie Aufnahmen von Tatorten und Leichen. Den Anblick letzterer konnte selbst ein Profi wie Shattner nicht ohne Weiteres verkraften. "Den Autopsieberichten zufolge wurden winzige Metallfragmente in den Körpern der Opfer gefunden, ein Hinweis darauf, dass massive Geschosse mit Explosivfüllung verwendet wurden!"
"Das ist richtig, Mr. Shattner. Ich glaube auch kaum, dass eine Strahlenwaffe derartige Wunden hervorrufen könnte..."
"Dem würde ich nicht so ohne Weiteres zustimmen; wenn eine solche Waffe genügend Energie produziert könnte man mit ihr auch Gegenstände und Lebewesen aus fester Materie vaporisieren beziehungsweise desintegrieren!"
"Wenn Sie das sagen...", meinte Witlow, "aber das Beste kommt erst noch und ich bezweifle, dass eine Strahlenwaffe das kann: Einer unserer Undercover-Mitarbeiter war Zeuge beim dritten Mord. Er beobachtete, wie der Mann offenbar in panischer Angst vor etwas oder jemandem davon rannte! Er bog dabei um eine Ecke und im selben Moment vernahm unser Zeuge einen leisen, ploppenden Knall, gefolgt von einem Zischen. Ein Energiestrahl oder ein einfaches Projektil wäre gerade aus weiter geflogen und hätte den Mann verfehlt, aber dieses Exemplar flog allem Anschein nach um die Ecke und traf das Opfer, obwohl es sich hinter einer Mülltonne versteckte!"
"Klingt nach ferngesteuerten Miniatur-Raketen oder Mikro-Torpedos, vermutlich mit einem Infrarot-Sensor ausgestattet! Ich wüsste jetzt nicht spontan, welche Waffe konkret dafür in Frage käme, wahrscheinlich irgendein Prototyp oder so - aber ich kenne da jemanden, der ist seit mindestens 20 Jahren Experte auf dem Gebiet. Ich denke wir sollten ihn mal kontakten!"
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Es war mitten in der Nacht, als der mobile Kommunikations-Empfänger auf dem Nachttisch eine einkommende Nachricht anzeigte. Die Asiatin Anfang 40 schreckte auf und aktivierte das Gerät, welches nur eine Audioverbindung erlaubte. "Reed?", meldete sie sich schlaftrunken.
"Hier Captain Marc Winkler von der U.S.S. Destiny. Bitte vezeihen Sie die nächtliche Störung, aber ist Ihr Mann da?"
"Der hält zur Zeit ein Gastseminar in Australien und wird nicht vor morgen Mittag zurück sein!"
"Wenn er auch nicht später zurück kommt geht das ja noch... Falls möglich kontaktieren Sie ihn morgen Früh und sagen ihm, er soll sich umgehend nach Rigel begeben. Es geht um mehrfachen Mord mit einer Spezialwaffe!"
Winkler beendete die Verbindung und Hoshi Sato-Reed war auf einmal hellwach. Mord? Auf Rigel nichts Ungewöhnliches. Wenn aber ein Captain der Sternenflotte an den Untersuchungen teilnahm und von einer "Spezialwaffe" sprach und Malcolms Anwesenheit verlangte konnte dies nichts Gutes bedeuten. Insgeheim hoffte sie, dass ihr Mann diesen Auftrag nicht annehmen würde, aber seine Faszination für Waffen aller Art, besonders für High-Tech-Varianten und seine Neugier würden ihn wieder einmal in Gefahr bringen. In ihr reifte der felsenfeste Entschluss, ihn diesmal zu begleiten. Und nichts was er sagen würde würde sie davon abhalten können...
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Ganz so spät wie auf der Britischen Insel, der Heimat von Hoshi und Malcolm war es in Chicago noch nicht; Steven Gomez sah sich gerade einen alten Film aus dem ausgehenden 20. Jahrhundert an - auf seinem Fernseher, einem Nachbau im Nostalgie-Look, genau wie das meiste Andere in seiner Wohnung. Irgendwie konnte er mit dem Typen im Fledermauskostüm nicht allzu viel anfangen, aber die Kulissen waren großartig. Sie spiegelten den Charme der 50er Jahre jenes Jahrhunderts wider und kombinierten diesen mit für damalige Verhältnisse futuristisch wirkender Technologie. Kaum zu glauben, dass dieser ziemlich durchgeknalte Film sechs Fortsetzungen nach sich gezogen hatte...
Denise, seine Assistentin trat hinzu und meinte: "Was ist denn das, Tarzan im Latex-Kostüm?"
"Nein, nur ein Millionär, der sich in seiner Freizeit als menschliche Fledermaus verkleidet und Verbrecher jagt!"
"Na in diese verrückte Zeit hätte ich ja hervorragend hineingepasst! Aber ich bin hier, um Ihnen zu sagen dass ein alter Bekannter angerufen hat: Captain Marc Winkler von der U.S.S. Destiny!"
"Was? Worum geht's denn?"
"Um eine grauenhafte Mordserie auf Rigel. Da offenbar eine bislang unbekannte Waffe zum Einsatz kam wurde auch Malcolm Reed um Mitarbeit gebeten, Sie wissen doch, der Waffenexperte..."
"Wer kennt ihn nicht? Soll das etwa heißen ich beziehungsweise wir werden von der Destiny abgeholt?"
"Nein, der Captain befindet sich bereits auf Rigel; er hat mir mitgeteilt Reeds Ehefrau gleich nach dem Anruf hier über unsere Mitarbeit zu informieren. Morgen Vormittag wird Reed kommen und uns abholen!"
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Es war Zehn Uhr Chicagoer Ortszeit als der Brite und seine asiatische Frau in Gomez' Wohnung standen; der Privatdetektiv war gerade dabei, das Nötigste einzupacken. Dabei konnte er es sich nicht verkneifen, der lebenden Legende seine 45er Magnum zu zeigen.
"Mein Gott", lachte Reed, "aus welchem Museum haben Sie die denn geklaut? Geben Sie mir zwei Stunden und ich besorge Ihnen eine Phasenpistole vom Feinsten!"
"Vielen Dank für das Angebot, aber ich ziehe meine Magnum jedem energiespuckenden Schießprügel vor! - Womit werden wir uns eigentlich nach Rigel begeben? Etwa mit einem Daedalus-Express?"
"Viel besser. Wir werden an Bord des brandneuen Prototypen U.S.S. Aeries reisen!"
Gomez und auch Denise hatten fertig gepackt; die beiden Männer waren nicht gerade glücklich darüber, dass die Frauen mitkommen wollten aber sie liesen sich einfach nicht abwimmeln. Die Zeit drängte und sie gingen nach unten und stellten ihre Koffer vor die Haustür. Reed sprach in seinen Kommunikator und die Gepäckstücke lösten sich in Energienebel auf.
"Und wie kommen wir jetzt da rauf?", fragte Gomez, "für ein Shuttle sehe ich hier nämlich weit und breit keinen Landeplatz!"
"Ein Shuttle? Sie sind mir ja ein Komiker, wir werden selbstverständlich auch beamen!"
"Wa-wa-was? B-b-beamen?"
"Haben Sie keine Angst!", beruhigte ihn Denise und nahm seine Hand in die ihre. Sofort durchströmte ein entspannendes Kribbeln seinen Körper und eher er sich's versah stand er auch schon auf der Transporteplattform der Aeries. Der diensthabende Offizier ging sogleich zum Kommunikationspanel und meldete: "Vier Passagiere sind an Bord!"
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Die Gästequartiere waren nicht gerade der Inbegriff der Gemütlichkeit, aber Gomez war noch von Destiny daran gewöhnt und das prominente Ehepaar hatte jahrelang auf der Enterprise gedient. Nur Denise war am Anfang ein Bisschen enttäuscht, dass ein so neues Schiff solch spartanisch eingerichtete Unterkünfte hatte. Aber die Aeries war ja auch ein Schiff der Sternenflotte und kein Luxus-Passagierkreuzer.
Kaum hatte Gomez seine Sachen ausgepackt wollte er sich auch schon in Richtung Brücke begeben, doch der diensthabende Wachoffizier auf dem Gang wollte ihn wieder in sein Quartier zurück schicken: "Die Brücke ist für Zivilisten tabu!"
"Hören Sie mal, auf der Destiny hatte ich durchaus Zugang zur Brücke, wenn auch nur für jeweils kurze Zeit und diesmal wurde ich sogar von Sir Malcolm Reed persönlich hierher eingeladen! Und ich schwöre Ihnen auch, dass ich kein Spion bin, der hinter den Plänen Ihres Prototypen her ist!"
Der Sicherheitsoffizier ging zum nächst gelegenen Kommunikationspanel und sprach offenbar mit seinem Vorgesetzten, wahrscheinlich sogar dem Captain persönlich. Dann wandte er sich wieder Gomez zu: "Sie dürfen die Brücke betreten, aber nicht länger als fünf Minuten. Folgen Sie mir!"
Auf der Brücke sah er Reed, der sich angeregt mit dem taktischen Offizier der Aeries unterhielt. Der Captain, ein blonder Hüne, der direkt aus einer Wikinger-Saga entstiegen zu sein schien stand von seinem Sessel auf und begrüßte den Passagier: "Willkommen an Bord, Mr. Gomez, ich bin Captain Svend Calhoun. Ich habe von Ihrer Transporterphobie gehört und bin daher umso erleichterter, dass Sie das Beamen mit unseren neuen Transportern heil überstanden haben!"
"Nun ja, ich hielt es nicht für angemessen, Ihren Prototypen gleich vor seinem interstellaren Jungfernflug durch eine... Kotzorgie zu entweihen! Außerdem hat Denise es geschafft, mir einen großen Teil meiner Furcht zu nehmen. Was ich allerdings schade finde ist, dass ich so immer noch nicht weiß, wie dieser Kahn hier eigentlich von Außen aussieht!"
Captain Calhoun schmunzelte leicht. "Also besser als die Deadalus-Klasse sieht unser Schiff hier allemal aus. Ich kann Ihnen selbstverständlich keine Einzelheiten verraten, aber mit einer allgemeinen 3-D-Außenansicht kann ich schon dienen!"
Auf dem Hauptbildschirm erschien das sich drehende Abbild eines Schiffes, das in seinem strukturellen Grundkonzept der Deadalus-Klasse folgte, aber weitaus harmonischer aufgebaut war: Der Hauptrumpf erinnerte stark an den Rumpf eines Schiffes, das für die See gebaut war; deutlich konnte der Detektiv eine Art Kiel ausmachen. Die Kommandosektion war eine runde Scheibe, die auf einem leicht schräg nach oben weisenden Hals saß und auf der Name und Registriernummer zu lesen waren. Die Warpgondeln erinnerten wieder mehr an die der Enterprise/NX-Klasse und sie waren durch auch schräg nach hinten abstehende Streben mit dem Rumpf verbunden, was einen dynamischeren Gesamteindruck erzeugte als bei dem Vorgängermodell