Nur 48 Stunden nach dem ersten bestätigten Schweinegrippe-Fall in Europa gibt es jetzt in Österreich gleich mehrere Verdachtsfälle: Im oberösterreichischen Steyr befindet sich eine 28-jährige Mexikourlauberin mit Verdacht auf eine Infektion mit dem H1N1-Virus in Behandlung, Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) gab am Dienstagabend bekannt, dass in Wien ein positiver Befund bei einer ebenfalls 28 Jahre alten Patientin gar "wahrscheinlich" sei. Außerdem gebe es bei drei weiteren Patienten Verdachtsmomente. Angesichts der Seuche hat die WHO ihre Pandemie-Warnung von der dritten auf die vierte von sechs Alarmstufen angehoben. In Mexiko werden unterdessen sogar die Restaurants leergeräumt.
Die 28-jährige Frau mit der "wahrscheinlichen" Infektion werde in einem Wiener Spital isoliert behandelt und bekomme alle notwendigen Medikamente, so der Minister am Dienstagabend bei einer eigens einberufenen Pressekonferenz. Der Gesundheitszustand sei "einer Grippe entsprechend gut".
Zusätzlich gebe es drei weitere Verdachtsfälle in Wien, erklärte der Gesundheitsminister, der stets betont, Österreich sei auf eine Pandemie "gut vorbereitet". Laut Stöger haben alle Erkrankten kürzlich eine Reise nach Mexiko unternommen. Wahrscheinlich haben sie sich bei Menschen und nicht bei Tieren angesteckt. Von den Betroffenen werden noch weitere Test gemacht, die Ergebnisse sollen am Mittwoch vorliegen.
Symptome schon beim Rückflug
Die 28-Jährige unternahm vergangene Woche eine Reise nach Guatemala mit einem Zwischenstopp in Mexiko. Sie wies bereits dort Symptome auf und fuhr nach ihrer Rückkehr in der Nacht auf Dienstag in ein Wiener Spital, wo sie seither behandelt wird. Der Patientin, sie ist gebürtige Guatemaltekin, gehe es - wie auch den anderen Verdachtsfällen - den Umständen entsprechend gut, hieß es.
Da sie bereits auf dem Rückflug über den Atlantik Beschwerden hatte, könne eine Ansteckung anderer Patienten im Flugzeug nicht ausgeschlossen werden, meinten die Experten in Wien. Man habe jedoch alle Kontaktpersonen der fünf möglicherweise Infizierten "unter Kontrolle", betonte der Gesundheitsminister.
Patientin hat 40 Grad Fieber
Die junge Frau flog von Mexiko-Stadt nach Miami und hat dabei sechs Stunden ohne Mundschutz auf dem Flughafen auf ihre Maschine warten müssen. Nach einem Aufenthalt von drei Tagen reiste die 28-Jährige über Düsseldorf nach Wien. Die über 40 Grad Fiebernde sei von Freunden abgeholt und sofort ins Krankenhaus gebracht worden, hieß es weiter. Die Bekannten der Reisenden wurden prophylaktisch behandelt und angewiesen, zu Hause zu bleiben.
Die Patientin wird in einem Isolierzimmer mit Schleuse mit Tamiflu behandelt. "Es gibt keine Hinweise auf eine Sekundärkomplikation, die Behandlung ist relativ banal", meint Primar Wenisch, der behandelnde Arzt. Zwei Tabletten hat die 28-Jährige bereits eingenommen, eine Therapie dauert bis zu zehn Tagen. Besuch dürfe sie keinen empfangen, das Personal kann nur mit Mundschutz zur Patientin.
Testergebnis erhärtete Schweinegrippe-Verdacht
Die junge Frau hat laut bisherigen Testergebnissen eine Influenza A, die nicht zu jenem gewöhnlichen Grippe-Virus passt, der in dieser Saison üblich war. Daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um die Schweinegrippe handelt, sehr groß. Ab Mittwoch sollen spezifische Test für das H1N1 vorliegen, die genauere Ergebnisse bringen.
65-Jährige und 70-jähriges Ehepaar isoliert
Bei einem weiteren Wiener Verdachtsfall handelt es sich um eine 65-jährige Urlauberin, die sich in Mexiko-City aufgehalten hatte. Sie bekam ebenfalls noch dort Symptome der Krankheit und suchte nach ihrer Rückkehr nach Wien, wo es ihr bereits besser ging, einen Hausarzt auf. Dieser riet ihr zu einem Besuch im Krankenhaus, wo sie am Dienstag aufgenommen wurde. Bei den Verdachtsfällen drei und vier handelt es sich um ein etwa 70-jähriges Ehepaar. Es hatte sich mehrere Monate in Mexiko aufgehalten.
Zwei Patienten werden im Kaiser-Franz-Josef Spital, ein dritter in einem Privatkrankenhaus behandelt. Wo sich der vierte Patient befindet blieb zunächst unklar. Proben aller Verdachtsfälle wurden ins Wiener Institut für Virologie zur Analyse geschickt.
Steyr: Erster Schnelltest negativ
Die Krankenhausleitung im oberösterreichischen Steyr beschwichtigte indes. Ein erster Schnelltest sei negativ ausgefallen, hieß es am Dienstagnachmittag. Man sei überdies gut gerüstet für derartige Fälle, das Mittel Tamiflu liege jederzeit in den Apotheken zur Abholung bereit.
Die Ärztliche Direktorin des LKH Steyr, Ingrid Federl, sagte: "Es wurde keine Pandemie ausgerufen." Die Patientin bleibe aber isoliert, bis das Ergebnis des Virologischen Instituts der Medizinischen Universität Wien vorliegt, das für Mittwochvormittag erwartet wird. Die Proben wurden bereits dorthin geschickt. Bis dahin befinde sich die Frau in Isolation, um eine Ansteckung zu verhindern.
Bei der 28-Jährigen waren nach der Rückkehr von einer Mexiko-Reise am Sonntag Grippe-Symptome aufgetreten. Dank der raschen Reaktion ihres Hausarztes konnte im LKH Steyr noch vor dem Eintreffen der Patientin eine Isolierstation vorbereitet werden. Die 28-Jährige sei mit keinem Patienten und mit keinem Spitalsmitarbeiter ohne Schutzanzug in Kontakt gekommen, erklärte Federl. Man sei entsprechend dem Pandemieplan vorgegangen, das Gesundheitsamt sei informiert.
Die Gesundheitsbehörden in Oberösterreich haben Vorbereitungen getroffen, das Umfeld der erkrankten Frau zu untersuchen und gegebenenfalls medizinisch zu behandeln, hieß es weiter. Die Ärzteschaft sei angewiesen worden, Verdachtsfälle zur diagnostischen Abklärung an die Spitäler weiterleiten. Man rechnet nach der aktuellen Entwicklung damit, dass sich nun vermehrt Leute mit Grippesymptomen melden werden.
Stöger: "Sehr weit weg von einer Pandemie"
Laut Gesundheitsminister Stöger gibt es trotz der ersten Verdachtsfälle für die Menschen in Österreich keinen Grund zur Panik, denn das Land sei "bestens vorbereitet". Außerdem betonte Stöger (vor der Bekanntgabe der Verdachtsfälle in Wien): "Wir sind sehr weit weg von einer Pandemie." Dennoch wurden schon am Montag erste Vorkehrungsmaßnahmen getroffen. Aufklärung und Information sei derzeit vor allem auf den heimischen Flughäfen wichtig. Dort liegen auch schon Flugzettel für Urlauber auf, die aus Mexiko kommen. Laut Touristikern halten sich im Moment etwa 170 Österreicher in dem mittelamerikanischen Land auf. Das Gesundheitsministerium hat überdies eine sofortige Meldepflicht für Infektionen mit der Schweinegrippe beschlossen. Zusätzlich wurde für Fragen bei der Agentur für Gesundheit- und Ernährungssicherheit (AGES) eine Hotline (05-05-55-555) eingerichtet.
Wichtige Informationen zur Schweinegrippe findest du in der Infobox!
Keine offizielle Warnung vor Mexiko-Reisen
Seit der Nacht auf Dienstag rät das österreichische Außenamt von nicht notwendigen Reisen nach Mexiko dringend ab. Eine offizielle Reisewarnung gibt es nach wie vor allerdings nicht. "Die Situation wird natürlich laufend beobachtet - in enger Abstimmung mit anderen EU-Staaten, den Botschaften und Konsulaten vor Ort", betonte ein Außenministeriums-Sprecher am Dienstag.
Anhaltspunkte für betroffene Österreicher in Mexiko lägen nicht vor, hieß es. Die meisten Urlauber würden sich an der Küste in den Ferienorten Yucatan und Cancun aufhalten und nicht in den überwiegend betroffenen Ballungsräumen wie Mexiko-Stadt. Ein Ausreise-Wunsch von Personen in Mexiko sei bisher nicht an die Behörde herangetragen worden. Laut österreichischer Botschaft verlaufe in dem mittelamerikanischen Land alles den Umständen entsprechend ruhig und ohne Panik.
Bestätigte Fälle in Spanien und Schottland
Am Montag waren erste Fälle der Erkrankung auch in Europa aufgetreten (siehe Video in der Infobox). Wenige Stunden nachdem die spanische Regierung bekannt gegeben hatte, dass sich ein junger Mann aus dem Südosten des Landes mit dem H1N1-Virus infiziert hat, gab es am Abend zwei weitere bestätigte Fälle in Schottland. Den beiden Patienten geht es nach Angaben des britischen Premierministers Gordon Brown inzwischen besser.
Insgesamt gibt es Verdachtsfälle in mindestens neun weiteren EU-Staaten: in Österreich, Deutschland, Frankreich, Tschechien, Italien, Griechenland, Irland, Dänemark und Schweden. EU-Gesundheitskommissarin Androulla Vassiliou kündigte ein Treffen mit Vertretern von Pharma-Konzernen an. Generell rät die EU von Reisen nach Mexiko und in die amerikanischen Grenzgebiete dringend ab.
Wichtiger Termin bei der derzeitigen Pandemie-Vorsorge ist das Sondertreffen der EU-Gesundheitsminister am Donnerstagnachmittag, bei dem über mögliche Schutzmaßnahmen in Europa beraten werden soll. Gesundheitsminister Stöger wird an der Besprechung teilnehmen und dazu nach Luxemburg reisen.
WHO gibt Pandemie-Warnstufe vier aus
In der Nacht auf Dienstag hatte die Weltgesundheitsorganisation angesichts der weiteren Ausbreitung der Schweinegrippe die Pandemie-Warnstufe von zuvor drei auf vier erhöht. Die Entscheidung sei nach Krisenberatungen mit Grippeexperten aus der ganzen Welt gefallen, so die UN-Organisation. Die WHO signalisiert mit der Anhebung der Warnstufe, dass das Risiko einer weltweiten Epidemie, also einer Pandemie, deutlich gestiegen ist. Dies bedeute aber nicht, dass eine Pandemie unvermeidlich sei. Der stellvertretende WHO-Generaldirektor Keiji Fukuda sagte aber, eine Eindämmung sei derzeit kaum möglich, da das Virus sich bereits auf mehrere Länder ausgebreitet habe.
Grippe nun auch im asiatisch-pazifischen Raum
Indes erreicht die Schweinegrippe immer weitere Teile der Welt: Nach Amerika und Europa wurde die Krankheit am Dienstag auch im asiatisch-pazifischen Raum nachgewiesen. In Neuseeland sind mindestens elf Menschen an der Schweinegrippe erkrankt. Dabei handelt es sich um Schüler und Lehrer einer Reisegruppe, die am Wochenende aus Mexiko zurückgekehrt war. Außerdem gibt es dort 43 weitere Verdachtsfälle. Auch aus Südkorea wurde ein Verdachtsfall gemeldet. Weltweit wurden die Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Russland, Hongkong und Taiwan erklärten, Durchreisende mit Grippesymptomen würden sofort in Quarantäne eingewiesen.
Mexiko räumt sogar Restaurants leer
In Mexiko sind laut Angaben der Regierung schon mehr als 150 Menschen an der Schweinegrippe gestorben. Bestätigt wurde das Virus bisher bei 20 Toten. Fast 2.000 Verdachtsfälle werden zurzeit noch überprüft. Die mexikanische Regierung greift zu drastischen Maßnahmen, um eine weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern: Alle Restaurants in der Hauptstadt Mexiko-Stadt dürfen Essen ab sofort nur noch zum Mitnehmen verkaufen. Die Bedienung in den Gaststätten sei ab sofort verboten, sagte Innenminister Jose Angel Avila am Dienstag.
Der Bürgermeister der 20-Millionen-Einwohner-Metropole, Marcelo Ebrard, ordnete auch die Schließung aller Fitness-Studios und Schwimmbäder an. Auch Kinos, Museen und Zoos müssen geschlossen bleiben. Der Schulunterricht im ganzen Land ist bis auf weiteres ebenfalls ausgesetzt.
Quelle:
http://www.krone.at/krone/S25/object_id__142536/hxcms/index.html